Microsofts Visual Studio Code (VS Code) hat sich im Lauf der letzten Jahre zu einem der Tool-Favoriten für Softwareentwickler gemausert. Im Kern ist VS Code vor allem ein leichtgewichtiger Editor - der sich durch eine Vielzahl von Extensions in eine Entwicklungsumgebung (Integrated Development Environment, IDE) für diverse Sprachen und Tasks transformieren lässt. Trotzdem wird nicht jeder Dev mit VS Code glücklich, insbesondere, weil das Tool unter der Fuchtel von Microsoft steht.
Will man das Branding, die Closed-Source-Elemente sowie die Übertragung von Telemetriedaten an den Windows-Konzern unterbinden, steht beispielsweise das Open-Source-Projekt VSCodium zur Verfügung. Die Entwicklungsumgebung Theia geht allerdings noch einen Schritt weiter: Sie verbindet diverse quelloffene Elemente von Visual Studio Code mit einer noch liberaleren Lizenzpolitik sowie einer reichhaltigen Community und wird zudem mit der Eclipse Foundation als Non-Profit-Organisation verwaltet.
Wir haben uns die Theia IDE genauer angesehen und verraten Ihnen, ob sich die Visual-Studio-Code-Alternative für Sie lohnt.
?? Theia IDE vs VS Code: Which IDE is right for you?
— Eclipse Theia (@theia_ide) July 12, 2024
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Theia IDE einrichten
Die Theia IDE lässt sich ganz ähnlich einrichten wie Visual Studio Code - entweder als lokale Electron.js-Applikation oder per Webbrowser über eine Cloud-gehostete Umgebung.
Die lokale Installation fällt dabei nicht komplexer aus als bei anderen Desktop-Anwendungen: Die Eclipse Foundation stellt für alle wesentlichen Betriebssysteme Installer zur Verfügung (ein Klick führt Sie direkt zum entsprechenden .exe-File):
Windows-Benutzer haben außerdem die Option, die Theia IDE über den Packet Manager winget zu beziehen - auch wenn das zur Folge hat, meist ein oder zwei Versionierungen (im Vergleich zur aktuellen Eclipse-Version) "hintendran" zu sein. Docker-Nutzern steht darüber hinaus ein experimentelles Image zur Verfügung, um Theia wahlweise lokal oder online auszuprobieren.
Addons und Extensions für Theia
Visual Studio Code ist zwar über Addons erweiterbar, kommt standardmäßig aber asketisch ausgestattet daher. Der Gedanke dahinter: Der User fügt hinzu was er mit Blick auf seine Workloads oder individuellen Projekte braucht. Seine Kehrseite: Das kostet die Benutzer einige Zeit und Mühe.
An dieser Stelle zeigt die Theia IDE ein gegensätzliches Gesicht: Die Entwicklungsumgebung ist Default-mäßig mit 88 vorinstallierten Extensions ausgestattet, die diverse gängige Toolsets, Programmiersprachen und Use Cases abdecken. Die Chancen stehen also gut, dass die Erweiterungen, die Sie benötigen, bereits an Bord sind - und Sie direkt loslegen können. Leider bringt auch dieser komfortable Ansatz zwei wesentliche Nachteile mit sich:
der Installations-Footprint wird größer: Unter Windows benötigt eine Basisinstallation von Visual Studio Code etwa 376 MB - mit 658 MB braucht die Theia IDE fast doppelt so viel Platz.
das Setup ist weniger flexibel: Im Gegensatz zu VS Code ist es bei der Theia IDE nicht möglich, Extensions für spezifische Projekte oder Installationen zu deaktivieren. Darüber hinaus können die integrierten Erweiterungen nicht einfach entfernt werden. Zudem ist es möglich, dass nicht benötigte Addons die Startup-Zeit beeinträchtigen.
Mit der Theia IDE arbeiten
Wenn Sie ein Projektverzeichnis mit Theia öffnen, werden Ihre Einstellungen in einem .theia
-Unterverzeichnis gespeichert. Das vermeidet Konflikte mit anderen Editoren oder IDEs. In unserem Test konnten wir so dasselbe Projekt sowohl mit VS Code als auch mit Theia bearbeiten (mussten es aber dann auch separat konfigurieren).
Falls Sie mit den diversen nativen Funktionen von Visual Studio Code vertraut sind, finden Sie sich in Theia vermutlich schnell ein. Die Command Palette (Strg + Shift + P) ruft eine durchsuchbare Liste aller registrierten Befehle und der dazugehörigen Shortcuts auf. Eine Funktion der Theia IDE, die VS Code nicht bieten kann, ist eine konfigurierbare Toolbar. Diese lässt sich mit Symbolen bestücken, die mit verschiedenen Befehlen verknüpft sind. Dabei besitzen Sie als Benutzer maximale Flexibilität hinsichtlich Befüllung und Positionierung. Ansonsten unterscheiden sich die Theia IDE und VS Code nur marginal. Die App-Funktionen finden sich beispielsweise im Wesentlichen an denselben Stellen.
Die Dokumentation der Theia IDE richtet sich in erster Linie an Entwickler, die mit der Codebasis der IDE arbeiten wollen - statt sie als Editor zu verwenden. Das spiegelt wahrscheinlich die Annahme wider, dass der Großteil der Zielgruppe weiß, wie ein Editor funktioniert und keine Hilfestellung benötigt. Im Vergleich ist die Dokumentation von VS Code mit Blick auf die Nutzung als Editor wesentlich detaillierter.
Die Eclipse-Entwicklungsumgebung funktioniert sowohl mit ihren eigenen, nativen Extensions als auch mit denen für VS Code - die jeweils über die Open VSX Extension Registry heruntergeladen werden können. Dabei stellen die nativen Extensions in der Regel die beste Wahl dar. Allerdings ist ihre Anzahl im Vergleich zu denen für VS Code überschaubar. Diese funktionieren allerdings mit der Theia IDE nicht immer erwartungsgemäß - zumindest noch nicht. Immerhin findet das in der Dokumentation der Open-Source-Entwicklungsumgebung jedoch explizit Erwähnung.
Im Test haben wir die Theia IDE zum Beispiel mit der Microsoft-Extension für Python ausgestattet. Im ergebnis bot sich leider nicht derselbe Funktionsumfang wie bei VS Code. In diesem Fall ließ sich das zwar über die Installation eines separaten Extension Packs auffangen - allerdings nicht vollständig. So wurde beispielsweise eine virtuelle Umgebung in einem existierenden Projekt nicht korrekt aktiviert. Die Wurzel des Übels: Die Python-Extension sendete venv-Aktivierungsbefehle für Powershell - während cmd.exe bei Theia als Default Terminal eingestellt war.
Unser Testfazit zu Theia IDE
Wenn Sie von Visual Studio Code aus Management- oder Lizenzierungsgründen Abstand nehmen möchten oder müssen und auch VSCodium für Sie keine zufriedenstellende Alternative darstellt, ist die Theia IDE eine Überlegung wert. Im Großen und Ganzen lehnt sich die Entwicklungsumgebung eng genug an VS Code an, um einen Switch nicht allzu verwirrend zu gestalten.
Ein größeres Hindernis könnte allerdings der unvollständige Funktionsumfang mit Blick auf die Extensions für VS Code darstellen. Schließlich ist dies das wesentliche Attraktivitätsmerkmal von Visual Studio Code und kann sich für bestimmte (Anwendungs)Fälle - zumindest, solange das so bleibt - als Ausschlusskriterium erweisen. (fm)