Das ist ein Ergebnis der Studie "IT-Modernisierung 2021" von IDG Research Services in Kooperation mit den Partnern IBM, T-Systems, ARS, PKS, Workday, FreeSoft und Micro Focus. Doch einen "Königsweg" hin zu einer zeitgemäßen und flexiblen IT-Infrastruktur gibt es nicht. Vielmehr sind individuelle Lösungen gefragt, bei denen die Cloud, aber auch Großrechner eine wichtige Rolle spielen können.
Wer im digitalen Zeitalter agiler und produktiver sein möchte, benötigt eine flexible IT-Infrastruktur. Das haben etwa drei Viertel der Unternehmen in Deutschland erkannt. Deshalb steht bei ihnen eine Modernisierung der IT-Umgebung an. "Die meisten Unternehmen wissen, dass sie Legacy-Systeme modernisieren müssen", sagt Tibor Kosche, Vice President M.A.R.S. bei T-Systems. Allerdings konzentrieren sich laut Kosche viele Firmen zu stark darauf, neue IT-Lösungen zu implementieren, statt eine übergeordnete Modernisierungsstrategie zu entwickeln. "Das geht zulasten der Nachhaltigkeit und führt oft dazu, dass Unternehmen Altlasten mitschleppen."
Daher ist es keine Option, eine Erneuerung der IT auf die lange Bank zu schieben, warnt Christian Daser, Business Unit Leader IBM Z Software bei IBM Deutschland: "Wer aufgrund von Kosten oder anderen Prioritäten eine Modernisierung aufschiebt, zahlt am Ende einen höheren Preis. Wir sehen vor allem bei Großunternehmen einen Modernisierungsstau, der aber 2021 angegangen und nach und nach aufgelöst werden soll."
- Christian Daser, Business Unit Leader IBM Z Software, IBM Deutschland GmbH
"Wer aufgrund von Kosten oder anderen Prioritäten eine Modernisierung aufschiebt, zahlt am Ende einen höheren Preis. Wir sehen vor allem bei Großunternehmen einen Modernisierungsstau, der aber 2021 angegangen und nach und nach aufgelöst werden soll." - Tibor Kosche, Vice President M.A.R.S., T-Systems
"Ein Teil der Firmen spricht von einer Cloud-Strategie, setzt jedoch auf ein On-Premises-Modell. Nur wenige Anwender verfolgen eine Cloud-native Strategie. Die größte Gruppe nutzt einen 'Lift-and-Shift'-Ansatz, um vor allem die IT-Kosten zu senken." - Joachim Gucker, CEO, ARS Computer und Consulting GmbH
"Unsere Kunden haben teilweise seit Jahren nicht mehr in ihre Mainframe-Teams investiert und stehen wegen deren Überalterung gewissermaßen mit dem Rücken zur Wand. Sie müssen jetzt oft schneller modernisieren, als es von den Kosten und Risiken her gesund wäre." - Heidi Schmidt, Managing Partner und CEO, PKS Software GmbH
"Die radikalen Vorgehensweisen zur Komplettablösung sind in vielen Fällen grandios gescheitert, und während des Versuchs der Ablösung wurden die Bestandssysteme sträflich vernachlässigt. Diese Zinsen und Zinseszinsen werden jetzt fällig." - Dr. Jens Krüger, Chief Product Architect, Workday
"Wenn man die Beschränkungen von Legacy-Systemen überwinden möchte, etwa in Bezug auf die Wartungsfähigkeit, Sicherheitsrisiken, Compliance-Herausforderungen oder Maintenance-Kosten, führt kein Weg an der Cloud vorbei." - Alexander Markert, Consultant und Evangelist, FreeSoft
"In unseren Projekten arbeiten die 'alten Hasen' aus der Legacy-Welt mit den 'jungen Wilden' aus der Java- und Cloud-Welt zusammen. Gemeinsam mit uns entsteht ein funktionierendes System auf Basis einer modernen IT-Infrastruktur." - Martin Reusch, Director Sales & Presales, Application Modernization and Connectivity DACH, Micro Focus
"Oftmals ist die Verbesserung der Prozesse ein entscheidender Faktor bei der Anwendungsmodernisierung. Der Einsatz von DevOps und agiler Methoden erlaubt schnellere Anpassungen an die sich ändernde Marktanforderungen."
