Peter Müller ist hochkonzentriert. Gemeinsam mit seinem Team steht er vor der Produktionsanlage, die er in wenigen Stunden seinen chinesischen Kunden präsentieren wird. Doch während sich der Geschäftsführer eines schwäbischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmens bereits in China befindet, sitzen die Kollegen am heimischen Firmensitz in ihren Büros. Der gemeinsame Treffpunkt ist virtuell.
In einer 3D Umgebung, die im Corporate Design dem eigenen Unternehmensgebäude nachempfunden wurde, haben sich Müller und Kollegen an einem funktionsfähigen 3D Modell der Anlage getroffen. Kunstfiguren in Menschengestalt, sogenannte Avatare, erlauben es ihnen, sich in der virtuellen Halle frei zu bewegen und beliebige Positionen an der Anlage einzunehmen. Per Headset und Mikrofon ist eine natürliche Sprachkommunikation untereinander möglich. Dabei hören alle Teilnehmer, entsprechend der Position ihres Avatars im Raum, die anderen in der jeweils richtigen Entfernung und Richtung.
3D-Modelle statt Powerpoint
Statt der üblichen Powerpoint-Präsentation nimmt er seinen Kunden mit auf eine interaktive Entdeckungsreise rund um die neue Produktionsanlage und verschafft diesem damit ein einmaliges Produkterlebnis. Gemeinsam erkunden sie das animierte 3D Modell der Anlage und durchlaufen einen Parcours aus Multimedia-Wänden mit ausgewählten Produkt-Highlights und Informationen zum Unternehmen. Der Geschäftsführer schätzt besonders die große Nähe zum Produkt, die er auf diese Weise herstellen kann sowie die Flexibilität, die Präsentation jederzeit spontan an der Interessenlage seines Kunden ausrichten zu können. Auf Wunsch des Kunden hat er ihm die Offlineversion der virtuellen 3D Präsentationswelt als Anschauungsmaterial belassen, was zu einer intensiveren Auseinandersetzung auch im Nachgang zum gemeinsamen Termin führt.
Bereits im Vorfeld zum Präsentationstermin haben Peter Müller und sein Team die virtuelle 3D Welt intensiv zur Vorbereitung genutzt. So fanden zahlreiche Projektsitzungen virtuell statt. Bei sehr geringem Organisationsaufwand, direkt vom eigenen Arbeitsplatz oder vom Home Office aus, in einer medientechnisch optimal ausgestatteten Umgebung, unaufwendig und auch spontan zusammenzukommen, hatte schnell Anhänger gefunden.
Treffen in der virtuellen Präsentationsumgebung
Aber auch Zusammenkünfte mit Externen finden regelmäßig in der virtuellen 3D Welt statt. So entschied sich Peter Müller bei der interkulturellen Vorbereitung für einen Trainer aus der Region seines Kunden, mit dem er sich dann mehrfach direkt in der virtuellen Präsentationsumgebung traf.
Für Müller und sein Unternehmen ist der Einsatz von virtuellen Lern- und Arbeitswelten längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Neben der Nutzung für Sitzungen und als leistungsfähige Kollaborationsumgebung für verteilte virtuelle Teams, finden darüber Produktschulungen, Vertriebstrainings, Sicherheitsunterweisungen, Sprachtrainings sowie Fach- und Führungskräfte-Coachings statt. Als nächstes Projekt im Bereich Unternehmenskommunikation sowie Marketing und Vertrieb ist die Umsetzung eines virtuellen 3D Showrooms für Kunden und Interessenten geplant.
Verkanntes Potential
Wenn man das hohe Nutzenpotenzial aus dem skizzierten Anwendungsbeispiel betrachtet, bleibt zu fragen, wieso virtuelle 3D Welten bislang keine größere Verbreitung erzielen konnten. Neben technischen Herausforderungen sind es wohl primär mangelnde Kenntnis zu aktuellen Möglichkeiten und Einsatzfeldern beziehungsweise nur langsam weichende Skepsis bei denjenigen, die die erste Hype-Phase rund um Second Life vor rund zehn Jahren erlebt haben. Im Trendmonitor 2014 des MMB Instituts finden sich auf den vordersten Plätzen die Themen Blended Learning, virtuelle Klassenräume und Mobile/Apps. Greifen wir die beiden ersten Themen heraus und setzen sie in den Kontext zu virtuellen 3D Welten.
