Bitkom Trendkongress 2013

Telekom-CFO moniert übertriebenen Verbraucherschutz

14.11.2013
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Die deutsche IT-Branche hat sich in Berlin zum Bitkom Trendkongress getroffen. Die Telekom nimmt die räumliche Nähe zur Politik zum Anlass für Schelte.
Timotheus Höttges, CFO der Telekom, fürchtet internationalen Rückstand beim deutschen Breitbandausbau.
Timotheus Höttges, CFO der Telekom, fürchtet internationalen Rückstand beim deutschen Breitbandausbau.
Foto: Bitkom

Timotheus Höttges, Finanzvorstand der Deutschen Telekom AG, ärgert sich über die Gängelei durch die Politik. Insbesondere die erhebliche Regulierung des ehemaligen Staatskonzerns ist ihm ein Dorn im Auge. Entscheidungen etwa zu den internationalen Roaming-Gebühren würden immer aus Blickwinkel des Verbraucherschutzes getroffen, monierte der Manager. Der damit forcierte Preisverfall in der Telekommunikation schnüre Innovationsbereitschaft ab.

Bei den Breitbandnetzen drohe Deutschland dadurch bereits den weltweiten Anschluss zu verlieren, warnte Höttges auf dem Bitkom Trendkongress in Berlin: In den USA fließen derzeit 180 Dollar pro Kopf in den Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur, in Deutschland sind es nur 130 Dollar je Bürger. "Wenn wir weiter warten, werden wir einen massiven Rückstand gegenüber den USA und Asien hinnehmen müssen", fürchtet der Manager.

Wo sind die europäische ITK-Anbieter?

Seine düsteren Prognosen belegte der Telekom-CFO mit Zahlen. Marktanalysen zufolge wird die europäische ITK-Branche in den kommenden Jahren um bis zu zehn Prozent schrumpfen, die Anbieter in Asien und Nordamerika dürfen dagegen mit einem Wachstum von 35 bis 40 Prozent rechnen. In allen Segmenten, sei es in der Hardware-, Software-, Chip- und Netzwerk-Branche, spielten europäische Anbieter heute praktisch keine Rolle mehr. Lediglich SAP könne in die Phalanx der internationalen Konkurrenz eindringen. Einstige globale ITK-Player wie Siemens und Nokia sind mittlerweile zur Bedeutungslosigkeit pulverisiert.

Höttges: Politik mischt sich übermäßig ein

Drei mögliche Ursachen für diese aus europäischer Sicht ernüchternde Entwicklung gibt es, so der Manager:

  • Unfähige Manager in den Führungsetagen;

  • schlechte Ingenieursleistungen oder

  • systemische Probleme und strukturelle Fehler in der Standortpolitik.

Eine klare Antwort blieb Höttges dem Bitkom-Publikum schuldig, doch seine gezielte Argumentation gegen Regulierung und einseitigen Verbraucherschutz lieferte ausreichend Hinweise darauf, wo der Telekom-Manager die Ursachen verortet.

Ungleiche Chancen im globale Wettbewerb

Höttges, designierter Telekom-CEO: In Deutschland ein Magenta-Riese, in der Welt ein Zwerg.
Höttges, designierter Telekom-CEO: In Deutschland ein Magenta-Riese, in der Welt ein Zwerg.
Foto: Bitkom

"Die Telekom gilt in Deutschland als Magenta-Riese, den es zu regulieren gilt. Mit einer Marktkapitalisierung von 50 Milliarden spielen wir im weltweiten Konzert nur eine kleine Rolle", beklagte Höttges, der am 1. Januar die Nachfolge von René Obermann als CEO der Deutschen Telekom antritt. Die Voraussetzungen, im globale Wettbewerb etwa gegen die großen US-Anbieter zu bestehen, seien für die Telekom schlecht: Während sich vier TK-Anbieter den US-Markt mit rund 310 Millionen potenziellen Kunden teilen, müsse die Telekom mit rund 200 Anbietern um gut 500 Millionen EU-Bürger wetteifern. Man brauche massive Deregulierung, denn ein Markt mit vielen Wettbewerbern sorge für Preisverfall, nicht aber für Innovationen. Und im TK-Geschäft, da ist sich Höttges sicher, zählt nur Größe.

Frequenzspektren stopfen Haushaltslöcher

Hinzu kämen ungünstige Vergabepraktiken: Die für die künftige Kommunikationen wichtigen Funkfrequenzen werden in Deutschland teuer vermietet, "um Löcher in den Haushalten zu stopfen", schimpfte Höttges. In den USA würden sie dagegen verkauft. Letzteres biete eine verlässlichere Basis für Investitionen, zumal nicht genutzte Frequenzen von den Käufern weiterverkauft werden können. Deutsche Lizenznehmer lassen zugeteilte Spektren in Regel brach liegen, wenn sie keine Verwendung haben.

Hoffnungsträger Industrie 4.0

Für gute Stimmung sorgt dagegen das Thema Industrie 4.0. Hier fließen moderne IT-Lösungen, breitbandige TK-Anforderungen und traditionelle deutsche Ingenieursleistungen zusammen, und hier sieht Höttges die Telekom und die deutsche Wirtschaft gut aufgestellt. "Deutschland ist der Ausrüster der Welt. Wenn wir unsere Maschinen vernetzen, dann haben wir gute Marktchancen", warb er für eine rasche Digitalisierung der Industrie.