Fast zehn Jahre lang zeigte die Geschäftsentwicklung der Freiberufler-Vermittler nur nach oben. Zweistellige Umsatzgewinne konnten die führenden IT-Personaldienstleister für sich verbuchen, das Rekrutieren und Vermitteln von IT-Freelancer an Unternehmen, die dringend externe Unterstützung in ihren IT-Projekten brauchten, war ein erträgliches Geschäft, das scheinbar keine Wachstumsgrenzen kannten.
Die Marktforscher der Lünendonk & Hossenfelder GmbH haben wie jedes Jahr die Zahlen der Branche für das vergangene Jahr analysiert und festgestellt, dass die Erlöse der Unternehmen erstmals rückläufig waren (-1,9 Prozent). Die Prognose für 2019 lag bei einem Umsatzplus von durchschnittlich 12,2 Prozent, doch sie wurde deutlich verfehlt. Neben offenbar verunsichernden gesetzlichen Vorgaben machte sich die Eintrübung der Konjunktur in wichtigen Branchen wie der Automobilindustrie im zweiten Halbjahr 2019 bemerkbar. Das zeigen erste Ergebnisse der aktuellen Lünendonk-Marktsegmentstudie 2020.
Auch im laufenden Jahr rechnen die führenden zehn Personaldienstleister mit rückläufigen Umsätzen. Bedingt durch die Coronakrise sollen die Einnahmen um rund drei Prozent schrumpfen. "Verglichen mit anderen B2B-Dienstleistungsmärkten ist das eine recht optimistische Prognose", beschreibt Jonas Lünendonk, Geschäftsführer der Lünendonk & Hossenfelder GmbH Mindelheim, die aktuelle Marktsituation.
Fachkräftemangel kommt nach Corona wieder
"Teilweise berichten Anbieterunternehmen von einem mehr als 30-prozentigen Umsatzrückgang im zweiten Quartal 2020", sagt Lünendonk. Bestimmte Qualifikationen seien aber auch jetzt noch händeringend gesucht. Wie bereits in den Vorjahren liegt die Softwareentwicklung bei den nachgefragten Kompetenzen ganz vorne. Außerdem sind Experten für Cloud-Technologien stark gefragt, auch wenn sie den allgemeinen Nachfragerückgang nicht kompensieren können. Digitalisierung, IT-Modernisierung sowie Cloud- und IT-Transformationsprojekte wie die SAP-S/4-HANA-Umstellung stimmen die IT-Freelancer und deren Vermittler aber optimistisch für die Zeit nach der Coronakrise.
Diese positiven Wachstumsaussichten decken sich auch mit der Einschätzung der führenden IT-Beratungsunternehmen, die Lünendonk vor kurzem befragt hat. So rechnen die IT-Berater ebenfalls mit einer Erholung des Marktes im Jahr 2021. Vor der Coronakrise litten viele Kundenunternehmen unter einem Fachkräftemangel, besonders bei IT-Fachkräften. Dieser Mangel ist aktuell zwar geringer, wird sich aber bei einer Rückkehr der Volkswirtschaft auf den Wachstumspfad wieder bemerkbar machen.
Spätestens im Jahr 2021 rechnen die führenden Personaldienstleister für die Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern wieder mit deutlich steigenden Umsätzen und mehr Aufträgen für IT-Freiberufler. Sollte sich die Konjunktur gut entwickeln, können die IT-Freelancer-Unternehmen sogar auf einen Nachholeffekt und damit eine Sonderkonjunktur im kommenden Jahr hoffen, ähnlich wie dies im Jahr 2010 nach der Finanz- und Wirtschaftskrise der Fall war.
