Lizenzmodelle in der Kritik

Streit zwischen Oracle und seinen Kunden verschärft sich

06.07.2017
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Anwendervertreter sprechen von einem nicht mehr akzeptablen Verhalten und drohen mit Konsequenzen. Oracle irgnoriere seine Kunden, die über Lizenzmodelle und -verträge sprechen wollten, hieß es. Mehr als die Hälfte plane bereits den Exit, um Oracle-Software abzulösen, hat eine Umfrage ergeben.

Der Streit zwischen Oracle und seinen Kunden eskaliert. So werfen die französische Anwendervereinigung CIGREF sowie die übergeordnete European CIO Association, in der neben dem CIGREF auch der deutsche VOICE sowie CIO-Vertretungen aus Belgien, Bulgarien, Griechenlang, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, der Türkei und Ungarn vertreten sind, dem US-amerikanischen Datenbankkonzern vor, die Beziehungen zu seinen Kunden massiv zu beschädigen. Es sei eine deutliche Verschlechterung der Beziehungen sowie der vom Anbieter gelieferten Services festzustellen, heißt es in einer offiziellen Verlautbarung der beiden Organisationen.

Zwischen Oracle und seinen Kunden gibt es Streit.
Zwischen Oracle und seinen Kunden gibt es Streit.
Foto: rangizzz - shutterstock.com

Augenscheinlicher Beleg dafür sei, dass Oracle bis heute nicht auf eine Anfrage von CIGREF und EuroCIO vom 25. Februar 2016 geantwortet habe. Darin hatten die Verbände gebeten, über die Lizenzkonditionen in virtualisierten Umgebungen sprechen zu wollen, um eine einvernehmliche Lösung auszuhandeln. Dieses Vorhaben habe man nun aufgegeben, so die resignierte Reaktion der Verbände. Angesichts des Dialogabbruchs seitens Oracles, können Cigref und EuroCIO das Marktverhalten Oracle nur als unakzeptabel verurteilen, heißt es in der offiziellen Mitteilung.

Oracle muss Konsequenzen fürchten

Oracle hat den Bogen allem Anschein nach überspannt. Die Anwendervertreter machten deutlich, dass das Verhalten des Softwarekonzerns Konsequenzen haben wird und verweisen in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage, die Ende 2016 unter über 100 europäischen CIOs durchgeführt wurde. Laut den Ergebnissen des "Supplier Satisfaction Survey" beklagten acht von zehn IT-Verantwortlichen, die Oracle-Verträge böten nicht genügend Flexibilität. Drei von vier Befragten gaben an, gleiches gelte grundsätzlich für die Lizenzmodelle des Softwareherstellers. Infolgedessen würden 60 Prozent der CIOs lieber auf Softwareprodukte andere Hersteller zurückgreifen, mehr als die Hälfte arbeite bereits an konkreten Exit-Strategien, um Oracle-Produkte abzulösen.

Auf den erst seit Anfang Juni amtierenden neuen Deutschland-Geschäfstführer von Oracle Kenneth Johansen könnten ungemütliche Zeiten zukommen.
Auf den erst seit Anfang Juni amtierenden neuen Deutschland-Geschäfstführer von Oracle Kenneth Johansen könnten ungemütliche Zeiten zukommen.
Foto: Oracle

Angesichts dieser Situation werde man diejenigen Unternehmen, die Oracle den Rücken kehren wollen, beraten und unterstützen, ließen die CIGREF-Verantwortlichen durchblicken. Ganz zuschlagen will man die Tür allerdings nicht. Trotz aller Kritik würde man sich seitens der Anwendervertreter wünschen, langfristig wieder einen Dialog mit dem Softwareanbieter führen zu können, hieß es.

DOAG unterstützt die Kritik

Die DOAG unterstützt dieses Anliegen, verlautete von Seiten der Deutschen Oracle Anwendergruppe (DOAG). "Wir fordern schon lange von Oracle eine praktikable, allgemeingültige und dauerhafte Lösung, die von den Kunden gut umsetzbar ist", sagte Michael Paege, stellvertretender Vorsitzender der Doag und Leiter des Competence Center Lizenzierung. "Zu diesem Thema haben wir schon eine Vielzahl von Gesprächen geführt und auch konkrete Vorschläge gemacht. Bisher wurden sowohl die DOAG als auch die Kunden mit Hinweis auf neu kommende Verträge („Accelerated Buying Experience“) hingehalten. Die Ankündigungen im Frühjahr letzten Jahres haben jedoch noch nicht zu neuen Vertragswerken und neuen Regelungen geführt." Stand heute sei seitens Oracle im Prinzip alles noch so wie vorher, echte Lösungen scheinen von Oracle nicht gewollt zu sein, lautet das Fazit der Anwendervertreter.