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Hausaufgaben nicht gemacht
Drastischer beschreibt Heidi Schmidt, Managing Partner und CEO von PKS, einem Spezialisten für Software-Transformation in Ravensburg, die Lage: "Legacy-Modernisierung hat sich vom Kellerkind-Thema in den 2010er-Jahren zum Keynote-Topic im jetzigen Jahrzehnt entwickelt." Ein wesentlicher Grund dafür: "Die radikalen Vorgehensweisen zur Komplettablösung sind in vielen Fällen grandios gescheitert, und während des Versuchs der Ablösung wurden die Bestandssysteme sträflich vernachlässigt. Diese Zinsen und Zinseszinsen werden jetzt fällig."
Eine weitere Ursache für den IT-Modernisierungsdruck ist laut Schmidt der Mangel an IT-Spezialisten, die ältere Bestandssysteme betreuen. Dazu zählen Fachleute für Programmiersprachen wie Cobol und PL/1. Ein dritter Faktor seien die technischen Möglichkeiten durch Cloud, Elastic IT und SaaS, die vor allem jungen Firmen den Eintritt in die "Enterprise-Liga" ermöglichten. Dies sei eine ernsthafte Bedrohung für "bisherige Platzhirsche, wenn es diesen nicht gelingt, ihre monolithischen Systeme aufzubrechen und aus deren wahren Stärken Nutzen zu ziehen", so Heidi Schmidt.
Dass Unternehmen ihre Hausaufgaben vernachlässigt haben, bestätigt Joachim Gucker, CEO des Software-Engineering-Spezialisten ARS Computer und Consulting in München: "Unsere Kunden haben teilweise seit Jahren nicht mehr in ihre Mainframe-Teams investiert und stehen wegen deren Überalterung gewissermaßen mit dem Rücken zur Wand. Sie müssen jetzt oft schneller modernisieren, als es von den Kosten und Risiken her gesund wäre."
Welche Anwendungen modernisiert werden
Die Palette der Applikationen und Plattformen, die Firmen modernisieren, ist umfangreich und von Anwender zu Anwender verschieden: "Ein Beispiel ist die Migration von AS/400-RPG/5250-Anwendungen auf Cloud-native Java/Angular-Applikationen, ein weiteres die Umstellung der klassischen Rollenverteilung in der IT-Abteilung auf ein DevOps-Modell", erläutert Gucker.
Ein Ziel solcher Projekte ist, die Effizienz im Bereich Softwareentwicklung zu erhöhen und gleichzeitig selbst entwickelte Software zu einer Kernkompetenz ausbauen. Hier spiegelt sich der Einfluss der Digitalisierung wider. Die Differenzierung zu Angeboten von Mitbewerbern erfolgt in wachsendem Maß über Apps und Services. Das zeigt sich beispielsweise in bei Automobilfirmen, die sich zu "Mobilitätsdienstleistern" entwickeln, aber auch in Branchen wie dem Handel, dem Dienstleistungssektor und der Logistik.
Das Alter einer Anwendung ist aus Sicht von IBM dagegen kein Indikator für ihre Qualität und ihren Nutzen für das Unternehmen. "Ausschlaggebend ist der Grad an kontinuierlicher Weiterentwicklung und Modernisierung und ob die Software aktuelle und kommende Anforderungen der Anwender erfüllen kann", sagt Christian Daser.
Mainframe als Plattform nicht obsolet
Ein weiteres Ergebnis der Studie von IDG Research Services ist, dass in mehr als einem Viertel der Unternehmen in Deutschland noch Großrechner im Einsatz sind. Das gilt vor allem für den Finanzsektor, den Handel und das Versicherungswesen. Aber auch im Mittelstand (bis 999 Mitarbeiter) sind solche Systeme noch oft anzutreffen. Bei Modernisierungsvorhaben geht es nicht zwangsläufig darum, diese Systemplattform zu ersetzen, sondern die darauf laufenden Anwendungen zu erneuern: "In der Regel modernisieren unsere Kunden auf diesen Plattformen - nicht weg von ihnen", sagt Heidi Schmidt von PKS. Der Grund: "Plattformen wie IBM Z und IBM i sind modern, flexibel und cloudfähig. Sie zu ersetzen, würde bedeuten, das Problem an der falschen Stelle anzupacken."
Diese Auffassung teilt - natürlich - auch Christian Daser von IBM: "DerGroßrechner bietet vergleichbare Möglichkeiten wie andere Plattformen. So ist es heute beispielsweise möglich, DevOps Prozesse einzuführen, über Standardschnittstellen auf Daten und Services zuzugreifen, neue APIs zu erstellen und Cloud-native und Container-Infrastrukturen zu betreiben, etwa mithilfe von RedHat OpenShift auf IBM Z-Systemen."
