"Die Mehrheit der DSAG-Mitglieder setzt auch in Zukunft auf S/4HANA on-Premises", lautet das Fazit einer Umfrage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). Der Verein hat gemeinsam mit der Americas SAP Users‘ Group (ASUG) gut 340 Unternehmen zum Stand ihrer S/4HANA-Migrationen befragt. Rund 270 Interviewpartner kamen aus den USA, gut 170 aus Deutschland. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass gerade hierzulande viele Betriebe kein Interesse haben, ihre SAP-Systeme in die Cloud zu verlagern.
Immerhin wächst der Anteil derer, die auf S/4HANA setzen. Ein knappes Viertel der deutschen SAP-Anwender erklärte, die neueste Softwaregeneration aus dem Hause SAP bereits einzusetzen. Jeder fünfte Betrieb steckt eigenen Angaben zufolge aktuell in der Migration. Das Gros der von der DSAG befragten deutschen SAP-Kunden hat allerdings noch einen weiten S/4HANA-Weg vor sich. 37 Prozent planen derzeit ein entsprechendes Projekt, haben aber noch nicht angefangen.
Bei den Zielarchitekturen gibt es deutliche Unterschiede zwischen den deutschen und den amerikanischen SAP-Kunden. Während hierzulande 57 Prozent der Befragten ihr S/4HANA-System klassisch im eigenen Rechenzentrum betreiben wollen, hegen jenseits des großen Teichs nur 27 Prozent diesen Plan. Generell haben die US-Anwender eine positivere Einstellung zur Cloud als ihre deutschen Pendants. Drüben bezeichnen knapp drei Viertel der Befragten ihre Haltung gegenüber der Cloud als positiv oder sehr positiv. In Deutschland sind es nicht einmal die Hälfte (46 Prozent).
S/4HANA ja, aber nicht in der Cloud
Wenn SAP-Anwender S/4HANA in der Cloud betreiben wollen, dann präferieren sie die Private-Cloud-Variante oder die Managed Cloud eines Dienstleisters. S/4HANA in der Public Cloud spielt indes eine untergeordnete Rolle. Auffällig ist, dass die deutschen SAP-Anwender die Cloud-Lösungen ihres Haus- und Hoflieferanten aus Walldorf im Vergleich zu den Cloud-Angeboten anderer Anbieter nicht besonders attraktiv finden. Ein Fünftel der DSAG-Mitglieder gab an, die Cloud-Produkte von SAP negativ oder sehr negativ zu sehen. Zufrieden äußerten sich nur 30 Prozent. Befragt nach den Cloud-Lösungen anderer Softwareanbieter, erklärten 60 Prozent der DSAG-Mitglieder, damit zufrieden oder gar sehr zufrieden zu sein. Nur sieben Prozent der Befragten sind damit unglücklich.
"Dass nur rund ein Drittel der DSAG-Mitglieder mit Cloud-Lösungen im SAP-Bereich zufrieden ist, aber 60 Prozent mit Cloud-Lösungen im Non-SAP-Bereich, hat uns überrascht", sagt Jens Hungershausen, Vorstandsvorsitzender der DSAG. "Es zeigt, dass SAP offensichtlich wichtige Themen wie Integration, Lizenzen und Sicherheit noch nicht zufriedenstellend gelöst hat. Da sind die Anbieter im Non-SAP-Bereich wohl deutlich weiter."
Lizenzprobleme und Kostenthemen nerven
Befragt nach den generellen Herausforderungen bei der Nutzung von Cloud-Diensten – egal von welchem Anbieter –, sehen beide Anwendergruppen (DSAG: 72 Prozent, ASUG: 41 Prozent) Lizenzmodelle und -kosten als das Kernproblem. Es folgen Datenschutz und Informationssicherheit sowie Integrationsprobleme.
"Das Ergebnis zeigt, wie wichtig beim Thema Lizenzen der einfache Zugang zu Cloud-Diensten und deren Preis- und Leistungsbeschreibungen ist", lautet das Resümee von Thomas Henzler, DSAG-Fachvorstand Lizenzen und Wartung, "Diese Bedeutung wird aufgrund der unterschiedlichen Metriken in den Produkten und der Abhängigkeiten von Cloud-Services untereinander zunehmen."
