MWC 2019: Virtuelles Völkerball als 5G Edge Gaming

Telekom und Osram nehmen erstes Campus-Netz in Betrieb

26.02.2019
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Auch der Messeauftritt der Telekom auf dem MWC 2019 (Mobile World Congress) stand ganz im Zeichen von 5G. Noch 2019 will der Carrier erste 5G-Netze kommerziell in Betrieb nehmen.
5G wird Realität, aber nicht für jeden.
5G wird Realität, aber nicht für jeden.
Foto: Hill

"5G is getting real", mit diesen Worten beschrieb Claudia Nemat, Vorstand Technologie und Innovation bei der Deutschen Telekom, den Messeauftritt des Carriers in Barcelona. Hierzu zeigte der Konzern unter anderem pfiffige Antennenlösungen (getarnt als Hausnummer oder Green-Tree-Möbel in der Stadt) sowie Anwendungen, die das Potenzial der nächsten Mobilfunkgeneration demonstrieren wie etwa das Virtual Reality Edge-Game Neon. Zudem nahm die Telekom gemeinsam mit Osram das erste Campusnetz in Betrieb, das nach dem Prinzip des Netzwerk-Slicing arbeitet.

Kein 5G an jeder Milchkanne

5g-Antenne (Bildmitte) als Hausnummer realisiert.
5g-Antenne (Bildmitte) als Hausnummer realisiert.
Foto: Hill

Zwar versprach Technik-Chefin Nemat in Barcelona noch für 2019 die ersten kommerziellen 5G-Anwendungen in Deutschland, doch viele bandbreitenhungrige Anwender werden auf die neue Technik vermutlich noch länger warten müssen. Bis 2025, so Nemat, will der Konzern hierzulande eine 5G-Versorgungsdichte von 99 Prozent erreichen, wobei allerdings nur 90 Prozent der Fläche versorgt werden sollen. Eine klare Absage erteilte Nemat den Wünschen der Politik an eine flächendeckende, überall gleiche 5G-Versorgung. "Wir werden nicht an jeder Milchkanne den vollen 5G-Funktionsumfang zur Verfügung stellen, denn das macht keinen Sinn", so Nemat.

Frische Stadtluft dank 5G? Green-Tree-Möbel sollen die Luft reinigen und gleichzeitig 5G-Antennen beherbergen.
Frische Stadtluft dank 5G? Green-Tree-Möbel sollen die Luft reinigen und gleichzeitig 5G-Antennen beherbergen.
Foto: Hill

Dort könne sie sich etwa ein für Sensoren optimiertes Netz vorstellen, das aber nicht den gleichen Bandbreitbedarf aufweise wie ein Netz für einen Flieger am Hangar. "Ebenso werden wir Multigaming-Features wie Neon eher in der Stadt offerieren, statt im Wald", erklärte die Technik-Chefin die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von 5G weiter.

Suche nach der Killer-App

Bringen Multigamer-Spiele wie virtuelles Völkerball den Umsatz im Consumer-Umfeld.
Bringen Multigamer-Spiele wie virtuelles Völkerball den Umsatz im Consumer-Umfeld.
Foto: Hill

Zumal Nemat überzeugt ist, dass bei 5G das klassische Mobilfunk-Business-Modell, "der Verkauf von Connectivity", nicht mehr funktioniert. "Und eine Superkiller-App sehe ich noch nicht am Horizont", so Nemat, "eventuell sind das aber Multigaming-Apps." Bis dahin setzt die Telekom wie so viele andere in Barcelona in Sachen 5G auf Enterprise-Services.

Absage an US-Boykottforderungen

Nach derzeitigen Plänen will der Konzern in den 5G-Netzausbau fünf Milliarden Euro investieren. Und dafür auf die Lieferanten setzen, die die beste Technologie liefern. Dementsprechend wenig hält Nemat von dem Handelsstreit zwischen den USA und China in Sachen Telco-Ausrüster: "Wir werden dort kaufen, wo wir führende Technik erhalten und der Anbieter sowohl unsere Lebensart als auch unsere Standards in Sachen Datenschutz und Freiheit akzeptiert." Zu den Gerüchten, wonach extra eine große US-Delegation zum MWC angereist sei, um die europäischen Carrier in Sachen Huawei-Boykott einzunorden, wollte die Telekom-Managerin nicht weiter Stellung nehmen, "mich hat niemand angesprochen."

Zukunft Campusnetze

Startshuß für das Campusnetz von Osram während des MWC.
Startshuß für das Campusnetz von Osram während des MWC.
Foto: Hill

Große Erwartungen hat die Telekom in Sachen 5G hinsichtlich des Einsatzes im Enterprise: Stichwort Fabrik. Gerade mobile Roboter in größerer Zahl, die flexibel zusammenarbeiten und kommunizieren sollen, benötigen ein leistungsfähiges Netz, das so mit klassischer WLAN-Technologie nicht mehr verwirklicht werden kann. Eine Aufgabe, die lokale 5G-Netze übernehmen sollen. In Barcelona nahmen OSRAM und Telekom das erste für 5G vorgesehene Campusnetz in Deutschland in Betrieb. Es ist das OSRAM Werk Schwabmünchen. Das Campusnetz ist Mobilfunk für ein abgegrenztes Gebiet und für spezielle Anwendungen. Das Netz in Schwabmünchen ist ein sogenanntes "Dual-Slice"-Campusnetz. Dieses kombiniert ein öffentliches und ein privates Netzwerk zu einer gemeinsamen Infrastruktur. Allerdings hat der Pilot einen kleinen Schönheitsfehler: Aktuell funkt das Netz noch mit LTE, der 5G-Ausbau soll folgen. Entsprechend große Pläne hat OSRAM für die Zukunft: Dann ist der Einsatz der Hololens für Maintenance-Aufgaben geplant und die FTS (Fahrerlose Transportsysteme) sollen nicht nur in der Halle verkehren, sondern auf dem gesamten Firmengelände.

Weitere Campus-Netze für Unternehmen sollen folgen: ZF Friedrichshafen und BorgWarner setzen ebenfalls auf Mobilfunk nach Maß.

Edge Computing mit 5G

Ein weiteres Versprechen von 5G sind sehr geringe Reaktionszeiten. Kombiniert mit Edge Computing sollen so die ultra-niedrige Reaktionszeiten möglich werden, wenn die Rechenleistung an den Rand des Netzes verlagert wird. Wie das funktioniert, zeigen die Partner Telekom, MobiledgeX und Niantic mit dem Multiplayer-Spiel Neon. Mehrere Spieler interagieren hier in Echtzeit über verschiedene Endgeräte. Besucher können in Barcelona das digitale Völkerball auf dem brandneuen Samsung S10+ spielen. Telekom, MobiledgeX und Niantic haben hierzu eine Partnerschaft geschlossen, um gemeinsam neue Augmented Reality (AR) Erlebnisse zu schaffen. Die Telekom stellt die Netze bereit. MobiledgeX steuert die notwendigen Schnittstellen in der Programmierung bei. "Pokemon GO"-Entwickler Niantic liefert die Anwendung.