Cloud gewinnt an Bedeutung
Dass IBM seine Mainframes als Plattformen für Cloud-Anwendungen positioniert, ist nachvollziehbar. Denn laut der Studie "IT-Modernisierung 2021" spielt die Cloud in vielen Unternehmen bei der Neugestaltung von IT-Umgebungen eine wichtige Rolle. Für 50 Prozent der befragten Firmen sind Cloud-Service-Provider die wichtigsten externen Partner im Rahmen eines Modernisierungsprojekts. "Unternehmen müssen heute in der Lage sein, schneller auf Veränderungen zu reagieren und dabei kontinuierlich die Innovationsbereitschaft im gesamten Unternehmen umzusetzen", sagt Dr. Jens Krüger, Chief Product Architect bei Workday, einem Anbieter von cloudbasierter Business-Software. "Wenn man die Beschränkungen von Legacy-Systemen überwinden möchte, etwa in Bezug auf die Wartungsfähigkeit, Sicherheitsrisiken, Compliance-Herausforderungen oder Maintenance-Kosten, führt kein Weg an der Cloud vorbei."
Allerdings reicht es nicht aus, sich allein auf die Implementierung von Hybrid- oder Public-Cloud-Services zu konzentrieren. Wer digitale Projekte vorantreiben möchte, müsse auch die Prozesslandschaft ändern, um einen höheren Grad an Agilität zu erreichen, so Krüger. Die IT-Modernisierung ist somit eine gute Gelegenheit, um Abläufe auf den Prüfstand zu stellen und zu optimieren. Das unterstreicht auch Martin Reusch, Director Sales & Presales, Application Modernization and Connectivity DACH bei Micro Focus: "Oftmals ist die Verbesserung der Prozesse ein entscheidender Faktor in der Anwendungsmodernisierung. Der Einsatz von DevOps und agilen Methoden, die zu einer höheren Qualität und einer schnelleren Bereitstellung von Software führen, erlaubt schnellere Anpassungen an sich ändernde Marktanforderungen."
Cloud-nativ noch selten anzutreffen
Bei den Unternehmen in Deutschland, die eine Cloud-Strategie verfolgen, sind derzeit drei Ansätze zu beobachten, so Tibor Kosche von T-Systems. "Ein Teil der Firmen spricht von einer Cloud-Strategie, setzt jedoch auf ein On-Premises-Modell." Nur wenige Anwender verfolgen eine Cloud-native Strategie. "Die größte Gruppe nutzt einen 'Lift-and-Shift'-Ansatz, um vor allem die IT-Kosten zu senken", so Kosche.
Zu den Branchen, in denen "Cloud-native" eine größere Rolle spielt, zählen Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen. "Für solche Unternehmen stellt die IT eine Kernkompetenz dar", erläutert Christian Daser von IBM. Einen anderen Weg wählen Daser zufolge Unternehmen, die IT eher als Mittel zum Zweck betrachten, beispielsweise der öffentliche Sektor oder manche Industriefirmen. "Sie erwarten sich von der Einführung von Cloud-Services vor allem Kostensenkungen."
Standardlösungen versus Individualsoftware
Umstritten ist, inwieweit bei einer IT-Modernisierung Standardanwendungen zum Zuge kommen sollten, etwa um Kosten zu sparen. "Eine Standardisierung der geschäftskritischen Bestandssysteme eines Unternehmens kann sicher Vorteile generieren", sagt Martin Reusch von Micro Focus. Letztendlich gelte es jedoch abzuwägen, wie groß der Vorteil einer Standardsoftware gegenüber dem Verlust an individueller Funktionalität sei, die vielfach das Geschäftsmodell bestens abbilde und Wettbewerbsvorteile generiere. Außerdem: "Mit einer aufwendigen Anpassung der Standardsoftware ist niemandem geholfen."
Für Tibor Kosche von T-Systems geht der Trend allerdings in Richtung Standardapplikationen. "Eigenentwicklungen in großem Stil finden nicht mehr statt." Allerdings plädiert auch er dafür, spezielle Anforderungen von Fachabteilungen zu berücksichtigen. Letztlich bedeutet das für Unternehmen, dass sie im Vorfeld klären sollten, wie viel "Individualisierung" nötig ist. Möglicherweise lässt sich ein Teil der speziellen Funktionen eliminieren, wenn Geschäftsprozesse angepasst oder automatisiert werden.
