ServiceNow wolle Dreh- und Angelpunkt für das Management von Prozessen im gesamten Unternehmen sein. Das gelte in Krisenzeiten noch mehr als früher, betonte Dave Wright, Chief Strategy Officer des US-Softwarehauses, zum Auftakt der virtuellen Kundenkonferenz Now at Work 2020.
"Die Krise hat uns mit voller Wucht getroffen"
Angesichts der durch die Corona-Pandemie durcheinandergewirbelten Lebens- und Arbeitsbedingungen müssten viele Betriebe ihre gesamte Organisation und die gewohnten Abläufe auf den Prüfstand stellen. Laut Wright müssen sich Unternehmen genau überlegen, was Arbeit in ihrem Unternehmen bedeutet. Durch die Entkoppelung des "Wo" vom "Wie" würden bisherige Paradigmen plötzlich ungültig.
Die damit verbundenen Veränderungen sorgten erst einmal für Verunsicherung, sagte Detlev Krause, Deutschland-Geschäftsführer von ServiceNow. Er nahm das eigene Unternehmen davon nicht aus: "Die Krise hat uns mit voller Wucht getroffen". Für den IT-Anbieter habe von Anfang die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter an erster Stelle gestanden. Rund 12.000 Beschäftigte seien von heute auf morgen ins Homeoffice gewechselt. Um keine Ängste aufkommen zu lassen, habe das Management frühzeitig kommuniziert, dass keine Jobs abgebaut würden, berichtete Krause. Auch das habe dazu beigetragen, dass die Umstellung gut funktioniert habe.
Wright bemühte sich, ServiceNow als "Stoßdämpfer für die digitale Transformation " zu positionieren. Egal ob die Unternehmen noch eine veraltete Legacy-Infrastruktur oder schon eine etablierte Cloud-Strategie hätten: Es sei in jedem Fall sinnvoll, die Workflows gut zu organisieren und für Kunden, Mitarbeiter und Partner eine optimale Experience zu schaffen. Damit könnten Unternehmen insgesamt signifikante Produktivitätsfortschritte machen.
Die "Entgrenzung der Arbeit" findet statt, aber nur im kleinen Rahmen. Die meisten Menschen arbeiten so wie immer.
Viele skeptische Führungskräfte haben ihre Meinung im Laufe der Krise revidiert. Allerdings müssen sie noch an ihrem Führungsverhalten arbeiten.
Die Betreuungssituation daheim hat einige Mitarbeiter stark beansprucht.
Lehren aus Corona: Das Misstrauen gegenüber dem Homeoffice ist gesunken. Außerdem wollen Unternehmen ihre Dienstreisen reduzieren.
Laptops, VPN-Zugänge, Videokommunikation – die in der Corona-Krise unentbehrlich gewordene technische Ausstattung war meistens schon vorhanden.
Die Plattform der Plattformen
Basis dafür soll die Plattform von ServiceNow sein, der Anbieter spricht von seiner "Platform of Platforms". Diese könne das Workflow-Management vereinfachen, führte Robert Teed aus, Vice President für den Bereich Corporate Services. Angesichts der veränderten Arbeitsbedingungen und der komplizierter IT-Infrastrukturen aus On-premises- und Cloud-Komponenten gebe es immer mehr Variablen für die Steuerung von Workflows, was die Komplexität erhöhe. Genau hier setze ServiceNow an, man wolle die Workflow-Verwaltung vereinfachen, sagte Teed.
Dafür baut ServiceNow kontinuierlich seine Plattform aus. Erst Mitte September wurde mit "Paris" das nächste Release präsentiert. Die neuen Funktionen adressieren hauptsächlich Herausforderungen wie Agilität und Resilienz. Drei Themen seien dabei im Fokus gestanden, berichtete ServiceNow-Manager Wright.
Für das Business Continuity Management soll die Plattform den Anwendern helfen Flaschenhälse zu identifizieren und Prozesse zu optimieren. Auch die "Safe Workplace Suite", die ServiceNow im Zuge der Coronakrise entwickelt hat und den Betrieben dabei helfen soll, eine Rückkehr ihrer Mitarbeiter in die Büros möglichst sicher und effizient zu steuern, soll zu einer besseren Business Continuity beitragen.
Um die Produktivität im eigenen Betrieb zu verbessern, können Anwender einen "Playbook-Designer für Workflows" nutzen, sagte Wright. Dort könnten sie unter anderem auf vorkonfigurierte Standard-Workflows, beispielsweise für das Onboarding neuer Mitarbeiter, zurückgreifen. Eine wichtige Rolle spielt das Thema künstliche Intelligenz, das ServiceNow tiefer und breiter aufgefächert in seiner Plattform verankern will. So sollen Anwender über eine "Predictive Intelligence Workbench" Schwachstellen in den eigenen Workflows entdecken und beheben können.