Virtual Classroom
Virtuelle (2D) Klassenraum-Lösungen haben sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert, etwa in Form von Webinaren. Sie stellen eine flexible Möglichkeit dar, in verteilten Arrangements gemeinsam an Info- oder Lernthemen zu arbeiten. Ein Virtual 3D Classroom erweitert den Anwendungsbereich sowie die Nutzungsoptionen nochmals erheblich. Mit einer dreidimensionalen Umgebung, in der man sich bewegen kann, lässt sich eine weitestgehend natürliche Kommunikation und soziale Interaktion erreichen. Dabei heben Teilnehmer immer wieder den vergleichsweise entspannten Aufenthaltscharakter in einer virtuellen 3D Welt hervor und bestätigen die natürliche Empfindung, die eine solche Umgebung bei ihnen hervorruft.
Blended Learning goes 3D
Virtual Blended Learning wirkt wie ein begrifflicher Widerspruch zur Definition von Blended Learning als einer Kombination von Präsenzveranstaltung und E-Learning Anteilen. Und dennoch könnte es sein, dass in Zukunft der Präsenzbegriff seine physische Eindeutigkeit verliert. Es kann beobachtet werden, dass vergleichbare gruppendynamische Prozesse stattfinden, ebenso wie typisch informelle Handlungen, etwa der spontane Smalltalk in Pausen. Damit entstehen aber belastbare Optionen, Präsenzveranstaltungen teilweise oder auch vollständig in Form von gemeinsamer virtueller Präsenz anzubieten. Neben hoher Motivation und Spaß, besteht durch die virtuelle Anwendung eine Entkopplung von Faktoren wie Verfügbarkeit von Ressourcen, Entfernungen, Öffnungszeiten der Räumlichkeiten sowie individuellem Lerntempo.
Domänenübergreifende Lösung
Virtuelle 3D Welten werden heute vor allem im Kontext von projektbezogenen Einzellösungen wahrgenommen. Dabei liegt die besondere Mächtigkeit in einer nahezu universellen Einsetzbarkeit verbunden mit einer sehr großen funktionalen Integrationsfähigkeit. Wie im einleitenden Beispiel angedeutet, kann ein und dieselbe virtuelle Welt für zahlreiche unterschiedliche Aufgaben und über die Organisationsgrenzen hinaus eingesetzt werden.
Die Technik dahinter
Auch wenn rein browser-basierte virtuelle 3D Welten verfügbar sind, dominieren derzeit Server-Client-basierte Architekturen den Markt. Aktuell stellen sie den besten Kompromiss aus Leistung und Anforderungen an Bandbreiten dar. Auch aktuelle Tablet-Systeme bringen ausreichend Leistung für die Nutzung von virtuellen 3D Welten mit. Die benötigten Bandbreiten hängen stark davon ab, ob und in welcher Intensität (multimediale) Inhalte gestreamt werden und entsprechen dann den Anforderungen bekannter Streaming-Dienste.
Virtuelle 3D Welten existieren sowohl als maßgeschneiderte Unternehmenslösung als auch als Software-as-a-Service-(SaaS) Angebot. In der SaaS-Variante bezahlen die Nutzer lediglich für die Zeitdauer der Nutzung, etwa in einem Prepaid-Ansatz ohne vertragliche Bindung. Projektbezogen oder bei zunächst extensiver Nutzung kann das SaaS-Angebot auch für größere Unternehmen interessant sein. Allerdings empfiehlt sich hier die Kombination mit einem Managed-Service-Ansatz, der initiale Schulungen, Veranstaltungs-Management sowie Support-Dienstleistung beinhalten sollte.
