Es dauert bis Punkt 7.3 auf Seite 92 des 140 Seiten umfassenden Wahlprogramms der CDU/CSU, bis das Thema Digitalisierung Platz findet. Die Regierungsparteien sprechen dort immerhin von einer "Digitalen Transformationsoffensive" und von enormen Chancen, die der digitale Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft biete, "wenn wir sie aktiv gestalten". Wie dieses aktive Gestalten aussehen soll, bleibt allerdings wenig konkret.
Die Digitaloffensive der Union ist vorrangig damit beschäftigt, Verteidigungslinien gegen die großen Tech-Giganten aus den USA aufzubauen. CDU/CSU betonen die Bedeutung von digitalen Plattformen als zentrale Bausteine der digitalen Wirtschaft. Gleichzeitig gelte es auf den Wettbewerb zu achten. Beide Parteien schreiben sich das Digitalisierungs-GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) als Erfolg auf ihre Fahnen. "Damit haben wir als erstes Land der Welt einen neuen, zukunftsfähigen Rechtsrahmen geschaffen, der Tech-Giganten in die Schranken weist und gleiche Wettbewerbsbedingungen herstellt."
Internetkonzerne in die Schranken weisen
Diesen Rechtsrahmen für digitale Dienste will die Union in der kommenden Legislaturperiode mit besonderem Fokus auf die Plattformökonomie weiterentwickeln - die Richtung bleibt jedoch ein Fragezeichen. Rechtexperten befürchten zudem, dass das GWB erst noch vor dem Bundesgerichtshof standhalten und zeigen muss, ob es Biss hat oder ein zahnloser Tiger bleibt. Unklar sei außerdem, wie der neue Paragraf 19a GWB in der Praxis umgesetzt werden soll, schrieben Ende Januar 2021 Nicolas Kredel und Jan Kresken, beide Anwälte bei Baker McKenzie, in einem Online-Beitrag auf Legal Tribune Online. Auf Basis dieses Paragrafen soll das Bundeskartellamt bestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb untersagen können.
So sehen die Digitalstrategien der anderen Parteien zur Bundestagswahl 2021 aus:
Darüber hinaus wollen CDU/CSU eine Verwaltungsstruktur für eine wirksame Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten aufbauen. Es gelte, klare Verantwortlichkeiten einzurichten sowie Rechenschafts- und Sorgfaltspflichten einschließlich Melde- und Abhilfeverfahren für illegale Inhalte zu definieren. Ob es der Union gelingt, die großen Internetkonzerne stärker an die Kandare zu nehmen, ist jedoch fraglich. In ihrem Wahlprogramm fordern beide Parteien von den Anbietern mehr Transparenz und bessere Risikomanagement-Instrumente, um die Integrität ihrer Dienste vor manipulativen Techniken zu schützen. Schließlich hätten sehr große Online-Plattformen besondere Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist aber kaum davon auszugehen, dass sich Amazon, Facebook, Google und Co. von einer deutschen Partei vorschreiben lassen, wie sie ihre Geschäfte zu führen haben.
In diesem Zusammenhang ist auch viel von der digitalen Souveränität die Rede, die CDU/CSU hierzulande durchsetzen wollen. "Wir müssen diese Souveränität auch digital sicherstellen und zu einem Parameter unseres digitalpolitischen Handelns machen", heißt es dazu im Wahlprogramm. Wie das umgesetzt werden soll, bleibt offen. Man brauche "eine kluge Balance aus Maßnahmen für mehr digitale Autonomie und dem Management verschiedener internationaler Handlungsoptionen, um die Risiken der digitalen Abhängigkeit beherrschbar zu machen", bleibt das Programm der Unionsparteien an dieser Stelle mehr als schwammig. Darüber hinaus wolle man sich für einen vitalen europäischen Markt einsetzen, der technologische Standards für digitale Leistungen wie beispielsweise KI setzen könne. Außerdem brauche Europa wieder eigene Hard- und Softwarehersteller, die weltweit wettbewerbsfähig seien. Wo die herkommen sollen, sagen CDU/CSU nicht.
Datenschutz aufweichen?
Überdenken wollen CDU/CSU offensichtlich den Datenschutz. Nachdem mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) seit gut drei Jahren konkrete Regeln gelten, wie Unternehmen mit sensiblen Daten umzugehen haben, könnte es sein, dass dieses Regelwerk durch die Union wieder auf den Prüfstand gestellt wird. Das Potenzial von Daten werde noch nicht ausgeschöpft, heißt es im Wahlprogramm. "Damit Daten wirklich zum Treiber für Innovation werden, müssen Dateninfrastrukturen leistungsfähiger, die Datennutzung umfassender und der Datenaustausch intensiver werden." Weiter heißt es: "Datenschutz ist allerdings kein 'Super-Grundrecht'". Eine übertriebene Auslegung von Datenschutzanforderungen dürfe nicht dazu führen, Innovationen zu hemmen und Verfahren bürokratisch zu verlangsamen.
