Die Aufregung ist groß: Noch im Juni will Microsoft angeblich eine neue Windows-Generation ankündigen. Den Stein ins Rollen brachte Microsoft-CEO Satya Nadella selbst vor wenigen Wochen und befeuerte damit eine regelrechte Flut an Spekulationen rund um das kommende Microsoft-OS.
Was war passiert?
"Wir werden bald eines der bedeutendsten Updates für Windows des letzten Jahrzehnts vorstellen", sagte Nadella anlässlich der Entwicklerkonferenz Build. "Ich selbst habe es in den letzten Monaten schon ausprobiert und bin unglaublich aufgeregt, was die nächste Generation von Windows betrifft."
Der Microsoft-CEO versprach neue Möglichkeiten für Windows-Entwickler und Kreative. Sie würden eine innovative und offene Plattform erhalten, um Anwendungen zu entwickeln, zu vertreiben und zu monetarisieren. "Wir freuen uns darauf, sehr bald mehr zu verraten."
Das Finale - der 24. Juni 2021
Das war der Startschuss für heiße Diskussionen und wilde Spekulationen darüber, was Nadella damit gemeint haben könnte. Am 24. Juni will Microsoft den Schleier lüften und verraten, was es mit dem kommenden Windows - in der Branche hat man sich auf die Release-Bezeichnung Windows 11 geeinigt - auf sich hat.
Das Ganze wirkt jedenfalls wie eine gut vorbereitete Inszenierung: Die Andeutungen Nadellas, die Ankündigung des Grande Finale, auf das die weltweite IT-Gemeinde hin fiebern soll und - um die Spannung nochmal zu erhöhen - eine geleakte Entwicklerversion von Windows 11, die von Experten derzeit bis ins letzte Bit zerlegt und analysiert wird.
Zu ruhig rund um Windows 10?
Um Windows 10 war es in den zurückliegenden Jahren still geworden. Das Betriebssystem, das Microsoft 2014 vorgestellt und Ende Juli 2015 veröffentlicht hatte, wird nach Angaben des weltgrößten Softwarekonzerns von rund 1,3 Milliarden Anwendern weltweit genutzt. "Windows ist eine Selbstverständlichkeit", sagte Nadella kürzlich auf der Build-Konferenz.
Microsoft hatte mit Windows 10 einen neuen Weg eingeschlagen. Das OS werde das letzte Windows-Release nach dem klassischen Versionierungs-Modell sein, hatte es zur Veröffentlichung geheißen. Künftig werde es keine großen Upgrades mehr geben, die gerade in Anwenderunternehmen wegen des Aufwands und der Kosten gefürchtet waren. Stattdessen sollten Updates und neue Funktionen kontinuierlich in kleineren halbjährlich getakteten Releases ausgespielt werden.
Das funktioniert allem Anschein nach auch gut, zumal Microsoft seinen Kunden im Zweifel Aufschub gewährt und diese nicht zwingt, immer sofort das neueste Update zu installieren. Viele Unternehmen brauchen Zeit, um zu untersuchen, ob die Veränderungen des Betriebssystems Folgen für den Betrieb der darauf laufenden Applikationen haben. Gerade wenn viele miteinander verzahnte oder auch individuell entwickelte Anwendungen im Einsatz sind, ist es nach wie vor erforderlich, Updates vor dem Einspielen und der Produktivsetzung genau zu prüfen.
Dieses Prozedere hat sich in den zurückliegenden Jahren offensichtlich gut eingespielt. Es dauerte zwar seine Zeit, bis Windows 10 den beliebten Vorgänger Windows 7 in der Fläche ablösen konnte. Das Zwischen-Release Windows 8 konnte nie wirklich Fuß fassen. Doch wie Windows 7 läuft auch Windows 10 technisch stabil und konnte sich über die Jahre hinweg eine treue Fangemeinde unter den IT-Anwendern aufbauen.
Spekulationsobjekt Windows
Dennoch hatte es in den zurückliegenden Jahren immer wieder Spekulationen darüber gegeben, dass Microsoft an einer neuen Windows-Plattform arbeite. Modulationen des bekannten Windows-10-Themas wie beispielsweise Windows 10 Entry oder Windows 10S, das Microsoft bei mobilen Endgeräten ins Spiel bringen sollte, verklangen indes wieder schnell.
