Berater für die digitale Welt

Firmen brauchen Marketing-Profis und analytische Nerds

19.07.2016
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Auch die klassische IT-Beratungswelt wird sich im Zuge der aktuellen Digitalisierungswelle ändern müssen. Kunden sind sehr anspruchsvoll geworden, und Consulting-Häuser müssen darauf mit vermehrter Kompetenz an der Schnittstelle IT Kerngeschäft reagieren.

"Der Berater von heute muss sich in der digitalen Welt auskennen und die Mitarbeiter des Kunden in diese mitnehmen können", erklärt Miroslav Lazic, Consultant bei A.T. Kearney. Beratung heiße heutzutage nicht, harte Fakten ins Unternehmen zu bringen, sondern den Managern klar zu machen, für welches Produkt Digitalisierung entscheidend ist und für welches auch andere Lösungen zur Verfügung stünden. Mittlerweile ist das Thema seiner Meinung nach derart marktdurchdringend, dass alle Unternehmen überzeugt sind, sie müssten unbedingt auf diesen Zug aufspringen und nach schnellen Lösungen suchen. Hier sei es Aufgabe der Berater, den Verantwortlichen in den Unternehmen entsprechend zur Seite zu stehen. "Schnelle Lösungen setzen auch die Mitarbeiter unter Druck, Existenzängste werden geschürt, die Beschäftigten befürchten, dass die Automatisierung sie wegrationalisiert", erklärt Lazic.

Im Zuge der aktuellen Digitalisierungswelle ändert sich auch das klassische IT-Beratungsgeschäft.
Im Zuge der aktuellen Digitalisierungswelle ändert sich auch das klassische IT-Beratungsgeschäft.
Foto: bbernard - shutterstock.com

Gemischte Teams aus Startups und erfahrenen IT-Profis

"Unsere Aufgabe ist es, den Beschäftigten die neuen Chancen durch die Digitalisierung aufzuzeigen", betont der A.T. Kearney-Consultant. Ganz wichtig für den digitalen Erfolg sei zudem die Zusammensetzung der einzelnen Teams. Zu den Mitgliedern sollten die Firmen junge Leute mit App- und Startup-Erfahrung an Bord holen, die mit erfahrenen Produktentwicklern und IT-Profis zusammenarbeiten. "Externe und interne Experten - unabhängig vom Alter - sind gleichermaßen gefordert, digitale Lösungen zu erarbeiten", betont Lazic.

Insgesamt seien für die digitale Welt die Anforderungen deutlich breiter und weniger fachspezifisch als beispielsweise für die klassische IT-Beratung. Vor allem sei das digitale Umfeld agiler und flexibler als andere Services, in denen Beratung stattfindet. "Der Auswahlprozess ist komplexer, und die Folge sind qualifizierte und kreative Teams - auch aus Startups - die leichter zu guten Lösungen kommen", lautet sein Resümee.

Miroslav Lazic ist Consultant bei A.T. Kearney sieht durch die Digitalisierung neue Chancen und will diese den Beschäftigten aufzeigen.
Miroslav Lazic ist Consultant bei A.T. Kearney sieht durch die Digitalisierung neue Chancen und will diese den Beschäftigten aufzeigen.
Foto: A.T. Kearney

Erfolgreiche Lösungen sind seiner Meinung nach aber nicht nur in Konzernen zu finden. "Die mittleren Unternehmen werden vielfach unterschätzt", davon ist Lazic überzeugt. Sie müssten sich in der digitalen Wertschöpfungskette schlichtweg richtig positionieren. Auch in puncto Fachkräftemangel bezweifelt der A.T. Kearney-Consultant, dass der Mittelstand gegenüber den Großen hinterher hinkt. Etliche junge Leute - und dazu würden auch die High-Tech-Berater gehören - seien beispielsweise ihrer Region eng verbunden. "Insgesamt wissen die Vertreter der Y-Generation, dass nicht jeder zu Google, Microsoft oder einem DAX-Konzern gehen kann, zum anderen haben auch mittelständische Unternehmen anspruchsvolle digitale Jobs zu bieten", betont Lazic.

CMTO: An der Schnittstelle zwischen Marketing und Technologie

Für Gerrit Ahlers, ebenfalls Berater bei A.T.Kearney, verändert die digitale Welt zwei Aspekte seines Jobs: "Das eine sind die Fragen, die die Klienten an uns stellen. Das andere ist die Art und Weise, wie wir Projekte umsetzen." Je nach Produkt wollen sie beispielsweise wissen: Wie werden die Anforderungen an Waschmaschine oder Kühlschrank in fünf Jahren aussehen? Und welche Rolle spielen die Mitarbeiter dabei? "Aufklärung steht bei den Beratern ganz oben", stimmt Ahlers seinem Kollegen zu. "Im Gegensatz zu früher sind wir heute in der Lage, Konzepte nicht nur zu entwickeln, sondern diese bereits während der Konzeptionierungsphase zu testen", erklärt Ahlers.

Darüber hinaus würden sich in den Unternehmen etliche Berufsprofile verändern. "So existierten beispielsweise im Marketing die kreativen Spezialisten", meint der Consultant. Jetzt würde A.T.Kearney den Kunden eine neue Position empfehlen - nämlich den Chief Marketing Technology Officer (CMTO). "Der CMTO arbeitet direkt an der Schnittstelle von Marketing und Technologie und ist vom Profil her viel mehr Ingenieur als Kreativer", beschreibt Ahlers die Position. Der CMTO beschäftige sich heute mehr mit den Daten im Marketing und weniger damit, seine Kampagnen kreativ zu durchdenken.

Ahlers ist überzeugt, dass etliche Jobs in der klassischen IT auf jeden Fall bestehen bleiben. Schließlich seien insbesondere Softwareentwickler gefragter denn je. "Gleichzeitig werden neue Berufsbilder entstehen, zum Beispiel IT-Spezialisten, die im Marketing tätig ist." Er ist überzeugt: "In vielen Geschäftsbereichen werden die Unternehmen Nerds eher benötigen als die kreativen Charaktere." Sein Fazit: Der klassische Marketender wird in Zukunft immer mehr ergänzt werden durch den extrem analytischen Nerd, der das, was er sich überlegt, mit Zahlen beeinflusst und verbessert.