Ärger droht beim Betrieb von Mautsystemen

T-Systems schnappt sich Maut-Deal in Österreich

09.08.2016
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
In Österreich und Deutschland winken in den kommenden Jahren lukrative Verträge über den Betrieb von Mautsystemen. Unternehmen wie die Deutsche Telekom und die österreichische Kapsch Group bringen sich bereits in Stellung. Doch angesichts der wenig transparenten Ausschreibungsprozesse droht bereits im Vorfeld viel Ärger.

T-Systems Austria hat vom österreichischen Autobahnbetreiber ASFINAG den Zuschlag für den Aufbau des Zentralsystems "GO-Maut 2.0" für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gewicht erhalten. Der Großauftrag umfasse den Betrieb der IT-Systeme für die Mautverrechnung, der rund 230 Vertriebsstellen im In- und Ausland sowie der 48 mobilen Kontroll-Einheiten, hieß es von Seiten der Telekom-Tochter. Leer ausgegangen seien Kapsch und Raiffeisen Informatik, die bisher Teile des Systems bereitstellten, meldete die Austria Presse Agentur (APA). Allerdings verlautete später aus Börsenkreisen, die beien Unternehmen hätten gar nicht an der Ausschreibung teilgenommen. Wirklich interessant werde es 2017, wenn das gesamte LKW-Mautsystem neu ausgeschrieben werde. Über das Volumen des aktuellen Deals für die Mautverrechnung wurden offiziell keine Angaben gemacht. "Der Standard" berichtete indes, das Geschäft sei rund 84 Millionen Euro schwer und ein Teil der Neuausschreibung der Lkw-Maut.

Die ASFINAG-Verantwortlichen planen offenbar einen weitreichenden Umbau ihres Mautsystems. Mit der Vergabe des Aufbaus des Zentralsystems habe man einen wesentlichen Schritt in Richtung Umsetzung der nächsten Generation des GO-Maut-Systems gemacht, verlautete von Seiten des Autobahnbetreibers. Zum Jahresende soll mit der Mauttechnik bereits der nächste Großauftrag vergeben werden. Technologielieferant ist bis dato die Wiener Kapsch TrafficCom. Ende 2017 laufen dann die Verträge für die Lkw-Maut mit KapschTrafficCom und der Raiffeisen Informatik aus, die das Zentralsystem verantwortet. Damit tickt die Uhr. Anfang 2018 muss ein neues Mautsystem stehen, so die klare Vorgabe der ASFINAG.

Neue Weichenstellung für das Mautsystem in Österreich

Die österreichischen Autobahnbetreiber sind indes zuversichtlich, bereits frühzeitig die richtigen Weichen gestellt zu haben. Mit den jetzt getroffenen Entscheidungen sei gewährleistet, dass die bislang getätigten Investitionen und Systemverbesserungen optimal weiterverwendet werden könnten, hieß es. Es werde aber auch Platz für neue technische Lösungen und Verbesserungen geschaffen wie etwa die Interoperabilität mit anderen Mautsystemen auf europäischer Ebene. Die offizielle Maßgabe der ASFINAG lautet: "Das wichtigste Ziel für die ASFINAG mit dem neuen Mautsystem bleibt, weiterhin ein zuverlässiges und qualitativ hochwertiges Mautsystem mit hoher Benutzerfreundlichkeit und Datensicherheit für unsere Kundinnen und Kunden anzubieten, welches wirtschaftlich und kosteneffizient weitergeführt werden kann."

"Dieser Auftrag unterstreicht das nachhaltige Qualitätsversprechen an unsere Kunden", betonte Telekom-Vorstand und T-Systems-Chef Reinhard Clemens. Es sei ein weiterer Erfolg im Mautumfeld nach Zuschlägen beim Aufbau und Betrieb des Mautsystems in Deutschland und in Belgien. Ab Anfang 2018 ist T-Systems dafür zuständig, die Mautdaten auf SAP-Basis aufzubereiten und auszuwerten. T-Systems betreibt dafür ab 2018 die Hardware in einem eigenen Rechenzentrum im T-Center in Wien und verantwortet dort die bestehende SAP und Oracle-Software. Ein eigenes Spezialistenteam werde bestehende Applikationen anpassen, weiterentwickeln und modernisieren, hieß es von Seiten des deutschen Dienstleisters.