SAP selbst verweist derweil auf eigene Cloud-Erfolge. „Unser Cloud-Portfolio stößt auf große Resonanz“, sagte SAP-CEO Christian Klein anlässlich der Vorstellung der Zahlen zum zweiten Quartal 2021. Kunden entschieden sich für die SAP, um ihr Unternehmen neu auszurichten. „Unsere Strategie funktioniert“, so Klein weiter. „Dies ist das dritte Quartal in Folge, in dem wir mit ausgezeichneten Ergebnissen überzeugen.“ SAP hat eigenen Angaben zufolge zwischen April und Juni dieses Jahres mehr als 600 S/4HANA-Kunden hinzugewinnen können. Die Gesamtzahl der S/4HANA-Kunden sei gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent auf mehr als 17.000 gestiegen. Davon hätten über 10.100 den Produktivbetrieb aufgenommen.
Als wichtigen Erfolgsfaktor sehen die SAP-Verantwortlichen ihr Anfang des Jahres gestartetes Programm "RISE with SAP", mit dem Kunden der Umstieg auf S/4HANA in der Public Cloud erleichtert werden soll. RISE with SAP erfreue sich einer großen Nachfrage und habe nach einem erfolgreichen Start im ersten Quartal eine große Resonanz gefunden, hieß es. Über 250 Kunden, darunter AMD, Coop Schweiz, Etihad Airways und Siemens Energy hätten sich für das Programm entschieden.
DSAG-Kunden sehen RISE with SAP skeptisch
Das sehen die deutschen SAP-Kunden allerdings nüchterner. 39 Prozent der von der DSAG befragten Unternehmen sind der Meinung, RISE with SAP sei nicht sehr beziehungsweise gar nicht werthaltig. Gerade einmal jedes zehnte DSAG-Mitglied zieht in Betracht, das SAP-Programm in Anspruch zu nehmen. Es fehlt offenbar der Glaube, dass der Konzern die mit Rise with SAP gemachten Versprechen umsetzen kann. Ein gutes Drittel der deutschen Kunden gab an, eher weniger oder gar kein Vertrauen in dieser Hinsicht zu haben.
"SAP muss den Mehrwert und das damit verbundene Transformationspotenzial von RISE with SAP noch viel deutlicher vermitteln", sagte DSAG-Fachvorständin Transformation Christine Tussing. "Denn nur wer diesen Wertbeitrag als Bestandteil seiner Unternehmenstransformation erkennt, wird den Weg auch mit RISE with SAP gestalten". Hier bedarf es noch einiger Aufklärungsarbeit, lautet das Fazit der DSAG.
Wie schwierig die Umstellung des SAP-Geschäfts in Richtung Cloud ist, hat die jüngste Bilanz gezeigt. Der Umsatz des deutschen Softwarekonzerns ging gegenüber dem Vorjahresquartal leicht um ein Prozent auf 6,67 Milliarden Euro zurück. Das lag vor allem an den Rückgängen im klassischen Geschäft. Der Posten Softwarelizenz- und Supporterlöse, die nach wie vor über die Hälfte der SAP-Einnahmen ausmachen, schrumpfte um fünf Prozent auf 3,74 Milliarden Euro. Neben einem Einbruch bei den Lizenzeinnahmen um 16 Prozent auf 650 Millionen Euro sanken diesmal auch die Support-Erlöse leicht um zwei Prozent auf 2,82 Milliarden Euro.
Diese Rückgänge lassen sich mit dem Cloud-Geschäft nur schwer kompensieren. Das wuchs insgesamt um elf Prozent auf knapp 2,28 Milliarden Euro. Seit Anfang dieses Jahres weist SAP dediziert auch seine S/4HANA-Cloud-Einnahmen aus. Diese beliefen sich von April bis Juni 2021 auf 257 Millionen Euro – immerhin ein Plus von 33 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal 2020. Allerdings macht SAPs Cloud-Hoffnungsträger damit bis dato gerade einmal gut elf Prozent der gesamten Cloud-Erlöse aus. Wie viel SAP mit klassischen S/4HANA-Lizenzen erlöst, verrät der Konzern indes nicht. Einen Lichtblick gab es wenigstens unter dem Strich. Der Gewinn nach Steuern stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 64 Prozent von 885 Millionen auf 1,45 Milliarden Euro.