SCVMM von Microsoft

Virtuelle Maschinen im Griff

16.11.2020
Von  und
Frank-Michael Schlede arbeitet seit den achtziger Jahren in der IT und ist seit 1990 als Trainer und Fachjournalist tätig. Nach unterschiedlichen Tätigkeiten als Redakteur und Chefredakteur in verschiedenen Verlagen arbeitet er seit Ende 2009 als freier IT-Journalist für verschiedene Online- und Print-Publikationen. Er lebt und arbeitet in Pfaffenhofen an der Ilm.
Thomas Bär, der seit Ende der neunziger Jahre in der IT tätig ist, bringt weit reichende Erfahrungen bei der Einführung und Umsetzung von IT-Prozessen im Gesundheitswesen mit. Dieses in der Praxis gewonnene Wissen hat er seit Anfang 2000 in zahlreichen Publikationen als Fachjournalist in einer großen Zahl von Artikeln umgesetzt. Er lebt und arbeitet in Günzburg.
Der System Center Virtual Machine Manager 2019 (SCVMM oder einfach VMM) dient Admins zum Konfigurieren, Verwalten und Umwandeln von traditionellen IT-Infrastrukturen in Azure-Hybrid-Cloud-Systeme. Wir geben einen Überblick.

Üblicherweise liefert Microsoft für alle seine B2B-Produkte eine Basisversion zur Verwaltung. Diese reicht meistens für Kleinkunden oder die Inbetriebnahme von Systemen aus. Der Hyper-V-Manager ist eine solche Basissoftware, über die Administratoren virtuelle Maschinen direkt auf dem Hyper-V-Host verwalten können. Der VMM ist die ausgewachsene Verwaltungssoftware für virtuelle Maschinen. Er bietet einen deutlich größeren Leistungs- und Funktionsumfang und unterstützt beispielsweise den Support für Nested Virtualization, Linux shielded VMs, Storage- und Netzwerksteuerung.

In diesem Beitrag soll es um Version 2019 des VMM gehen. Empfohlen wird sie für maximal 1.000 physische Host-Computer, die bis zu 25.000 virtuelle Maschinen in bis zu 2.000 virtuellen Netzwerken enthalten. Systemseitig ist ein MS-SQL-2016-Datenbankserver oder eine neuere Version erforderlich. Mindestausstattung beim Betriebssystem ist Windows-10/2016. In überschaubaren Umgebungen ist der gleichzeitige Betrieb von Datenbank- und VMM-Serverdienst möglich.

Bibliotheken sind ein zentrales Arbeitsmittel für den SCVMM-Administrator.
Bibliotheken sind ein zentrales Arbeitsmittel für den SCVMM-Administrator.
Foto: Microsoft

Während der Hyper-V-Manager eher eine technische Sicht auf den lokalen Host bietet, liefert der VMM eine abstrahierte Sicht auf Ressourcen und Inventar. Außerdem stellt er Bibliotheken - im englischen Original: Libraries - zur Verfügung. Diese dienen der zentralen Aufnahme von Script-Jobs, ISO-Images oder VHD/VHDX-Containerdateien. Sie bilden somit das Grundgerüst für eine hohe Automatisierbarkeit im Rechenzentrumseinsatz.

Die grundlegenden Elemente

Der VMM gliedert sich in die Funktionsbereiche Data Center, Virtualisierungs-Hosts, Netzwerk, Speicher und Bibliotheksressourcen. Die Bibliothek ist nichts anderes als eine Dateifreigabe, die einen Ressourcenkatalog enthält. Dieser kommt für das Bereitstellen virtueller Computer und Dienste zum Einsatz. Dabei handelt es sich um dateibasierte Ressourcen wie virtuelle Festplatten, Treiber, Anwendungspakete und nicht-dateibasierte Ressourcen wie Vorlagen.

Auch offline geschaltete Virtual Machines (VMs) findet der Administrator in dieser Bibliothek wieder. Mit dem VMM verwalten IT-Profis die Speicherorte für virtuelle Maschinen. Grundsätzlich muss es sich hierbei um blockbasierte Speichersysteme handeln.

Wie der Name schon sagt, bietet der Funktionsbereich Netzwerk dem Administrator die Möglichkeit, die Netzwerkressourcen für virtuelle Maschinen zu steuern. Das beginnt mit dem Zuweisen von statischen IP-Adressen und dem Definieren von MAC-Pools, reicht über IP-Subnetze, VLANs und logische Switches und führt schließlich bis hin zur Definition von Netzwerkstandorten. Seit dem Update Release 2 aus dem Hochsommer 2020 unterstützt VMM auch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in VM-Netzwerken auf Subnetz-Ebene.

SCVMM 2019
SCVMM 2019
Foto: Microsoft

Mithilfe der Netzwerk-Virtualisierung können Administratoren isolierte Netzwerke einrichten, um mehrere Mandanten auch mit sich überschneidenden IP-Adressbereichen in einem System zu verwalten. Über virtuelle Gateways können VMs in virtuellen Netzwerken Verbindungen zu den physischen Netzwerken am selben oder an anderen Standorten herstellen.