2018 sickerte durch, dass Microsoft unter dem Codenamen "Polaris" angeblich an einer völlig neuen OS-Generation arbeitet. Kern des neuen Windows sollte demzufolge die Universal Windows Platform (UWP) sein - eine schlanke Laufzeitumgebung für Anwendungen. Sie ermögliche die Entwicklung von Apps, die auf verschiedenen Formfaktoren laufen und sich automatisch an die jeweilige Bildschirmgröße anpassen sollen, hatte es damals geheißen. Dafür sollten elementare Systemkomponenten der klassischen x86-Architektur auf 32-Bit-Basis wegfallen, die aus Kompatibilitätsgründen seit der DOS-Steinzeit von Windows-Generation zu Windows-Generation mitgeschleppt wurden. In den folgenden Jahren war von Polaris jedoch nichts mehr zu hören.
- 30 Jahre Windows - Windows 1.0
Windows 1.0 wird unter dem Codenamen "Interface Manager" entwickelt und am 20. November 1985 veröffentlich. Das erste grafische Betriebssystem für den PC kostete damals 99 US-Dollar, war aber nur mäßig erfolgreich, weil es an Anwendungen fehlte. - Windows 2.11
Auch in der folgdenen Windows-Version erinnert die grafische Benutzeroberfläche noch stark an textorientierte Benutzerschnittstellen. Das 1989 erschienene Windows 2.11 enthält bereits Microsoft Word. - Windows 95
Das unter dem Arbeitstitel "Chicago" entwickelte Windows 95 erscheint im August 1995. Dem Release geht eine ausführliche Testphase voraus, Teilnehmer müssen dabei eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben. - Windows NT 3.51 Server
Die Weiterentwicklung von Windows NT 3.5 erscheint im Mai des Jahres 1995 und unterstützt neuere 32-Bit-Anwendungen. Je nach Installationsvariante ist es auf Diskette(n) oder CD-ROM erhältlich. - Windows NT 4.0
Der Nachfolger von NT 3.51 erscheint im Juli 1996 und ist der letzte Vertreter der Windows NT-Reihe. Das Betriebssystem verfügt über die grafische Benutzeroberfläche von Windows 95 und kommt mit Assistenten für die Konfiguration daher. - Windows 98
Das unter dem Codenamen "Memphis" entwickelte Windows 98 erscheint am 25. Juni 1998. Das Betriebssystem bietet kaum sichtbare Neuerungen gegenüber Windows 95, bietet allerdings USB-Unterstützung und eine anpassbare Benutzeroberfläche. - Windows 2000
Windows 2000 wird auf Basis des eingestellten Windows NT 4.0 entwickelt und ist der Vorgänger von Windows XP. Das Betriebssystem erscheint in einer 32-Bit- und 64-Bit-Version. Die Arbeiten an der 64-Bit-Variante werden aber bald eingestellt. - Windows ME
Das letzte Betriebssystem auf MS-DOS-Basis: Windows ME (Millennium) erscheint (verspätet) am 14. September 2000. Probleme mit Internet Explorer und Windows Player verzögern den Release mehrfach. - Windows XP
Im Oktober des Jahres 2001 erscheint Windows XP (Codename "Whistler"), der technische Nachfolger von Windows 2000. Das Betriebssystem richtet sich in erster Linie an Heimanwender und kommt mit einer frischen Benutzeroberfläche daher. - Windows 7
Das in vielen Bereichen überarbeitete Windows 7 kommt am 22. Oktober 2009 auf den Markt. Eine weitgehend neue Benutzeroberfläche, bessere Systemsicherheit und der Einsatz von Bibliotheken im Windows-Explorer sind neu. - Windows 8
Als Nachfolger von Windows 7 kommt Windows 8 am 26. Oktober 2012 in den Handel. Erstmalig sind dabei zwei Benutzeroberflächen enthalten: das Windows 8 Modern UI und die klassische Desktop-Ansicht. - Windows Server 2012
Die Server-Version des zuvor veröffentlichten Windows 8 kommt im September 2012 auf den Markt. Mit der Modern-UI-Oberfläche, einem komplett überarbeiteten Taskmanager und den Active Directory Domain Services hebt sich das Programm von den Vorgängern ab. - Windows RT
Windows RT ist Microsofts Betriebssystem für Geräte mit Chips der ARM-Architektur wie Smartphones oder Tablets. Das Betriebssystem weist viele Parallelen zu Windows 8 auf. Aufgrund schwacher Absatzzahlen wird die Produktion von Windows-RT-Devices Anfang 2015 eingestellt. - Windows 8.1
