Strategie und Methodik für Big Data gesucht

Vertrieb und Marketing fehlen Ideen für Analytics

20.12.2016
Von 


Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.

PayPal - Kunden besser verstehen und binden - Service optimieren durch Text Analytics

PayPal hat über 143 Millionen aktive Kunden und wickelt täglich über 8 Millionen Zahlungen ab. Zahlreiche Kunden äußern sich über Kundenumfragen, E-Mail, Feedback-Formulare im Web oder Twitter zu den Dienstleistungen von PayPal, unter anderem darüber, welche technischen Probleme sie haben, was sie mögen, was sie stört und wie man den Service verbessern könnte. Wegen der enorm großen Menge an Feedback wäre es sehr zeit- und kostenaufwändig, alles textuelle Feedback einzeln zu lesen und zu berücksichtigen. Die automatisierte Analyse des Kundenfeedbacks aus über 60 Ländern und in über 30 Sprachen ermöglicht es PayPal nun, wichtige Probleme und Themen sowie ihre Häufigkeit und Kritikalität automatisch und fast in Echtzeit zu erkennen, zu priorisieren und zu beheben.

ProSiebenSat.1 - Fakten mit Big Data: Was bringen TV-Spots für E-Commerce?

Die ProSiebenSat.1 Media AG vermarktet einerseits klassische TV-Werbezeiten und beteiligt sich andererseits an zahlreichen E-Commerce-Unternehmen. Im Rahmen der Beteiligung stellt ProSieben-Sat.1 u. a. Werbezeiten für die Bewerbung der E-Commerce-Angebote zur Verfügung. Es ist daher von hohem Interesse für ProSiebenSat.1, systematisch ermitteln zu können, welchen konkreten Beitrag die TV-Werbung zur Wertschöpfung des beworbenen E-Commerce-Unternehmens leistet. Wie viele Visitors besuchen genau deshalb die E-Commerce-Website, weil sie die TV-Werbung gesehen haben? Und welchen Umsatz bringen diese Visitors, die nachweislich ursächlich wegen der TV-Werbung auf die Website gekommen sind, in einem bestimmten Zeitraum? Durch den Big Data-Ansatz konnte ein Verfahren entwickelt werden, um den TV-Einfluss auf den Website-Traffic zu messen.

Supermarktkette Target - Kaufverhalten von Schwangeren analysiert

Eine Schwangerschaft ist heutzutage eine digitale Angelegenheit. Das wurde vor zwei Jahren deutlich, als eine US-Supermarktkette per Datenanalyse die Schwangerschaft einer Minderjährigen aus Minnesota erkannte, noch bevor es ihr eigener Vater tat. Die Datenanalysten der Target-Märkte haben damals den Schwangerschafts-Vorhersage-Wert erfunden. Das war möglich, weil jeder Target-Kunde eine Identifikationsnummer verpasst bekommt, die mit seinen Kreditkartendaten, seinem Namen oder seiner E-Mail-Adresse verknüpft ist. So kann Target nachverfolgen, was seine Kunden kaufen und das mit Daten aus anderen Quellen ergänzen. Die Analyse ergab unter anderem, dass Schwangere ab einem bestimmten Zeitpunkt vermehrt unparfümierte Lotionen kaufen. Target kann aus dem veränderten Konsumverhalten sogar schließen, wann ungefähr die Geburt ansteht - und diese Informationen für zielgerichtete Werbung nutzen. Werdende Eltern brauchen viele Dinge, die sie vorher nicht brauchten und sind dementsprechend wertvolle Kunden.

Deutscher Autohersteller - Indoor Analytics in Einzelhandels- und Showroom-Umgebungen

Mit Zustimmung der Kunden können über die Positionsbestimmungen der mobilen Endgeräte anonyme, automatisierte, regelmäßige Analysen über die Besuchshäufigkeit, die Verweildauer und die Laufwege erstellt werden. Laufwege und Aufenthaltsdauer von Besuchern werden in Echtzeit erfasst und anonymisiert. Die gewonnenen Daten werden in aggregierter Form über verschiedene Zeitintervalle verglichen. Die Lösung nutzt dazu unter anderem die WLAN-Signale, die die Smartphones der Kunden in regelmäßigen Abständen aussenden. Die so gewonnenen Daten werden vom System aufbereitet, analysiert, in einem Dashboard beispielsweise durch Heatmaps visualisiert oder als Report ausgeliefert. Zudem können auch Daten aus unterschiedlichen Filialen verglichen werden.

Diese und viele andere Beispiele zeigen, dass es heute keine Frage mehr ist, ob Big Data einen Mehrwert bringen kann, sondern wie und wo man beginnt. Neben Orientierungsworkshops, in denen Anforderungen und Use Cases identifiziert und priorisiert werden, müssen wie in jedem strategischen Vorhaben Fachbereiche, IT und Management organisatorisch zusammenfinden. Technisch wird letztlich eine Diskussion über eine Big Data unterstützende Datenarchitektur sowie die Nutzung solcher Daten und Analysen im Rahmen einer vorhandenen BI- oder neu zu definierenden Big-Data-Strategie unumgänglich sein. Für den Anfang ist es meist effizient und günstiger, wenn man erste Teststellungen über Cloud Services wie beispielsweise "Microsoft Azure" aufsetzt, statt intern eine separate IT-Umgebung aufzubauen. Bleibt noch das bislang vielerorts ungelöste Problem der Ressourcen. Ein "Data Scientist" wird sich nur selten finden - und dann noch bezahlen lassen. Der richtige Mix aus internen Experten aus IT und Fachbereich, ergänzt durch externe Hilfe, scheint hier erfolgversprechender. Wie hoch die organisatorischen und technischen Hürden letztlich wirklich sind, können Unternehmen nur für sich klären, wenn sie Big-Data-Vorhaben wie skizziert strukturiert und taktisch klug angehen.