Paege erklärt weiter: "Das VLAN-Approval ist ein Workaround – für einzelne Kunden ist es eine Lösung, die kurzfristig funktioniert. Aus DOAG-Sicht ist es allerdings keine zufriedenstellende Lösung, weil sie nicht allgemeingültig ist. Stattdessen muss sie bei jedem einzelnen Kunden genehmigt werden. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass sie meist nicht kostenlos ist, weil man nur in den seltensten Fällen das VLAN-Approval erhält, ohne dass man zusätzlich etwas bei Oracle kauft."

Stein des Anstoßes: virtualisierte Umgebungen

Auch in Deutschland schwelt bereits seit Jahren der Ärger über Oracles Lizenzpolitik. Zum Hintergrund: Die gängigen x86-Virtualisierungslösungen wie VMware, Hyper V und Xen stuft Oracle nur als Soft-Partitioning ein. Dies hat zur Folge, dass die Oracle-Produkte für den kompletten Server beziehungsweise Server-Verbund in Lizenz genommen werden müssen, auch wenn die entsprechenden Oracle-Produkte nur auf einer kleinen Partition mit einer begrenzten Zahl zugewiesener Prozessoren laufen.

Im x86-Umfeld sind nur die Oracle VM und die seit der Übernahme von Sun Microsystems mittlerweile ebenfalls zu Oracle gehörenden Solaris Container als Hard-Partitioning anerkannt, so dass bei diesen beiden Virtualisierungslösungen nur die jeweils dediziert zugewiesenen Prozessoren lizenziert werden müssen.

Es herrschen Besorgnis und Unsicherheit

Diese unterschiedliche Einordnung von Virtualisierungslösungen verschiedener Hersteller steht seit Jahren in der Kritik, wie Umfragen der DOAG wiederholt gezeigt haben. Lizenzspezialist Paege sprach von einer enormen Besorgnis und Unsicherheit, die im Hinblick auf Oracles Lizenzierungsregeln herrschten, was den Einsatz von Virtualisierungslösungen betreffe.

"Das Ergebnis der Umfrage ist für uns dramatisch und zeigt sehr deutlich, dass viele Anwender die Lizenzierungsregelungen für Virtualisierungsumgebungen nicht mehr akzeptieren und sich der drohenden teuren Nachlizenzierung für Oracle-Datenbanken entziehen möchten", ergänzte Dietmar Neugebauer, damals noch Vorsitzender DOAG, das Ergebnis. Mehr als jeder Dritte der rund 600 befragten Nutzer spiele mit dem Gedanken, Oracle-Produkte ganz abzulösen.

Schlechtere Supportqualität befürchtet

Auch mit ihrer Support-Politik haben sich die Oracle-Verantwortlichen hierzulande keine Freunde gemacht. Im vergangenen Jahr hat Oracle seine Supportzentren in Westeuropa geschlossen und den Kundendienst nach Rumänien verlagert - in erster Linie um damit Kosten sparen. Hunderte von Stellen wurden gestrichen. Die Anwender befürchteten, dass damit die Support-Qualität schlechter wird.

DOAG Support Umfrage 2016
DOAG Support Umfrage 2016
Foto: DOAG

Vertreter der DOAG bedauerten offen, dass Oracle Deutschland sich von vielen langjährigen Mitarbeitern verabschiedet und dadurch sehr viel Know-how in Deutschland verloren geht. Schon in den Jahren zuvor fielen Umfragen der Oracle-Anwender zur Supportqualität ihres Softwarelieferanten meist wenig schmeichelhaft aus. 2010 erhielt Oracle im Fach Support nur von jedem fünften seiner hiesigen Kunden die Note gut. Etwas mehr als die Hälfte gab ein befriedigend und fast ein Viertel der befragten Anwender monierte, der Oracle-Support sei schlichtweg schlecht.