Umsetzung: Nicht auf "Wunderheiler" hereinfallen
Doch die Frage "Eigenentwicklung versus Standards" ist nur eine von mehreren Herausforderungen im Rahmen einer IT-Modernisierung. Zu den größten Problempunkten zählt laut Joachim Gucker von ARS, "die Auswirkungen auf das Alltagsgeschäft durch Modernisierungsprojekte zu akzeptieren und den Teams so den Rücken zu stärken, dass sie die Modernisierung auch durchziehen". Außerdem warnt er vor "Wunderheilern", die einfache Lösungen anbieten. Vielmehr betreffe eine IT-Modernisierung das gesamte Unternehmen, inklusive Abläufe, Unternehmenskultur und Organisationsstruktur. "Technik auszutauschen, ist einfach. Kultur und 'Mindsets' zu verändern, ist dagegen hart", so seine Einschätzung.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, alle Mitarbeiter einzubinden. "In unseren Projekten arbeiten die 'alten Hasen' aus der Legacy-Welt mit den 'jungen Wilden' aus der Java- und Cloud-Welt zusammen. Gemeinsam mit uns entsteht ein funktionierendes System auf Basis einer modernen IT-Infrastruktur", sagt Alexander Markert, Consultant und Evangelistbei FreeSoft, einem Unternehmen, das sich auf Migration von Legacy-Systeme spezialisiert hat. Auch Christian Daser rät dazu, IT-Fachleute und User in den Migrationsprozesse einzubinden, um Reibungsverluste oder gar ein Scheitern eines Modernisierungsvorhabens zu vermeiden.
Kein Stückwerk
Alexander Markert warnt zudem davor, ein Modernisierungsprojekt in zeitlich versetzte Prozesse aufzuteilen: "Nach unserer Erfahrung macht es keinen Sinn, nur die Hardware oder die Datenbank oder den Source Code zu modernisieren. Das Ganze muss Hand in Hand gehen und am Ende sollte immer ein funktionierendes Gesamtsystem mit lesbarem und wartbarem Code stehen."
Bei einer Migration in eine Cloud bietet sich dagegen aus Sicht von Workday ein "sanfter Übergang" an: "Die Cloud-Transformation aller Anwendungen kann in Schritten erfolgen, wobei die Zielarchitektur nicht aus den Augen gelassen werden sollte", so Dr. Jens Krüger. Wichtig sei, dass die Schritte immer den Mehrwert für das Unternehmen berücksichtigen. "Bei Human-Resources-Anwendungen ist es beispielsweise notwendig, die Kernprozesse mit den Stammdaten zuerst umzusetzen. Das ist am Anfang eine größere Transformation, legt aber den Grundstein, dass weitere Übergänge in die Cloud einfacher werden."
Es gibt keinen "Königsweg"
Weitgehend einig sind sich Fachleute darin, dass es vom Einzelfall abhängt, wo ein IT-Modernisierungsprojekt ansetzt und wie es in der Praxis umgesetzt wird. "Jedes Projekt ist einzigartig, jedes hat einen anderen Schwerpunkt. Teils steht die Anwendungsmodernisierung selbst im Vordergrund, teils die Verbesserung und Optimierung der Prozesse oder die Modernisierung der Infrastruktur", sagt Martin Reusch von Micro Focus.
Das heißt, es gibt keinen "Königsweg", den alle Anwender gleichermaßen beschreiten können. Vielmehr gilt es im Vorfeld abzuwägen, welche Ziele ein Unternehmen in erster Linie mit einer IT-Modernisierung erreichen möchte und ob es in der Lage ist, ein solches Projekt im Alleingang durchzuführen. Letzteres dürfte in vielen Fällen kaum machbar sein, auch angesichts des Mangels an IT-Fachkräften. Daher ist es eine Überlegung wert, bei einem solchen Umbau auf die Unterstützung von IT-Dienstleistern zurückzugreifen. Das kostet zwar Geld, verhindert aber, dass Unternehmen bei der Modernisierung ihrer IT-Umgebung in einer technologischen Sackgasse oder einem Vendor Lock-in landen.
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Studiensteckbrief
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Platin-Partner: IBM; T-Systems
Gold-Partner: ARS; PKS; Workday
Silber-Partner: FreeSoft; Micro Focus
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media sowie zur Erfüllung von Quotenvorgaben über externe Online-Access-Panels; persönliche E-Mail-Einladungen zur
Umfrage Gesamtstichprobe: 533 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Fragebogensplit:
Teilstichprobe A: n = 275
Teilstichprobe B: n = 269
Untersuchungszeitraum: 30. November bis 8. Dezember 2020
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung: IDG Research Services