Unter dem Codenamen "Windows Blue" entwickelt, soll das Update die Unzufriedenheit vieler Benutzer mit Windows 8 aus der Welt räumen. Deshalb kehrt auch der Start-Button zurück. Die Verknüpfung zu Microsofts Cloud-Dienst OneDrive wird jetzt standardmäßig angezeigt. - Windows 10
Mit Windows 10 bringt Microsoft laut CEO Satya Nadella 2015 nicht nur die nächste Version seines Betriebssystems auf den Markt, sondern eine völlig neue Windows-Generation. Der Shift auf Windows 10 markiert auch den Umstieg auf Windows as a Service: Künftig sollen keine neuen Windows-Versionen nach bisherigem Muster mehr folgen - stattdessen werden inkrementelle Verbesserungen in Form größerer und kleinerer Updates veröffentlicht. Win 10 bringt im Vergleich zu seinen Vorgängern zahlreiche Neuheiten mit, etwa den IE-Nachfolger Edge, virtuelle Desktops oder die digitale Assistentin Cortana. Parallel zu Windows 10 stellte Microsoft auch den Nachfolger zu Windows Server 2012 - Windows Server 2016 - vor. - Windows 11
Microsoft stellte mit Windows 11 offiziell eine neue Generation seines Betriebssystems vor und erklärte, damit eine neue Ära einläuten zu wollen. Die Idee, ein neues Windows zu bauen, entstand wohl in der Corona-Pandemie. Man habe Windows 11 darauf ausgelegt, auf verschiedenen Gerätetypen zu laufen und unterschiedliche Bedienmodi zu unterstützen, hieß es von Seiten Microsofts. Der Konzern hat bei Windows 11 vor allem Design und Bedienerführung vereinfacht. Darüber hinaus soll Windows 11 enger mit dem Collaboration-Tool Teams verknüpft werden. Wieder zurück in Windows 11 sind die aus der Version 7 bekannten Widgets. Der Redmonder Konzern bewirbt sein neues Betriebssystem darüber hinaus als besonders sicher. Die Architektur sei als Zero Trust angelegt, zudem sei das System Secure by Design. Wichtige Sicherheits-Features wie zum Beispiel Verschlüsselung seien von Haus aus aktiviert.
Warum also die ganze Aufregung?
Zuletzt war bei Microsoft eher der Anschein erweckt worden, dass es ewig zu weitergehen könne mit Windows 10. Das System läuft stabil, die Updates fließen in schöner Regelmäßigkeit so dahin und Microsofts -Verantwortliche hatten ja auch gesagt, Windows 10 werde das letzte Windows sein. Kein Grund also, sich weiter mit dem OS zu beschäftigen.
Tatsächlich hatte Microsoft in seiner Roadmap aber schon von Anfang an festgelegt, dass der Support für Windows 10 am 14. Oktober 2025 auslaufen soll. Im Grunde ist es also dringend an der Zeit, dass der Softwarekonzern die Karten offenlegt, wie es mit Windows weitergehen soll. Gerade für Unternehmensanwender sind damit weiterhin viele Fragen verbunden.
Zum Beispiel die, wie der Umstieg auf das kommende Windows aussehen könnte: Wird es eher eine Art Update, wie es die Anwender zuletzt gewohnt waren, oder doch wieder eine größere Migration wie in alten Zeiten, die den Unternehmen einiges abverlangen würde? Die dürften sich zudem fragen, was das neue Windows kosten soll. Bei Windows 10 hatte sich Microsoft großzügig gezeigt und sein neues OS für Nutzer der Vorgängerversionen Windows 7 und 8 - ausgenommen Volumenlizenzen - kostenlos zur Verfügung gestellt. Wie das Lizenz- und Preismodell von Windows 11 aussehen wird, ist offen und wird vielleicht am 24. Juni geklärt.
Alles nur Marketing-Getöse?
Auf das Geld aus Windows-Verkäufen ist Microsoft jedenfalls nicht angewiesen - anders als in früheren Windows-Epochen. Heute verdient der Konzern sein Geld vor allem mit der Azure Cloud. Das bestimmt auch grundsätzlich die strategische Ausrichtung des Softwareherstellers. Es geht um die Plattform und das Ökosystem rund herum. Das hat Microsoft von Anbietern wie beispielsweise Apple gelernt.
Viel von der Aufregung der zurückliegenden Tage dürfte daher dem Marketing geschuldet sein. Das Balihoo hat zumindest eines erreicht: Das Thema Windows steht mal wieder in den Schlagzeilen und Microsofts Botschaft ist klar. Windows soll als Plattform gerade für Entwickler interessant bleiben. Weitere Details werden folgen - spätestens am 24. Juni.