Geschachtelte Virtualisierung - nur mit Intel

Viele Jahre war die Fähigkeit der "Virtualisierung innerhalb einer Virtualisierung" ein Leistungsmerkmal, dass VMware und KVM vorbehalten war. Microsoft stellte seine Nested Virtualization erstmals als neue Funktion mit dem Windows Server 2016 vor. Der VMM kann dieses Merkmal ansteuern, sofern die Hyper-V-Hosts mit Windows Server 2016 oder einer neueren Version arbeiten. Das gilt auch für die virtuelle Maschine selbst. Die Konfigurationsversion der VM muss der Version 8.0 oder höher entsprechen und der Einsatz eines Intel Prozessors mit VT-x und EPT-Technologie ist zwingend erforderlich.

SCVMM 2019 - schlechte AMD Unterstützung
SCVMM 2019 - schlechte AMD Unterstützung
Foto: Microsoft

AMDs Ryzen- und Epyc-Prozessoren sind bislang von der Verwendung der geschachtelten Virtualisierung durch Microsoft ausgeschlossen. Die Nested Virtualization mit AMD-Prozessoren ist zumindest seit dem Insider Preview Build 1964 von Windows 10 möglich - das weckt die Hoffnung, dass dieses Feature bald auch für die Windows Server-Plattform zur Verfügung steht.

Verbesserte Konsolensitzung

Eine Konsolenverbindung im VMM 2019 stellt nicht nur eine alternative, sondern häufig auch eine zwingend notwendige Variante von Remote-Desktops dar, um eine Verbindung mit der VM herzustellen. Bis zur Einführung der Version 2019 unterstützt die Konsolenverbindung in VMM ausschließlich Basissitzungen, in denen ein Text aus der Zwischenablage nur über die Menüoption "Text für Zwischenablage einfügen" übertragbar war. Nunmehr kann der Administrator alle gebräuchlichen Funktions-Shortcuts nutzen.

Nicht nur Hyper-V - auch ESXi

Äußerst spannend und praktisch ist die Möglichkeit, bestehende VMware-ESXi-Hosts ab der Version 5.1 in einer VMM-Fabric zu verwalten. Diese Hosts sind zwangsläufig auch in einem vCenter organisiert, denn der VMM kommuniziert sowohl mit dem ESXi-Host als auch dem Virtual Center von VMware. Die Liste der Funktionen im Zusammenspiel mit VMware ist lang, ebenso allerdings auch die Zahl der Limitierungen. So ist die Migration von VMware-Maschinen zu Hyper-V-VMs in der Regel kein Problem. Das gilt aber nicht, wenn die in VMware konfigurierte Maschine intern auf einem virtualisierten EIDE-Bus basiert.

Die Fähigkeiten des VMM 2019 zielen nicht darauf, dass Administratoren ihre VMware-basierten Umgebungen zu Gunsten von Hyper-V aufgeben sollen. Die klassischen Aufgaben im Tagesgeschäft von der Erstellung, der Modifikation und dem Verschieben von VMware-VMs und -Clustern oder die Zuweisung von logischen Netzwerken sind aus der VMM-Konsole aus zentral möglich.

Trotz dieser freundlichen Koexistenz von vCenter und VMM hat Microsoft die Migrationsmöglichkeiten an einer entscheidenden Stelle verbessert. Bis dato war es nur möglich, VMware-VMs in Hyper-V-Maschinen umzuwandeln, sofern diese auf dem älteren BIOS-Verfahren basierten. Nunmehr ist der Server in der Lage, die moderneren EFI-basierten VMware-VMs zu Hyper-V-Maschinen der zweiten Generation zu migrieren. Ältere, auf dem Standard-BIOS aufsetzende VMs wandelt der VMM automatisch in Hyper-V-Maschinen der ersten Generation.

Neuerungen mit dem Update Release

Das jüngste Update für den VMM geht mit einigen Funktionserweiterungen einher, etwa dem parallelen Upgrade eines S2D-Hostclusters (Storage Spaces Direct) von Windows Server 2016 auf Windows Server 2019 oder der Unterstützung der Deduplizierung von ReFS-Volumes. Die meisten anderen Funktionserweiterungen haben, dem Zeitgeist folgend, mit der Cloud- und Azure-Integration zu tun.

Im Bereich der Betriebssystem-Unterstützung erweitert das Update Release 2 den VMM um Red Hat 8, CentOS 8, Debian 10 und Ubuntu 20.4. Der Support für SDN IPv6 wurde integriert und neuerdings hat der Admin auch die Möglichkeit, eine Affinität zwischen virtuellen und physikalischen Netzwerkadaptern zu setzen.

Ein recht gutes Fazit

Abschließend betrachtet handelt es sich bei VMM 2019 um eine leistungsfähige Software, die dem Administrator jedoch ein wenig Durchhaltevermögen beim Erlernen der verschiedenen Ansichten abverlangt.