- Gefragte Jobs und IT-Projekte für Freiberufler
Der Fachkräftemangel spielt freiberuflich tätigen IT-Spezialisten weiter in die Karten. Die Plattform freelancermap hat über eine Million Suchanfragen ausgewertet und die für 2020 die wichtigsten Jobs und IT-Trends für Selbstständige ermittelt. - Fachkräftemangel
Um eine Position in Festanstellung neu zu besetzen, benötigt ein Unternehmen laut Bitkom im Schnitt sechs Monate Zeit. Selbständige IT-Spezialisten lassen sich deutlich schneller rekrutieren - meist schon innerhalb eines Monats. - Künstliche Intelligenz
Nach Machine Learning schreiben Selbständige der künstlichen Intelligenz (KI) großes Innovationspotenzial zu. - Cloud-Services
Spezialisten für Cloud-Services werden deutlich stärker nachgefragt. Hier wuchs die Nachfrage 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 65 Prozent. - Sicherheit
Nach dem Blockchain-Hype rückt nun das Thema IT-Sicherheit besonders stark in den Fokus der Selbständigen. - Python
Nach dem großen Python-Boom 2018 gewinnt die Programmiersprache weiter an Bedeutung, auch wenn die freelancermap-Suchanfragen mit einem Wachstum um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr (119 Prozent) etwas rückläufig sind. - Javascript
Unter freiberuflich tätigen IT-Spezialisten gilt Javascript derzeit als Top-Skill. Die Programmiersprache erfreut sich großer Popularität und wird beinahe doppelt so häufig gesucht wie noch 2018. Mit einer Steigerung um 95 Prozent verdoppelte sich das Anfragenvolumen 2019 damit fast. - Java
Experten standen 2018 dem neuen Lizenzmodell und Release-Zyklus von Oracle kritisch gegenüber, aber Java-Kenntnis zählt weiterhin zu den wichtigsten Kompetenzen für Selbständige. Die Programmiersprache erlebte dieses Jahr einen regelrechten Boom. Die Nachfrage wuchs um 115 Prozent - Tendenz steigend. - Agiles Projektmanagement
Agiles Projektmanagement in Form von Scrum wird die Tech-Branche im kommenden Jahr dominieren. - Product Owner
Product Owner beanspruchen den ersten Platz unter den Top Jobs. Sie sind für die Entstehung und Umsetzung eines Produkts durch Entwicklerteams sowie für die Optimierung und den wirtschaftlichen Erfolg zuständig. - Scrum Master
Auch Scrum Master sind besonders häufig gesucht. Sie verantworten die Einhaltung der Scrum-Regeln sowie die Optimierung des agilen Projektmanagements im Unternehmen. - Data Scientist
Data Scientists sind stark gefragt, weil sie maßgeblich die Geschäftsmodelle der Zukunft beeinflussen. Sie führen die in einem Unternehmen vorhandenen Datenquellen zusammen und konzipieren darauf aufbauend Strategien und Ideen für die zukünftige Führung der Firma.
Hays führt Lünendonk-Ranking an
Mit über einer Milliarde Euro Umsatz und einem deutlichen Abstand ist Hays in Deutschland der Marktführer unter den IT-Personaldienstleistern. Auf dem zweiten Platz folgt Gulp, ein Tochterunternehmen des niederländischen Personaldienstleisters Randstad, mit Erlösen von rund 400 Millionen Euro. Sowohl Hays (-1,1 Prozent) als auch Gulp (-6,3 Prozent) verzeichneten Umsatzrückgänge im IT-Freelancer-Geschäft. Neu auf Platz drei liegt erstmals der englische Personaldienstleister SThree mit einem IT-Freelancer-Umsatz von rund 180 Millionen Euro. Dahinter folgt auf dem vierten Platz Allgeier Experts (136 Millionen Euro), das Tochterunternehmen des Systemhauses Allgeier SE. Komplettiert werden die Top fünf in diesem Jahr wieder von Etengo aus Mannheim mit über 130 Millionen Euro Umsatz.
Neu unter den Top Zwölf ist in diesem Jahr erstmals die Ferchau GmbH als Tochterunternehmen der Able Group. Damit ist die Able Group mit zwei Unternehmen vertreten, da der Neuntplatzierte Top itservices ebenfalls zum Unternehmensverbund aus Gummersbach gehört. Darüber hinaus haben sich 2020 Westhouse Group und Future Consulting zusammengeschlossen und werden nun gemeinsam unter der Marke Westhouse tätig sein. Zusammen erzielten die Unternehmen 2019 einen Umsatz von 147 Millionen Euro. Darin sind signifikante Umsatzanteile mit Managed Service Providing enthalten. Der Zusammenschluss wird dann in der Lünendonk-Liste 2021 Berücksichtigung finden.
