Linux-Scharmützel

Suse kündigt Fork von RHEL an

11.07.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Suse hat einen frei verfügbaren Fork von Red Hat Enterprise Linux (RHEL) angekündigt. Die Nürnberger wollen mehr als zehn Millionen Dollar in die RHEL-kompatible Distribution stecken.
Suse nutzt die Tatsache, dass Red Hat die Open-Source-Community vor den Kopf stößt.
Suse nutzt die Tatsache, dass Red Hat die Open-Source-Community vor den Kopf stößt.
Foto: Dennis Diatel - shutterstock.com

Nachdem die IBM-Tochter Red Hat vielen Kunden mit der Ankündigung vor den Kopf gestoßen hatte, die Downstream-Quellen seiner Distribution nicht mehr zu veröffentlichen, springt nun Suse mit einem Fork in die Bresche. Der neue CEO Dirk-Peter van Leeuwen lässt sich in einer Mitteilung wie folgt zitieren: "Seit Jahrzehnten sind Zusammenarbeit und gemeinsamer Erfolg die Bausteine unserer Open-Source-Community. Wir haben die Verantwortung, diese Werte zu verteidigen." Kunden und Community dürften nicht an einen bestimmten Anbieter gebunden sein, sie müssten "auch morgen noch eine echte Wahl haben."

Suse wird parallel dazu weiter in seine Linux-Lösungen SLE und openSUSE investieren, auf die sich viele Unternehmenskunden und auch große Teile der Community stützen. Erst einmal liegt nun aber das Augenmerk auf einer langfristigen und dauerhaft kompatiblen Alternative für RHEL- und CentOS-Benutzer, die in Zusammenarbeit mit der Community entwickelt werden soll. Das Projekt soll in eine Open-Source-Stiftung eingebracht werden, die den freien Zugang zum Open-Source-Code sicherstellen soll.

Chance für eine Attacke auf Red Hat

"Wir laden die Community ein, sich aktiv an der Weiterentwicklung dieser wichtigen Software zu beteiligen", sagt Suse-Technikchef Thomas Di Giacomo. Die RHEL-kompatible Linux-Distribution solle zusammen mit dem Suse-Portfolio Kunden und Community helfen, Fortschritte in Bereichen wie Enterprise Linux, Cloud Computing, Containerisierung, Edge, AI/ML und anderen aufkommenden Technologien zu erzielen.

Mit der Entscheidung, die Downstream-Quellen der Distribution nicht mehr zu veröffentlichen, hatte Red Hat Verunsicherung und Ärger in der Open-Source-Gemeinde ausgelöst. Projekte wie Rocky Linux, AlmaLinux und auch der Oracle-Konzern wollten freie Alternativen bieten, die mit RHEL bitgenau kompatibel bleiben sollten. Ohne die Downstream-Quellen schienen diese Vorhaben allerdings bedroht, auch wenn manche Entwickler erklärt hatten, die hätten einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden. Die Existenz der deckungsgleichen Distributionen ist nun gefährdet, da die Anbieter neue Quellen für die RPM-Pakete (RPM = Red Hat Package Manager) finden müssen, die für RHEL-Kunden so wichtig sind.

Red Hat will die Downstream-Quellen für RHEL nicht mehr veröffentlichen - was den Anbietern vollkompatibler Linux-Varianten besonders weh tut.
Red Hat will die Downstream-Quellen für RHEL nicht mehr veröffentlichen - was den Anbietern vollkompatibler Linux-Varianten besonders weh tut.
Foto: tomeqs - shutterstock.com

Also steigt Suse in den Ring, noch dazu mit einem Investment von mehr als zehn Millionen US-Dollar. Zudem stellen die Franken das Projekt unter das Dach einer nicht näher beschriebenen Open-Source-Stiftung. Alle Fragen kann auch der neue CEO van Leeuwen in seinem Blogbeitrag nicht beantworten. Immerhin taucht in einer Pressemitteilung Gregory Kurtzer auf, der Gründer von Rocky Linux. Er begrüßt das Vorhaben und kündigt an, seine Firma CIQ werde mit Suse zusammenarbeiten. (hv)