In der Forschung bei Daimler in Böblingen entstehen die Fahrzeuge von morgen. Häufig kommen die dort entwickelten neuesten Technologien zuerst in Wagen der Premium-Klasse zum Einsatz und wandern später in einfachere Autos. Die 500er S-Klasse von Daimler gehört zum oberen Segment und wurde als erste mit einem Ausweichassistenten zum Fußgängerschutz ausgestattet. Durch eine Stereokamera und Radarsensorik wird der Verkehrsraum vor dem Auto beobachtet, alle stehenden und bewegten Objekte sowie Freiräume im Bild werden erkannt. Bemerkt das System eine drohende Kollision mit einem Fußgänger, entscheidet es, welches die richtige Aktion ist, und greift gegebenenfalls in die Bremse oder Lenkung ein, um einen Unfall zu vermeiden. "Meine Aufgaben bestanden zu einem großen Teil in der Programmierung des Systems, Fahrzeugintegrationsaufgaben sowie Aufzeichnung und Auswertung von Messdaten", sagt René Schönherr vom Transferzentrum Miroelektronik (TZM) in Göppingen.
Krisensichere Jobs
Das auf Engineering und Software spezialisierte Unternehmen gehört zur Steinbeis GmbH & Co. KG für Technologietransfer und hat rund 100 Mitarbeiter. Informatiker entwickeln Software, die Ingenieure des Dienstleistungsbereichs arbeiten meist beim Kunden an Hightech-Lösungen in Forschung und Entwicklung. Automobil, Medizin und Automatisierung sind die wichtigsten Kundenbranchen, und immer geht es um Elektrik, Steuerungen und Schnittstellen.
Der 32-jährige Schönherr arbeitet seit April 2008 bei TZM. "Nach der Schule habe ich eine IT-Ausbildung abgeschlossen und mich bei der Arbeit mit dem Computer immer wieder gefragt: Wie kann es nur sein, dass aus einfachen Transistorfunktionen komplexe Softwarelösungen möglich werden?" Die Antwort darauf gab ihm das anschließende Studium der Technischen Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin: "Es funktioniert durch ein Zusammenspiel zwischen Elektrotechnik, Mikrosystemtechnik und hardwarenaher Programmierung." Der Studiengang vermittle ein breites Wissen auch in benachbarten Fachrichtungen, das je nach Interesse vertieft werden kann.
Viele neue Jobs
Die Anbieter von eingebetteten Systemen blicken sehr zuversichtlich auf das Geschäftsjahr 2011. Vier von fünf Anbietern rechnen mit steigenden Umsätzen, mehr als jedes zweite Unternehmen will in diesem Jahr zusätzliche Stellen schaffen. Das hat eine aktuelle Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom ergeben. Insbesondere in der Energieversorgung sowie dem Maschinen- und Fahrzeugbau rechnen die Anbieter mit steigender Nachfrage nach Embedded Systems und entsprechenden Dienstleistungen.
Professor Jürgen Nonnast ist Dekan im Fachbereich Informationstechnik an der Hochschule Esslingen. "Obwohl die Ausbildungsinhalte im Studiengang Technische Informatik jeweils zur Hälfte Technik und Informatik umfassen, sind die Studenten der Ausbildung nach eher Ingenieure als Informatiker." Das liege an ihren Aufgaben: "Das Lösen technischer Probleme in Software ist Technische Informatik und die wiederum wird durch Embedded Systems vertreten." Eingebettete Systeme und Technische Informatik sind für ihn synonym. Eingebettete Systeme sind mikroprozessorgesteuerte Elektronik, die fast überall zum Einsatz kommt. Im Auto werden 80 Prozent aller modernen Funktionen erst mittels eingebetteter Systeme möglich, etwa Diebstahlwarnsysteme, Klimaanlagen, Airbag, Navigationssysteme, Motorsteuerung, ABS und ESP. In anderen Branchen werden sie in Messgeräten verbaut, in DVD-Spielern, Handys, Waschmaschinen, Blutdruckmessgeräten und Fahrradcomputern. Den Wunderwerken der Technik bescheinigt der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnologie‚ kurz VDE, "asiatische Wachstumsraten". Das spiegelt sich auch am Arbeitsmarkt in der Nachfrage nach Kennern dieser Systeme.
Rund 120 Absolventen schließen jährlich ihr Studium der Technischen Informatik in Esslingen ab. "Die Arbeitsmarktchancen waren in den vergangenen 40 Jahren ausnahmslos exzellent. Selbst in den schweren Jahren 2008 und 2009 fanden alle Absolventen schnell einen Arbeitsplatz", sagt der Professor. Die Hochschule Esslingen war eine der ersten in Deutschland, die den Studiengang eingeführt hat, das war 1971. Spannend an der Technischen Informatik ist für Nonnast, dass sie nicht auf Softwareprogramme fixiert ist, sondern immer die Anwendung im Vordergrund steht.
Die Inhalte des Ingenieurstudiums speisen sich aus den Disziplinen Elektrotechnik und Informatik. Typische Lehrfächer sind daher Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Regelungstechnik, Computerarchitektur, Programmiersprachen, Algorithmen und Software-Engineering. Die Ausbildung in Esslingen ist breit und nicht auf einzelne Branchen ausgerichtet. Das macht die Absolventen universell einsetzbar. "Der Technische Informatiker war, ist und wird auch weiterhin ein Mangelberuf sein", prognostiziert Nonnast. Viele Studenten in Esslingen bekämen schon während ihrer Abschlussarbeiten Arbeitsverträge angeboten. "Firmen, die nicht schon während des Studiums intensive Kontakte zur Hochschule und zu den Studenten pflegen, haben große Schwierigkeiten, Absolventen abzubekommen."