Die Union will an dieser Stelle die rechtlichen Leitplanken neu abstecken. Es gelte Rechtsunklarheiten zu beseitigen und die Datenschutzaufsicht in Deutschland zu harmonisieren. Auch auf europäischer Ebene soll es eine bessere Abstimmung und eine möglichst einheitliche Auslegung der Regeln geben. Grundsätzliche Fragen sollten einmalig und EU-weit verbindlich entschieden werden. Wie das umgesetzt werden soll, bleibt offen.
Digitalministerium - jetzt soll es kommen
Konkreter wird die Union dagegen in Fragen der der politischen Organisation rund um die Digitalisierung. Es soll ein Bundesministerium für digitale Innovationen und Transformation geschaffen werden. Offenbar hat die Partei eingesehen, dass die bisherigen Versuche mit verschiedenen Staatssekretärinnen und Staatssekretären in einzelnen Ministerien und dem Bundeskanzleramt der Bedeutung des Themas nicht gerecht werden.
Das neue Ministerium soll die digitale Modernisierung des Staates koordinieren und dazu konkrete dpolitische Projekte umsetzen. Als Beispiele nennt die Union die Corona-App und den elektronischen Personalausweis. Das Digitalministerium "soll die zentrale politische Steuerungsstelle für Innovationen und Digitalisierung werden, die die Modernisierung des Staates und der Verwaltung vorantreiben und eine Vorbild- und Testfeldrolle innerhalb der Bundesregierung durch den Einsatz neuer Arbeitsmethoden und Technologien einnehmen".
Digitale Verwaltung - der nächste Versuch
Wichtigstes Aufgabenfeld für das Digitalministerium dürfte der Umbau der Verwaltung werden. CDU/CSU wollen ein Modernisierungsjahrzehnt für den Staat ausrufen. "Wir stellen die Abläufe auf allen Ebenen auf den Prüfstand, damit unser Staat auf der Höhe der Zeit ist." Die Unionspolitiker sprechen von klaren Verantwortlichkeiten, effizienten Verwaltungsstrukturen und schnelleren Verfahren. Es gehe um eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung, einen modernen, offenen und durchlässigen öffentlichen Dienst und eine Innovationskultur, die neue Ideen zulässt.
Konkret sollen Verwaltungsprozesse beschleunigt und verkürzt werden. Dabei gelte die "digitale Vorfahrt": "Alles, was digital werden kann, soll digital werden. Alles, was standardisiert werden kann, soll standardisiert werden." Mit dem Onlinezugangsgesetz würden alle Leistungen der Verwaltung für den Bürger im Netz zugänglich gemacht. Entsprechende Schritte sollen der Union zufolge beschleunigt werden. Darüber hinaus sollen alle internen Verwaltungsvorgänge digitalisiert werden. CDU/CSU wollen dafür den notwendigen rechtlichen Rahmen schaffen und auf eine digitale Verwaltung ausrichten. Das digitale Verwaltungsverfahren müsse die Regel werden, fordern die Unionspolitiker. "Analoge, papiergebundene Prozesse sind - so weit überhaupt noch erforderlich - als Ausnahmefälle zu gestalten", heißt es im Programm. "Wir werden außerdem alle Schriftformerfordernisse konsequent beseitigen."
Digitale Anwendungen sollen Behörden in Bund, Ländern und Kommunen über den FIT-Store beziehen können. Der App-Store der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) soll dafür konsequent ausgebaut werden. Das Ziel: "Wenn sich eine Lösung als besonders effektiv herausstellt, können auch andere Verwaltungen sie einfach herunterladen."
Ob es diesmal gelingt, die deutsche Verwaltung zu digitalisieren, bleibt abzuwarten. Initiativen dazu gab es schon viele. Bereits Altkanzler Gerhard Schröder forderte vor über 20 Jahren: "Die Daten sollen laufen, nicht die Bürger." Getan hat sich seitdem nicht viel. Warum es ausgerechnet CDU/CSU jetzt gelingen sollte, erschließt sich jedenfalls nicht aus dem Wahlprogramm. Schließlich saßen beide Parteien in den zurückliegenden Jahren lange genug an den Schalthebeln für eine digitale Verwaltungsmodernisierung.