Vorwurf Machtmissbrauch

USA gegen Google – der Prozess beginnt

11.09.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Das US-amerikanische Justizministerium will Google nachweisen, mit seiner Suchmaschine Wettbewerbsrecht zu verletzen. Eine ungewöhnliche Schlacht beginnt.
Für Google wird es ernst: Hat das Unternehmen seine marktführende Stellung im Bereich Internet-Suche missbraucht? Der Antitrust-Prozess beginnt.
Für Google wird es ernst: Hat das Unternehmen seine marktführende Stellung im Bereich Internet-Suche missbraucht? Der Antitrust-Prozess beginnt.
Foto: Ascannio - shutterstock.com

Drei Jahre haben die Behörden recherchiert und Beweise gesammelt. Jetzt glaubt die US-Justiz belegen zu können, dass Google seine Macht rund um die Online-Suche missbraucht hat. Für seine Verteidigung hat Google Hunderte von Mitarbeitern abgestellt und drei mächtige Anwaltskanzleien engagiert. Der Konzern muss viele Millionen Dollar für Juristen und Lobbyisten ausgeben, um das Verfahren zu überstehen.

Am Dienstag (12. September 2023) wird ein Richter am US-Bezirksgericht für den District of Columbia den Prozess eröffnen. Es geht um die Frage, ob Google gegen geltendes Recht verstoßen hat, um seine Vormachtstellung in verschiedenen Märkten zu zementieren. Der Prozess dürfte im Silicon Valley mit größtem Interesse verfolgt werden, hat er doch Beispielcharakter: Internet-Giganten wie Microsoft, Meta, Amazon oder Apple stehen aufgrund ihrer Dominanz im Bereich digitaler Plattformen ebenfalls unter scharfer Beobachtung.

Der Fall Google hat Beispielcharakter

So weist die New York Times darauf hin, dass der "Fall USA et al. gegen Google" der erste Monopolprozess in einer Zeit sei, in der eine Generation von Tech-Unternehmen immensen Einfluss auf Handel, Information, öffentlichen Diskurs, Unterhaltung und Arbeit ausübe. Mit dem Verfahren gehe es nicht mehr darum, Fusionen und Übernahmen anzufechten, wie es früher üblich war. Im Mittelpunkt stünden jetzt Untersuchungen der Geschäftspraktiken, mit denen die Internet-Konzerne ihre enorme Machtfülle erreichen konnten.

Neben dem US-Justizministerium klagen noch 35 US-Bundesstaaten, außerdem Guam, Puerto Rico und der District of Columbia gegen Google. Die Fälle werden zusammen verhandelt. Der Fall Google ist der größte, seitdem die US-Justiz Ende der 1990er Jahre Microsoft wegen Kartellrechtsverstößen verklagt hatte. Inzwischen hat sich die Welt verändert: Mächtige Online-Plattformen sind entstanden, die großen Internet-Konzerne haben sich tief in das alltägliche Leben der Konsumenten eingewoben. Sollte die Justiz ein hartes Urteil fällen, könnte das der Beginn einer Zeitenwende sein. Das Wachstum der Internet-Riesen dürfte sich verlangsamen, möglicherweise drohen sogar Zerschlagungen.

Google soll zahlen und sich umstrukturieren

Die US-Regierung erklärt in ihrer Klage gegen Google, sie wolle erreichen, dass der Konzern seine monopolistischen Geschäftspraktiken ändere, Schadenersatz zahle und sich umstrukturiere. Käme es dazu, müssten sich wohl auch andere Unternehmen im Plattform-Business genauer anschauen, ob sie ihre Marktmacht missbrauchen und gegen Recht verstoßen.

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Frage, ob Google seine Macht missbraucht hat, indem es Apple und andere Unternehmen dafür bezahlte, seine Internetsuchmaschine als Standard auf dem iPhone sowie auf anderen Geräten zu verwenden. Käme das Gericht zu diesem Schluss, würde das bedeuten, dass der Konzern es den Verbrauchern schwer gemacht hätte, andere Suchmaschinen zu benutzen - was Wasser auf die Mühlen der Ankläger wäre.

