Ursache und Gegenmaßnahmen

Technische Schulden - und wie man diese vermeidet

07.11.2023
Von 
Nico Rehmann ist seit 1997 in der Digitalbranche tätig und Experte für digitale Kommunikation. Als Berater hilft er Unternehmen bei der digitalen Transformation. Er ist CEO und Partner der Digitalagentur asioso GmbH. Zudem ist er Gründer des Content Management Instituts.
Technische Schulden entstehen meist durch fehlerhafte Programmierungen und eine gewisse Faulheit, was die Aktualisierung der eigenen Systeme anbelangt. Doch wie lassen sich diese von Anfang an im Unternehmen einschränken oder sogar vollständig vermeiden?

Die Situation ist den meisten von uns bekannt: In extrem kurzer Zeit muss eine Lösung zu einem bestimmten Problem bereitstehen. Ein solcher Ausgangspunkt bringt sicher nicht die technisch sinnvollsten Ansätze hervor. Vielmehr sollte jede Entscheidung sorgfältig durchdacht werden, weil sie Auswirkungen auf das Unternehmen hat. Geschieht dies nicht, kann es zu einer technischen Verschuldung kommen, die zu längerfristigen Problemen führt. Doch wie genau funktioniert das Prinzip der technischen Verschuldung und was kann man dagegen tun?

Die Entstehung der technischen Schulden lässt sich auf zahlreiche Fehler und Probleme zurückführen.
Die Entstehung der technischen Schulden lässt sich auf zahlreiche Fehler und Probleme zurückführen.
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Was genau sind technische Schulden?

Grundsätzlich entstehen technische Schulden durch den Wandel neuer Produkte und Technologien sowie durch die Anpassung bereits vorhandener Systeme. Eine schlechte und zu schnell durchgeführte Umsetzung führt häufig zur Entstehung einer technischen Schuld. Eine schlecht programmierte Software nimmt deutlich mehr Zeit für die Wartung und die Weiterentwicklung in Anspruch. Je größer dieses Problem ausfällt, desto gravierender ist der damit verbundene Aufwand innerhalb der Programmierung.

Die entstehende Lücke zur optimalen Funktionalität entspricht dann den technischen Schulden. Bei übereilten Projektumsetzungen fallen diese deutlich größer aus. Der zeitliche Fortschritt hinterlässt im System seine bleibenden Spuren.

Durch die stetige Weiterentwicklung von Technologien steigen die grundsätzlichen Möglichkeiten von Anwendungen. Entwickelt ein Unternehmen eigene Anwendungen nicht weiter, so sinkt die Attraktivität der eigenen Anwendung im Vergleich zum Markt. Dieser Verlust steht ebenfalls für die technischen Schulden, da fehlende Aktualisierungen das Potenzial nachhaltig vermindern und das Nutzungspotential sinkt.

Die Entstehung der technischen Schulden

Technische Schulden entstehen daher meist durch fehlerhafte Programmierungen und einer gewissen Faulheit, was die Aktualisierung der eigenen Systeme anbelangt. Hierbei wird zwischen einer bewussten und unbewussten Schuld unterschieden, wobei sich die Konsequenzen in der Praxis allerdings kaum voneinander unterscheiden. Ist die mindere Qualität des eigenen Systems beispielsweise bekannt, stellt die absichtliche Entscheidung gegen eine neue Struktur ebenfalls eine bewusste technische Schuld dar, die sich durch das Einleiten eigener Maßnahmen hätte vermeiden lassen.

Wenn die interne IT-Architektur nicht auf Höhe der neuesten Maßstäbe operiert und die IT nicht über das nötige Fachwissen verfügt, entstehen andere Probleme durch diese Unwissenheit. Externe Servicepartner und Experten können hierbei häufig die nötigen Hinweise geben, um für eine wirkungsvolle Verbindung mit dem IT-Lifecycle Management zu sorgen und den Bezug zu künftigen Betriebsausgaben herzustellen. Unwissenheit schützt in diesem Fall nicht vor der Konsequenz, die eigene Effizienz herabzusetzen und die technischen Schulden zu erhöhen.

Mit einer gewissen Umsichtigkeit werden diese Schulden nicht zwangsläufig zu einem großen Problem. Werden die Konsequenzen des eigenen Handelns frühzeitig erkannt, kann die interne IT in die vorhandenen Entwicklungen schneller eingreifen, sodass der Schaden möglichst geringgehalten wird. Sollten die technischen Schulden länger bestehen, steigt das Delta zum optimalen Betrieb zunehmend an. Daher ist es sehr wichtig, rechtzeitig gegenzulenken und die betroffenen Systeme zu optimieren.

