Was früher als Aushang am klassischen "schwarzen Brett" oder per Flugblatt im Betrieb verteilt wurde, findet längst auf elektronischem Wege statt. Informationen der Belegschaft werden im Intranet geteilt oder per E-Mail versandt. Die meisten Arbeitgeber haben darüber hinaus Unternehmensprofile in den sozialen Medien. Diese werden zum Dialog mit Kunden, Marketingzwecken oder auch zum Recruiting genutzt und sind für viele Unternehmen unverzichtbar.
"Nur verständlich ist es daher aus Sicht des Betriebsrats, dass auch dieser diese Vorteile nutzen möchte, um über die eigene Arbeit zu berichten und einerseits die Belegschaft, andererseits aber auch interessierte Dritte über das betriebliche Geschehen oder sonstige als berichtenswert empfundene Dinge zu informieren", sagt Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
Betriebsrat twittert: Der Stein des Anstoßes
Anders aber als eine Gewerkschaft, die auch für Mitglieder werben darf und sich politisch positionieren darf, ist die Stellung des Betriebsrats. "Der Betriebsrat ist für alle Arbeitnehmer im Betrieb zuständig, gleich ob der einzelne Arbeitnehmer dies möchte oder nicht. Der Betriebsrat ist daher zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet", so Fuhlrott weiter. Daher verpflichtet auch das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) den Betriebsrat zur vertrauensvollen und konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber. "Streikaufrufe des Betriebsrats wären daher etwa ein Grund für eine Auflösung des Betriebsrats", gibt Fuhlrott zu bedenken. Auch ihm bekannt gewordene vertrauliche betriebliche Vorgänge darf der Betriebsrat grundsätzlich nicht der Öffentlichkeit mitteilen.
Ob ein Betriebsrat daher Twitter nutzen darf und über einen eigens dafür angelegten Account Tweets über betriebliche Vorgänge absetzen darf, sollte nunmehr das Bundesarbeitsgericht (BAG) klären. Anlass war der Streit zwischen einer Klinik und dem dortigen Betriebsrat. Letzterer setzte regelmäßig Tweets zu aktuellen betrieblichen Themen ab und berichtete hierbei unter anderem über die tarifvertragliche Möglichkeit zum Aufstieg in eine höhere Entgeltgruppe, über abgeschlossene Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Dienstplangestaltung, zur Urlaubsplanung oder gratulierte schlicht dem neugewählten Betriebsrat zu dessen Wahl.
Bundesarbeitsgericht: Grundsatzentscheidung bleibt aus
Dem Arbeitgeber war dies ein Dorn im Auge, da der Betriebsrat so rein betriebliche Themen in die Öffentlichkeit trug. Gerichtlich versuchte der Arbeitgeber daher, dem Betriebsrat die Nutzung von Twitter zu untersagen. Während er vor dem Arbeitsgericht (ArbG Göttingen, Beschl. v. 6.11.2017, Az.: 3 BV 5/17) damit noch erfolgreich war, gab das Landesarbeitsgericht (LAG Niedersachsen, Beschl. v. 6.12.2018, Az.: 5 TaBV 5/17) dem Betriebsrat Recht und kassierte das Twitter-Verbot.
Klarheit sollte daher nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) schaffen. Dieses hatte eine entsprechende Verhandlung für den 29. Juli 2020 angesetzt, die aufgrund der Rücknahme der arbeitgeberseitigen Rechtsbeschwerde nunmehr ausfiel. Damit ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig, die Betriebsräten die Nutzung von Twitter als Kommunikationskanal zuspricht.
"Das Bundesarbeitsgericht hat in früheren Entscheidungen das Internet stets als Mittel zur Informationsbeschaffung für Betriebsräte angesehen, nicht aber als Mittel zu Kommunikation. Andere Gerichte haben daher Betriebsräten etwa auch den Betrieb einer eigenen Website untersagt, die Außenstehende über betriebliche Interna informiert", kommentiert Fuhlrott, der eine die Twitter-Nutzung des Betriebsrats untersagende Entscheidung für möglich ansieht. "Die gewünschte Rechtssicherheit, die eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts gebracht hätte, fehlt aber leider nunmehr", bedauert Fuhlrott. Das Thema, das die Praxis bewege, bleibe damit vorerst höchstrichterlich ungeklärt.