Für ein besseres Kosten-Management integriert der Anbieter diverse Funktionen, beispielsweise die für ein Hardware Asset Management. Firmen können damit den Lebenszyklus ihrer Hardware vom Kauf bis zur Entsorgung steuern. Für Transparenz in Sachen Cloud-Kosten offeriert ServiceNow die Funktion "Cloud Insights". Unter Berufung auf Gartner-Zahlen berichtete Wright, dass Unternehmen fast ein Drittel ihrer Cloud-Ausgaben verschwendeten. Inwieweit sich ServiceNow dabei mit seinen Cloud-Angeboten auch selbst in die Pflicht nimmt, bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit haben Anwender kritisiert, die Lizenzmodelle des Anbieters seien von Servicemodul zu Servicemodul sehr unterschiedlich, was den Durchblick im gesamten Lizenzmodell erschwere.
Auf der virtuellen Konferenz hatte ServiceNow eine Reihe von Kunden zu Gast, die über ihre Projekte berichteten. Claudia Plattner, CIO der DB Systel GmbH, erläuterte, dass die ehrgeizigen Zukunftspläne der Deutschen Bahn nur mit einer durchgängigen Digitalisierung aufgingen. Mit ServiceNow hat Plattner ein Digitalportal aufgebaut, in dem alle 300.000 Bahnmitarbeiter ihre IT-Einkäufe abwickeln könnten. Doch die Zusammenarbeit reicht mittlerweile über das klassische IT Service Management (ITSM) hinaus. In immer mehr Bahnhöfen gebe es Abholstationen, berichtete Plattner. Nutzer könnten ihre Schließfächer per Smart-Locker-App öffnen. Das User Interface dafür stamme von ServiceNow.
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DB Systel hat einen Rahmenvertrag mit dem US-Anbieter geschlossen, um weitere Möglichkeiten in Sachen Service Management auszuloten. Kunden erwarteten neben einem robusten Bahnbetrieb eine moderne Ansprache, formuliert Plattner ihre Erwartungen an die künftige IT-Infrastruktur. Gerade in der Krise habe sich darüber hinaus gezeigt, wie wichtig Agilität und Flexibilität seien. Das Fundament dafür bilde eine gute Integrationsfähigkeit sowie die Digitalisierung.
- Pierre-André Aeschlimann, Cherwell
„Im Mittelpunkt stehen die End-User. Die Mitarbeiter wollen alle Funktionen am besten auf einer benutzerfreundlichen Service-Plattform über ein Self-Service-Portal nutzen. Die ESM-Plattform integriert alle Kern-IT-Systeme des Unternehmens und automatisiert die Prozesse durchgehend über alle Systeme hinweg. Dadurch lässt sich auch Schatten-IT vermeiden.“ - Patrick Büch, FNT
„Ich denke, dass sich Firmen sehr wohl in allen Unternehmensbereichen mit Prozessoptimierung und Digitalisierung beschäftigen. Allerdings haben noch nicht alle Bereiche den Service-Gedanken verinnerlicht. Das Thema ESM hat deshalb oft nicht die Priorität, die es haben sollte, und wird nicht von allen Abteilungen als Lösung angesehen.“ - Michael Geyer, Omninet
„Dokumentierte und automatisierte Geschäftsprozesse, wie sie im IT-Service-Management stattfinden, bringen einem Unternehmen vielfachen Nutzen. Nehmen wir als Beispiele das On-& Off-Boarding in der HR-Abteilung, das Reservieren eines Dienstwagens oder das Freigeben von Dokumenten. Ein gestraffter, fehlerfreier und schließlich automatisierter Prozess entlastet alle Beteiligten und sorgt für effizienteres Arbeiten, das zufriedener macht.“
Wildwuchs im Servicemanagement
Die virtuelle Veranstaltung zeigte denn auch, dass sich das Einsatzgebiet für die ServiceNow-Plattform ständig vergrößert. Es reicht vom klassischen ITSM bis hin zur Workflow-Steuerung in Bereichen wie der Finanz- und der Personalabteilung. Beispielsweise hat Munich Re sein ITSM komplett runderneuert. Richard Fothergill, seit Juni vergangenen Jahres verantwortlich für das Service Management des Münchner Rückversicherers, räumte dafür kräftig auf. Die Systeme, die der Manager eigenen Angaben zufolge vorfand, seien stark angepasst und fragmentiert gewesen - darunter auch verschiedene veraltete ServiceNow-Releases und Legacy-Servicemanagement-Tools von Drittanbietern. Die Folge: Fehlende Transparenz, eine mäßige Kontrolle über die Prozesse und aus dem Ruder laufende Kosten. "Wenig schmeichelhaft für ein renommiertes Unternehmen aus dem Finanzsektor", so Fothergill.
Der Manager konsolidierte und standardisierte die Systeme auf einer aktualisierten zentralen ServiceNow-Plattform - Release-Stand "New York". