Der Start der Car.Software.Org ging gründlich daneben. Anfang Juli war die Softwareeinheit von Volkswagen an den Start gegangen. Nach nicht einmal zwei Wochen muss Christian Senger gehen, der das Vorzeigeprojekt über Monate aufgebaut hatte und zuletzt als VW-Vorstand und CEO der Car-Software.Org fungierte.
Neuer starker Mann ist Audi-CEO Markus Duesmann. Dieser soll im Volkswagen-Konzernvorstand im Rahmen seiner Verantwortung für Forschung und Entwicklung auch das Thema Software übernehmen. Neuer CEO der Car.Software-Organisation soll Dirk Hilgenberg werden, zuletzt Senior Vice President Manufacturing Engineering in der BMW Group.
Mit der neuen Softwaresparte verfolgt VW ambitionierte Ziele. Mit VW.OS wollen die Wolfsburger eine eigene Softwareplattform für ihre Fahrzeuge entwickeln. Bis 2025 soll der Eigenanteil an der Software von derzeit zehn auf dann 60 Prozent steigen. Das hatte sich Senger erst vor wenigen Wochen als ehrgeiziges Ziel vorgegeben. "Wir können und wollen unsere Softwareplattform selbst entwickeln", sagte der Manager. Es gehe vor allem darum, die Kontrolle über die Wertschöpfung durch Daten zu behalten und Innovationen zu beschleunigen.
Machtkämpfe bei VW?
Aufgaben und Herausforderungen seien jedoch groß, musste auch Senger einräumen. Schließlich gebe es keine Best Practices und man müsse im Grunde ganz von vorn anfangen. Das brauche Zeit und Geld. Sieben Milliarden Euro will der VW-Konzern bis zum Jahr 2025 in die Entwicklung stecken. 5.000 Mitarbeiter sollen noch 2020 an der neuen Softwareplattform bauen.
Wie Volkswagen Softwarekonzern werden will
Mit dem Projekt habe sich Senger nicht nur Freunde gemacht, hatte kürzlich das "Handelsblatt" berichtet. Gerade die mächtigen Marken-Fürsten hätten angesichts einer unabhängigen Softwaresparte um ihren Einfluss gefürchtet, hieß es. Duesmann dankte Senger für seine Pionierarbeit. Dieser habe entscheidend dazu beigetragen, das strategische Leitbild des Volkswagen Konzerns hin zum softwaregetriebenen Mobilitätsunternehmen auf die Beine zu stellen, sagte Duesmann. "Unter seiner Führung ist eine leistungsfähige Software-Einheit entstanden, die nun nach gelungenem Aufbau in die Betriebsphase übergehen kann." Doch dafür scheint Senger nicht mehr als der geeignete Führungsverantwortliche. Ob dieser "neue verantwortungsvolle Aufgaben" im Volkswagen Konzern übernehmen könnte, werde derzeit geprüft.
Mit der Neusortierung der Verantwortlichkeiten scheint ein interner Machtkampf bei VW beendet zu sein, den Senger offenbar verloren hat. Es sei nur folgerichtig, das Duesmann im Rahmen seiner konzernweiten Verantwortung für Forschung und Entwicklung auch das Thema Software übernimmt, heißt es in einer Mitteilung des Autobauers.
Duesmann ist der neue starke Mann in der für VW so wichtigen Entwicklungsabteilung. Mit neuem Personal zementiert der Audi-Mann seine Hausmacht. "Mit der baldigen Staffelübergabe an Dirk Hilgenberg werden wir einen CEO für die Car.Software-Organisation gewinnen, der umfassende internationale Erfahrung in der Integration von Software-Produkten und Technologien besitzt", so Duesmann. "In enger Zusammenarbeit mit ihm werde ich das Thema mit Nachdruck und Highspeed vorantreiben." Hilgenberg kommt wie Duesmann selbst vom VW-Konkurrenten BMW.
"Wir läuten die größte Revolution in der Automobilbranche ein"
Die Ansprüche bleiben hoch. Bei VW spricht man von einem straffen Fahrplan für die nächsten Jahre. "Wir läuten momentan die größte Revolution in der Automobilbranche ein", konstatierte Duesmann. In wenigen Jahren würden das Betriebssystem eines Autos und seine Vernetzung mit einer hochsicheren Daten-Cloud den entscheidenden Unterschied ausmachen. "Deshalb ist die starke Aufstellung der Car.Software-Organisation als markenübergreifende Einheit für Software-Entwicklung im Volkswagen Konzern der entscheidende Schritt in die Zukunft."
Die Führung scheint dabei nun Audi zu übernehmen. Der volle Funktionsumfang des von der Car.Software-Organisation verantworteten Betriebssystems VW.OS soll erstmals in einem Leuchtturmmodell von Audi eingesetzt werden. Duesmann sprach von einer neuen agilen Einheit namens "Artemis", die in enger Zusammenarbeit mit der Car.Software-Organisation Entwicklungsprozesse "enorm" beschleunigen soll. "Mit meinem Team bei Audi sehen wir uns als Premiummarke dabei in besonderer Verantwortung", gab der Manager vor. Für viele Kunden definiere sich Premium bereits heute vorrangig über digitale Technologien. "Unser Anspruch ist es, dass von dieser Vorreiterrolle alle Marken im Volkswagen Konzern profitieren."
Organisatorisch scheint sich also einiges bei der Car.Software.Org zu ändern. Kompetenzen sollen offenbar wieder zurück an die Marken fließen. Neben Audi und Artemis betrifft das auch den VW-Kern. Im Zuge des Personalaufbaus in der Car.Software-Organisation werde das Ressort "Digital Car & Services" der Marke Volkswagen Pkw perspektivisch wieder in der Kernmarke aufgehen, hieß es in einer Konzernmitteilung. Auch die Personalplanung lässt darauf schließen, dass die Machtbefugnisse der zentralen Softwareeinheit beschnitten werden. Ursprünglich war für dieses Jahr ein Ausbau der Mitarbeiterzahl auf 10.000 geplant. Heute spricht man bei VW von nurmehr der Hälfte.
Die sollen sich VW zufolge in der Car.Software-Organisation darauf konzentrieren, einheitliche Software-Umfänge für alle Marken und Märkte im Konzern zu entwickeln. Dabei gehe es vor allem um das Fahrzeug-Betriebssystem VW.OS und die Anbindung an die dazugehörige Volkswagen Automotive Cloud. Darüber hinaus sollen in der Car.Software-Organisation künftig die technologischen Plattformlösungen für datengetriebene Geschäftsmodelle und Innovationen im Konzern gebündelt werden.