- Softwareentwickler und Cloud-Spezialisten besonders stark nachgefragt
Trotz Nachfragerückgangs können IT-Freelancer Agenturen gute Aussichten genießen. Nach der Lünendonk Marktsegmentstudie 2020 sind besonders Spezialisten in Softwarentwicklung und Cloud-Services gefragt. Lesen Sie hier das Ranking der Top 10 Vermittler. - Die Aufnahmekriterien für das Ranking
Die eigenen Angaben der Unternehmen wurden von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer nachgewiesen oder mussten aus öffentlich verfügbaren Quellen hervorgehen. Lagen die Bilanzen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht vor, musste eine detaillierte Ehrenerklärung unterzeichnet werden. - Platz 10: Neusta Consulting
Nachdem Neusta Consulting 2018 erstmals in das Ranking eingestiegen ist, wuchs die Mitarbeiterzahl 2019 auf 55. 2019 verzeichnete Neusta jedoch mit 51 Millionen Euro leichte Umsatzeinbußen (66 Millionen im Vorjahr). - Platz 9: Top itservices
Der Personaldienstleister Top itservices aus Unterhaching, München, schrumpft auf eine Mitarbeiterzahl von 444 (2018 waren es 506) und macht einen Gesamtumsatz von 93,5 Millionen Euro in Deutschland. - Platz 8: Ferchau
Neu im Ranking: Ferchau beschäftigt 7.142 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und verzeichnet im Jahr 2019 einen Gesamtumsatz von 665 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es 671 Millionen. - Platz 7: Westhouse Group
Immer noch auf dem siebten Platz: Die Westhouse Gruppe aus Garching bei München verzeichnet, wie im Vorjahr, 112 Millionen Euro Umsatz - und das mit 228 Mitarbeitenden. - Platz 6: Solcom
Solcom hält den sechsten Platz: Die Firma aus Reutlingen machte im Jahr 2019 125 Millionen Euro Umsatz und beschäftigte rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. - Platz 5: Etengo
Wie im Vorjahr bleiben die ersten Plätze von den Platzhirschen belegt: Etengo hält seine Mitarbeiterzahl von 148 und bleibt bei einem Gesamtumsatz von 134 Millionen Euro. - Platz 4: Allgeier Experts
Das Wiesbadener Unternehmen minimiert die Mitarbeiterzahl um rund 500 Mitarbeitende und beschäftigte im Jahr 2019 1.408 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Der Gesamtumsatz betrug 2019 255 Millionen Euro. - Platz 3: SThree
Sthree schafft es 2020 auf Platz 3, der Frankfurter Personaldienstleister beschäftigte 2019 837 Mitarbeitende und verzeichnete einen steigenden Umsatz von insgesamt 385 Millionen Euro. - Platz 2: Gulp
Auch 2020 auf Platz 2: Gulp beschäftigte rund 290 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und machte 2019 einen Gesamtumsatz von 403 Millionen Euro. - Platz 1: Hays
Auch 2020 bleibt Hays die Nummer eins der Personaldienstleister: Mit einem Gesamtumsatz von 1.935 Milliarden Euro im Jahr 2019 und 2.540 Beschäftigten ist der Abstand zum Zweitplatzierten groß.
New-Work-Vorboten
Nicht nur die hohe Nachfrage der IT-Freiberufler, auch ihre flexible Arbeitsweise macht sie besonders beliebt. Schon vor der Coronakrise war es bei über 30 Prozent der Projekte von IT-Freiberuflern möglich, mindestens zwei Tage pro Woche remote zu arbeiten. Im Zuge der coronabedingten Einschränkungen ist sowohl die Häufigkeit der Projekte mit Remote-Arbeitsmöglichkeit gestiegen als auch die durchschnittliche Zahl der Tage im Homeoffice.
"Hoch qualifizierte IT-Freiberufler sind seit vielen Jahren Vorreiter, wenn es darum geht, Services für den Kunden flexibel und standortunabhängig zu erbringen. In gewisser Weise waren sie damit Vorboten der neuen Arbeitswelt, die nun in zahlreichen Bereichen des Dienstleistungssektors Realität ist", so Jonas Lünendonk.
Die vollständige Lünendonk-Studie "Führende Anbieter für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern in Deutschland" ist seit dem 9. September online und kann kostenpflichtig bestellt werden. Sie enthält Informationen zu Trends und Entwicklungen im Markt, zum Stand der internen Digitalisierung der Anbieter sowie weitere Kennzahlen. |