Telekom Vorstand Reinhard Clemens spricht von einem weiteren Erfolg im Mautumfeld.
Telekom Vorstand Reinhard Clemens spricht von einem weiteren Erfolg im Mautumfeld.
Foto: Deutsche Telekom

Pannen und Verzögerungen wird sich T-Systems nicht erlauben dürfen. Schließlich finanziert die ASFINAG den Autobahnausbau und die Straßenerhaltung ausschließlich aus Mauteinnahmen. Im vergangenen Jahr hat die Maut für Lkws über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht und für Busse 1,253 Milliarden Euro in die Kassen der Autobahn-Holding gespült.

Streit zwischen Bund und Toll Collect schwelt weiter

Hierzulande war die Einführung der Lkw-Maut kurz nach der Jahrtausendwende überaus holprig verlaufen und das Konsortium Toll Collect rund um Daimler und die Deutsche Telekom hatte sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Klagen und technische Probleme hatten den Start um Jahre verzögert. Die Querelen laufen bis heute. Seit 2005 wird ein Schiedsverfahren zwischen Toll Collect und dem Bund verhandelt. Der Bund fordert wegen der Verzögerungen Schadensersatz in Milliardenhöhe. Toll Collect weist die Vorwürfe zurück. Das Verfahren soll bereits mehr als 130 Millionen Euro gekostet haben. Experten gehen davon aus, dass die Sache frühestens 2017 zu einem Abschluss kommen wird.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) steht in der Kritik, weil sein Ministerium den Maut-Folgeauftrag in Sachen Bundesstraßen über eine halbe Milliarde Euro freihändig an Toll Collect vergeben hat.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) steht in der Kritik, weil sein Ministerium den Maut-Folgeauftrag in Sachen Bundesstraßen über eine halbe Milliarde Euro freihändig an Toll Collect vergeben hat.
Foto: BMVI

Darüber hinaus gibt es aber auch noch an anderer Stelle Ärger. Ab Mitte 2018 soll die LKW-Maut in Deutschland auch auf Bundesstraßen ausgeweitet werden. Damit wären auf bundesdeutschen Straßen statt den bisherigen 12.700 Kilometer rund 40.000 Kilometer mautpflichtig. Die geplante Ausweitung des Systems soll ab Juli 2018 zwei Milliarden Euro pro Jahr an zusätzlichen Einnahmen bringen. Doch um die Vergabe gibt es Streit. Ende Juni dieses Jahres hat die Bundesregierung den Folgeauftrag mit einem Volumen von rund einer halben Milliarde Euro mehr oder weniger freihändig an Toll Collect vergeben. Ein entsprechender Vertrag sei unterzeichnet worden, hatte das Verkehrsministerium mitgeteilt. Doch gegen dieses Vorgehen hatte sich im Vorfeld Widerstand geregt. Es fehle die Rechts- und Vertragsgrundlage, kritisierte der Verkehrsexperte der Linken im Bundestag, Herbert Behrens. "Das ist Haushaltspolitik in Wildwest-Manier."

Wer betreibt das deutsche Mautsystem ab Mitte 2018

Gegen die Vergabepraxis, die Ausweitung des Mautsystems nicht europaweit auszuschreiben, und die exklusiven Verhandlungen des Verkehrsministeriums mit der Toll Collect GmbH hatte auch das österreichische Unternehmen Kapsch TrafficCom geklagt, war damit aber gescheitert. Die freihändige Vergabe sei nach dem Spruch der zweiten Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 18.02.2016, VK 2-137-15) zulässig. Toll Collect stünden in diesem Fall Ausschließlichkeitsrechte zu - insbesondere Urheberrechte an der Software des Systems und das Eigentum an Anlagen und Einrichtungen. Demnach sei rechtlich allein Toll Collect in der Lage, die geplante Ausdehnung der Lkw-Mautpflicht bis Mitte 2018 technisch durchzuführen, hieß es.

Welche Folgen diese Entscheidung auf den weiteren Betrieb des deutschen Mautsystems hat, ist derzeit nicht abzusehen. Der Gesamtvertrag von Toll Collect mit dem Bund läuft im August 2018 aus. Der Betrieb des Systems muss daher europaweit neu ausgeschrieben werden. Laut einer Vorinformation des Bundesverkehrsministeriums soll die Ausschreibung im Oktober dieses Jahres beginnen. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes will angesichts der jüngsten Entscheidung des Verkehrsministeriums nicht davon sprechen, dass der Bund der Toll Collect GmbH einen Wettbewerbsvorteil für die Neuausschreibung verschafft habe. Offenbar sehen die Pläne der hiesigen Politiker so aus, dass Interessenten den bisherigen Betreiber Toll Collect kaufen und damit ab 1. September 2018 selbst als Maut-Betreiber auf den deutschen Straßen fungieren.