Viele Anwenderunternehmen haben den Wechsel auf SAPs neue ERP-Generation S/4HANA auf dem Schirm, so zeigt eine gemeinsame Umfrage der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) und der Americas SAP Users' Group (ASUG). Demzufolge sind 70 Prozent der DSAG- und 55 Prozent der ASUG-Mitglieder dabei, S/4HANA zu implementieren beziehungsweise planen ein solches Projekt.
Die Anwendervertreter interpretieren diese Zahlen so, dass S/4HANA diesseits wie jenseits des großen Teichs an Fahrt aufnimmt. "Insgesamt zeigt sich deutlich, dass S/4HANA-Projekte sowohl in der DSAG als auch in der ASUG immer stärker umgesetzt oder eingeplant werden", heißt es in einer Mitteilung der DSAG. An der Umfrage haben sich in Nordamerika 483 Unternehmen beteiligt, im DACH-Raum 217 Betriebe.
Echte S/4HANA-Begeisterung Fehlanzeige
Die Ergebnisse zeigen allerdings auch, dass die neue ERP-Produktgeneration aus dem Hause SAP, die vor nunmehr über fünf Jahren an den Start gegangen war, nur langsam ins Rollen kommt. Umgestiegen und live sind hierzulande erst zwölf Prozent der SAP-Anwender, jenseits des großen Teichs sind es 16 Prozent. Die nach wie vor am weitesten verbreitete Lösung bei den Mitgliedern beider SAP-Anwendergruppen ist SAP ECC mit 84 Prozent bei der DSAG und 78 Prozent bei der ASUG. Als Gründe, warum noch kein S/4HANA-Projekt umgesetzt wurde, nennen US-Anwender die Kosten, einen fehlenden Business-Case sowie laufende SAP-ECC-Projekte. Die DSAG-Mitglieder, die nicht auf S/4HANA wechseln wollen, sehen schlicht keine Notwendigkeit für den Umstieg, sind unsicher bezüglich der Funktionen und - an dritter Stelle - können keinen Business Case erkennen.
Die Anwender wissen SAPs neue Software zwar zu schätzen, doch echte Begeisterung kommt nicht auf. Nur elf Prozent der DSAG-Mitglieder (ASUG: 17 Prozent) schätzen S/4HANA als sehr positiv ein, 40 Prozent der DSAG-Mitglieder (ASUG: 41 Prozent) als eher positiv. Seinen Ruf kann SAP mit der neuen Software auch nur bedingt aufpolieren. Bei 13 Prozent der US-amerikanischen ASUG-Mitglieder hat sich die Wahrnehmung von SAP durch S/4HANA stark verbessert, bei den DSAG-Mitgliedern sind es 14 Prozent. Von kleineren Verbesserungen sprechen 33 Prozent der ASUG-Mitglieder, aber nur etwa ein Viertel der DSAG-Mitglieder.
US-SAP-Anwendern geht es nicht um die Prozesse
Die Umfragen zeigen, dass es zum Teil deutliche Unterschiede zwischen deutschen und amerikanischen Anwendern in der Herangehensweise an die neuen SAP-Produkte gibt. Das betrifft beispielsweise die Auswirkungen von S/4HANA auf die Geschäftsprozesse. Für rund drei Viertel der hiesigen Kunden wirkt sich die neue ERP-Plattform auf die bestehenden Abläufe aus. In den USA sind es lediglich 13 Prozent, die das so sehen. DSAG-Vorstand Marco Lenck sieht diese Diskrepanz in einer unterschiedlichen Unternehmenskultur begründet, denn "die Geschäftsprozesse der Mitglieder aus beiden Anwendergruppen dürften sich nicht grundlegend unterscheiden." Ann Marie Gray, Vice President of Content Strategy and Research bei der ASUG ergänzt: "Es scheint für die ASUG-Mitglieder eine geringere Priorität zu haben, ihre Prozesse im Rahmen ihrer Migrationen neu zu gestalten."
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Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn es um die Chance geht, unnötigen Code zu entfernen. Darin sehen nur 19 Prozent der ASUG-Mitglieder einen Nutzen, aber 41 Prozent der DSAG-Mitglieder. "Eventuell stand bei den ASUG-Mitgliedern eher die rein technische Umstellung auf S/4HANA im Fokus", so Lenck. Bei den DSAG-Mitgliedern hingegen werde eine Migration häufig dazu genutzt, das System auch gleich zu säubern. Insgesamt scheinen die Aufräumaktionen gut zu funktionieren. Die Hälfte der DSAG-Mitglieder (ASUG: 61 Prozent) hatte Probleme bei der Bereinigung des Customizing erwartet, aber nur bei rund einem Viertel (ASUG: 24 Prozent) bestätigte sich dies.
S/4HANA-Umstieg komplexer als gedacht
Insgesamt erweist sich der Umstieg auf S/4HANA aus Anwendersicht aber als eher kompliziert. Knapp die Hälfte der ASUG- und DSAG-Mitglieder, die S/4HANA eingeführt haben, fanden den Umstieg schwieriger als erwartet. 37 Prozent der deutschen SAP-Anwender (ASUG: 18 Prozent) bemängelten im Nachgang zudem fehlende Funktionalitäten. Nachbessern muss SAP auch bei der Anbindung von S/4HANA an andere Systeme. Die Integrationsfähigkeit mit Third-Party-Applikationen benoten nur drei Prozent der DSAG-Mitglieder (ASUG: sieben Prozent) mit "sehr gut", das Zusammenspiel mit anderen SAP-Lösungen finden sechs Prozent gelungen (ASUG: 27 Prozent). "Die DSAG hat bereits mehrfach betont, dass eine Integration zwischen SAP-Lösungen von den Anwenderfirmen vorausgesetzt wird", erinnerte Lenck den Softwarekonzern an seine Zusagen. "SAP arbeitet daran und wird diese im Sinne der Anwender umsetzen."
So steigen Anwender auf S/4HANA um:
Deutliche Unterschiede zwischen den deutschen und amerikanischen SAP-Anwendern lassen sich in Sachen Cloud-Einsatz beobachten. Das betrifft in erster Linie die Nutzung von Cloud-Satelliten wie Concur, SuccessFactors und Ariba, die SAP im Laufe der vergangenen Jahre zugekauft hat. Während die ASUG-Mitglieder bereits zu 58 Prozent auf Concur setzen, sind von den DSAG-Mitgliedern nur 17 Prozent dazu bereit. Bei SuccessFactors sind es 46 Prozent der ASUG und 23 Prozent der DSAG. Und Ariba nutzen 32 Prozent der ASUG-Mitglieder aber nur elf Prozent der DSAG-Mitglieder. DSAG-Mann Lenck überrascht dieses Ergebnis nicht, da die genannten Lösungen alle in den USA entwickelt wurden.
Weitgehend einheitlich hingegen ist das Interesse an der SAP Analytics Cloud mit 36 Prozent Nutzern unter den DSAG- und 34 Prozent unter den ASUG-Mitgliedern. Das Integrated Business Planning wird der Umfrage zufolge bereits von 13 Prozent der deutschen SAP-Anwender eingesetzt (ASUG: 20 Prozent). Ein weiteres Drittel plant hierzulande einen entsprechenden Einsatz. "Diese Produkte unterstützen die Digitalisierungsbemühungen sowie den Bedarf an Vorhersagen", sagt DSAG-Chef Lenck. "Gerade letzteres wird immer wichtiger, weil die Unternehmen durch Corona erkannt haben, dass sie flexibler und vorausschauender planen müssen."