- Deutsche Business-Cloud-Portale punkten mit Sicherheit
Die Datenskandale der letzten Zeit haben die Vorbehalte gegen die Cloud in mittelständischen Unternehmen eher verstärkt als verringert. Dem wollen deutsche Cloud-Provider entgegentreten. Sie punkten mit sicheren lokalen Rechenzentren ohne Abhörrisiko und Infrastrukturdiensten speziell für kleinere und mittelständische Betriebe. - CenterDevice
Das im Mai 2011 in Bonn gegründete Unternehmen CenterDevice GmbH stellt seinen Nutzern Cloud-Speicher zusammen mit Werkzeugen zur Online-Zusammenarbeit zur Verfügung, ist also kein reiner IaaS-Anbieter. Der Service unter dem Namen "Find & Share" ermöglicht das Auffinden und Teilen von Daten und Dokumenten, deren Bearbeitung sowie Präsentation aus dem Browser heraus. - Janz MittelstandsCloud
Janz IT legt mit seiner MittelstandsCloud Wert auf die regionale Verankerung. Das Paderborner Systemhaus betreibt ein eigenes Rechenzentrum auf eigenem Grund und wirbt mit Datenschutz und Verträgen nach deutschem Recht. - Lufthansa Systems CloudLounge
Die Lufthansa und Public-Cloud-Angebote? Klingt seltsam, stimmt aber. Das Spinoff Lufthansa Systems kümmert sich nicht nur um die IT der Mutter, sondern auch um die anderer Fluggesellschaften und Branchen. Schon länger hat der IT-Dienstleister Private- und Hybrid-Cloud-Services im Portfolio. Diese werden neuerdings - basierend auf "VMwares vCloud Director" - um öffentliche IaaS-Dienste ergänzt und dem Mittelstand unter dem Namen CloudLounge angeboten. - Nionex
Die Nionex GmbH, ein Tochterunternehmen des Bertelsmann-Konzerns mit Sitz in Gütersloh, stellt seit 2009 kleinen und mittelständischen Unternehmen Infrastructure-Services zur Verfügung. Die Bertelsmann-Tochter nutzt zwei TÜV- beziehungsweise ISO-zertifizierte Data Center in Nordrhein-Westfalen für ihre Cloud- Services. - ProfitBricks
ProfitBricks ist ein reiner IaaS-Anbieter aus Berlin, gegründet von zwei ehemaligen 1&1-Vorstandsmitgliedern. Das Unternehmen betreibt zwei Rechenzentren, eines in Karlsruhe, das andere in Las Vegas in den USA. Beide Data Center sind nach Unternehmensangaben weder physisch noch virtuell verbunden, so dass kein Datenaustausch stattfindet. - QSC
Die Kölner QSC AG bietet mittelständischen Unternehmen eine breite Palette an ITK-Services - von der Telefonie über Datenübertragung bis zu IT-Outsourcing und -Consulting. Die TÜV-geprüften Rechenzentren stehen in Nürnberg und München und werden nach deutschem Datenschutzrecht von der QSC Tochter IP-Exchange geführt.
Systemintegration von 3D Welten
Auch wenn sich eine virtuelle 3D Welt als völlig eigenständige Lösung betreiben lässt, besteht in vielen Fällen der Wunsch oder auch die Notwendigkeit nach Integration in eine bestehende Umgebung. In der Regel sind hier drei Bereiche zu berücksichtigen:
Anbindung an eine bestehende Lernumgebung (beispielsweise an ein Lern-Management-System)
Anbindung oder Einbindung in die IT-Infrastruktur unter Berücksichtigung der Sicherheitsaspekte
Anbindung oder Einbindung in die organisationalen Workflow- und Kommunikationsprozesse.
Möchte man die vielfältigen Möglichkeiten von virtuellen 3D Lernwelten effizient nutzen, ist es nicht alleine mit der Bereitstellung der Software getan. Beratung in technischer, aber auch didaktischer und prozessualer Hinsicht bis hin zur optimalen Einführung und Nutzung der virtuellen 3D Welten ermöglicht es, deren Potenzial auszuschöpfen. Schon alleine das passende Change Management, um den Wandel von den bisherigen, aufwendigen Präsenzveranstaltungen zu den virtuellen Welten zu ermöglichen, bedingt mindestens 20 Prozent des Projekterfolgs.