Ursachen einer nur wenig zeitgemäßen Umsetzung

Die Entstehung der technischen Schulden lässt sich auf zahlreiche Fehler und Probleme zurückführen. Folgende Ursachen kann es geben, wenn die Effizienz der eigenen IT-Lösungen immer weiter nachlässt:

  • Häufig liegt dies am fachlichen Druck, welcher häufig marktgetrieben ist. So gerät die IT teilweise außer Kontrolle, wodurch der Schaden noch größer ausfällt als bei der Weiterführung der bisherigen Strukturen.

  • Ein umfassendes Qualitätsmanagement ist entscheidend, wenn es um das Messen und Bestimmen technischer Schulden geht. Fehlt diese Struktur, lassen sich Maßnahmen zur Verbesserung meist erst dann einleiten, wenn es bereits zu spät ist.

  • Auch unzureichende Kommunikation und organisatorische Silos sind häufig ein Grund für mangelhafte Umsetzungen, da alle Abteilungen für ein gutes Ergebnis kooperieren müssen. Einheitliches Reporting und standardisierte Informationen ermöglichen hier ein effizientere Zusammenarbeit.

Das Problem der fachlichen Schulden

Technische Schulden hängen mit fachlichen Schulden zusammen, die nur selten direkt mit der Software in Verbindung gebracht werden. Entwickler sind in dieser Hinsicht selten Fachexperten, wodurch eine Verbindung zwischen technischen und fachlichen Komponenten selten problemlos funktioniert. Meist werden nur die konkreten Vorgaben der verantwortlichen Analysten integriert, um Fehler in der Anwendung zu vermeiden.

Sollte die Verantwortung für die richtige Umsetzung stattdessen ganz allein in der Technik liegen, lassen sich fachliche Schulden nicht vermeiden. Aufgrund der fehlenden Ansätze und der häufig mangelhaften Erfahrung sind die wirklich effizienten Strukturen nur selten bekannt und der Prozess einer komfortablen Umsetzung gestaltet sich häufig deutlich schwieriger. Zur Vermeidung fachlicher Schulden müssen sich die fachlichen Experten daher vorab mit den funktionalen und prozessualen Anforderungen besonders intensiv auseinandersetzen und diese entsprechend vor der Umsetzung definieren.

Digitalisierung mit Struktur als Lösung

Wenn es um die Steigerung von Effizienz und Erträgen geht, fällt häufig der Begriff Digitalisierung. Dennoch muss hierfür eine konkrete Strategie vorliegen, denn das reine und unkontrollierte Digitalisieren führt im Regelfall nur zu hohen Kosten mit geringen Auswirkungen. Eine erfolgreiche Digitalisierung betrifft nämlich weit mehr als nur den Austausch und die Optimierung von Systemen - sie erfordert eine Anpassung von Prozessen sowie die Sensibilisierung der handelnden Mitarbeiter.

Doch vorsichtig: Eine plötzliche Anpassung aller Systeme ist weder eine gute Wahl noch realistisch, wenn es um die erfolgreiche Beseitigung technischer Schulden geht. Das Risiko ist nämlich zu, dass die neuen Systeme nicht funktional arbeiten und erneut ersetzt werden müssen. Die Dauer des damit verbundenen Arbeitsausfalls wäre kaum im Unternehmen umzusetzen, weshalb die Migration Schritt für Schritt durchgeführt werden sollte. Eine gute Digitalisierung gelingt schleichend und stetig. Sie schafft es, mit den anderen Systemen für eine sinnvolle Verbindung zu sorgen.

So lassen sich technische Schulden beheben

Neben einer gesunden Digitalisierungsstrategie gibt es viele weitere Optionen, durch die sich technische Schulden kurzfristig, aber auch für lange Zeit erfolgreich vermindern lassen. Diese Möglichkeiten stehen daher direkt im Unternehmen zur Verfügung:

  • Einrichtung moderner Analyse- und Reporting-Tools

  • Technische Fortbildungen für Mitarbeiter in der IT

  • Vereinfachung der integrierten Codes

  • Klarere Aufgabenverteilung im Unternehmen

  • Vollkommene Restrukturierung der Systeme

  • Umsetzung einer flächendeckenden Qualitätssicherung

Alle Veränderungen lassen sich grundsätzlich auf das System selbst zurückführen, weshalb die Anpassungen in diesem durchgeführt werden müssen. Eine Restrukturierung mit einer vollwertigen Mitarbeiterentwicklung ist ein moderner Ansatz, um Risiken zu reduzieren und gleichzeitig neuste Standards zu setzen. Der Status der eigenen Software muss immer bekannt sein, um konkrete Einschätzungen vornehmen zu können und die technischen Schulden zu minimieren.