Google steht auf dem Standpunkt, seine Vereinbarungen mit Geschäftspartnern seien nicht exklusiv. Die Verbraucher könnten jederzeit die Standardeinstellungen ihrer Geräte ändern, um alternative Suchmaschinen auszuwählen. Das tun sie aber nicht: Laut Similarweb hat Google weltweit und auch in den Vereinigten Staaten einen Marktanteil von über 90 Prozent.

Mehr als fünf Millionen Seiten an Dokumenten

Richter im Verfahren gegen Google ist Amit P. Mehta, der 2014 von Präsident Barack Obama eingesetzt wurde. Er wird das endgültige Urteil fällen. Geschworene gibt es in diesem Prozess nicht. Das Justizministerium und Google haben zusammen über 150 Personen für den Fall befragt und mehr als fünf Millionen Seiten an Dokumenten zusammengetragen. Google zeigte bereits Zähne und führte ins Feld, dass Jonathan Kanter, Leiter der Kartellabteilung des Justizministeriums, aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Anwalt für Microsoft und News Corp. befangen sei. Im Gegenzug wirft das Justizministerium Google vor, Chat-Nachrichten von Mitarbeitenden vernichtet zu haben, die für den Fall relevant hätten sein können.

Google hat in den vergangenen Jahrzehnten den Erfolg seiner Suchmaschine zweifellos dazu genutzt, neue Geschäftsfelder zu erschließen - darunter Online-Werbung, Video-Streaming, Kartendienste, Office-Anwendungen, autonomes Fahren und künstliche Intelligenz. Oft gab es Proteste von Wettbewerbern: Google nutze seine Macht bei der Suche, um Links von Konkurrenten etwa zu Reisen, Restaurantkritiken oder Kartendiensten zu unterdrücken. Konzerneigene Inhalte würden in den Vordergrund gerückt, monierten die Kritiker. Zwar prüften US-amerikanische Regulierungsbehörden die Vorwürfe, doch bislang griffen sie kaum ein.

Hat Google Wettbewerber benachteiligt?

Im Jahr 2019 beschlossen US-Justizministerium und Federal Trade Commission unter der Trump-Regierung, neue kartellrechtliche Untersuchungen anzustrengen und hatten dabei Google und Apple im Visier. Im Oktober 2020 verklagte die Regierung Google schließlich wegen Missbrauchs seiner Vormachtstellung bei der Online-Suche. Konkurrenten wie Microsoft Bing und DuckDuckGo würden benachteiligt, da Google Vereinbarungen mit Apple und anderen Smartphone-Herstellern getroffen habe, um die eigene Suche auf deren Geräten vorzuinstallieren und zur Standardsuche zu machen.

Das Unternehmen habe sich so positioniert, dass es "neu entstehende Kanäle" für die Web-Suche kontrollieren könne, lautete der Vorwurf der Wettbewerbshüter. Damit verhalte sich Google ähnlich wie Microsoft in den 1990er Jahren, als der Softwaregigant seinen Webbrowser standardmäßig auf Windows-Betriebssystemen einrichtete und damit den Wettbewerb schädigte.

Ein Test für die Antitrust-Agenda der USA

Beobachter sind allerdings skeptisch, dass Google verurteilt werden könnte. Monopolverfahren werden in den USA meist nur dann gegen ein Unternehmen entschieden, wenn dessen Verhalten nachweislich Verbrauchern schadet - beispielsweise weil es zu unangemessenen Preiserhöhungen gekommen ist. Das kann man einem Unternehmen wie Google, das seine Internet-Suche kostenlos anbietet, nicht vorwerfen.

Kommt es allerdings doch zu einer Verurteilung, kann das gravierende Folgen haben: 1984 musste sich die Telco AT&T unter dem Druck des Justizministeriums in sieben regionale Unternehmen aufspalten, was dem US-Markt kurz vor Beginn der Mobilfunk-Ära durchaus gut bekommen ist. Die New York Times zitiert die Jura-Professorin Rebecca Allensworth mit den Worten: "Der Fall Google ist ein wichtiger Test für die Antitrust-Agenda der US-Regierung." Es gehe um ein neues Verständnis von Monopolisierung, das nicht mehr viel mit dem zu tun habe, was früher mit dem Aufbrechen von Stahl-, Zucker- oder Bahn-Monopolen passiert sei. Der Fall Google werde zeigen, wie die USA mit der ständig steigenden Machtfülle der großen Technologiekonzerne umzugehen gedenke. (hv)