Synergie zwischen Theorie und Praxis

03.05.2006
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Was macht eine gute Hochschule aus? Für den Informatikstudenten Andreas Schäfer gehören die Betreuung durch die Lehrenden und der Brückenschlag zur Praxis dazu. An der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hat er beides gefunden.

YOUNG PROFESSIONAL: Praxisbezug schreiben sich mittlerweile immer mehr IT-Studiengänge auf die Fahnen. Wo haben Sie in Ihrem Informatikstudium die Verbindung zwischen Theorie und Praxis erlebt?

SCHÄFER: Dafür gibt es mehrere Beispiele. So organisiert Professor Wilhem Rossak, Lehrstuhlinhaber für Softwaretechnik, jedes Semester ein neues Projekt, um uns Studenten zu zeigen, wie sich "richtiges" Software-Engineering anfühlt. Darin spielt ein Studententeam den Softwarehersteller und Mitarbeiter des Lehrstuhls stellen die Kunden dar. Die Projekte werden für die Praxis entworfen, und den Schein bekommt man nur, wenn der Kunde das, was man entwickelt hat, auch benutzen kann. Unser Team entwickelte ein System, mit dem der Lehrstuhl seinen Buchbestand und Verleihvorgänge über das Intranet verwalten kann. Kommilitonen von mir arbeiteten an einem Projekt für das Jenaer Akademische Auslandsamt.

YP: Lassen sich auch Grundlagen wie Algorithmen anschaulich vermitteln?

SCHÄFER: Ja. Professor Ingo Althöfer lehrt "Diskrete Optimierung". Das klingt zunächst recht trocken und ist auch eine komplexe Materie. In seiner Freizeit erfindet er Brettspiele. In seinen Vorlesungen kombiniert er manchmal beide Interessen. Durch die mathematische, kombinatorische Analyse von Spielen haben wir mehr über Optimierungsalgorithmen und Entscheidungsunterstützung gelernt als durch Rechenaufgaben.

YP: Die Universität Jena ist auch eine der Partneruniversitäten von IBM. Wie können die Studenten von der Partnerschaft profitieren?

SCHÄFER: Die engen Kontakte erleichtern es, zum Beispiel im Rahmen eines Praktikums, in die Praxis hereinzuschnuppern. Ich selbst habe im vergangenen Jahr beim "Extreme Blue" Praktikantenprogramm der IBM teilgenommen und durfte zwölf Wochen im Böblinger Forschungslabor mit drei Kommilitonen an einer Grid-basierten Middleware für Monte-Carlo-Simulationen arbeiten. Es bieten sich auch gute Möglichkeiten für Auslandspraktika: Im Laufe der Jahre waren mehr als ein halbes Dutzend Jenaer Studenten bei IBM in San Jose, dem Mekka der Datenbankforschung und -entwicklung.

YP: Viele Ihrer Professoren haben auch schon in der Wirtschaft gearbeitet. Ist das für die Studenten von Vorteil?

SCHÄFER: Ja, auf jeden Fall. Neben Exkursionen in die IT-Wirtschaft haben wir auch die Möglichkeit, Industriezertifikate kostenlos zu erwerben. An den Lehrstühlen Softwaretechnik sowie Datenbanken und Informationssysteme sind Studien- und Diplomarbeiten in und mit der Praxis eher die Regel als die Ausnahme. Darüber hinaus werden die Absolventen bei der Stellensuche vom jeweiligen Lehrstuhl unterstützt. Und auch die Kontakte zu den Alumni werden gepflegt, so dass ein gutes Netzwerk entstehen kann.

YP: Warum ist für Sie der Praxisbezug so wichtig?

SCHÄFER: Durch die Verbindung von Theorie und Praxis wird man so nicht nur auf das Berufsleben vorbereitet, sondern begreift auch die Unterschiede zur Theorie besser. Nur wenn man diese gut kennt, kann man letztlich gute wissenschaftliche Forschungsergebnisse erzielen.

YP: Kann man denn auch während des Studiums selber forschen?

SCHÄFER: Einen klassischer Einstieg ist beispielsweise eine so genannte Hiwi-Stelle. In der Arbeitsgruppe von Professor Dietmar Fey durfte ich zum Beispiel eigenverantwortlich an Forschungsthemen mitarbeiten. Das war ungemein motivierend. Kaffee kochen oder Kopieren musste ich nie.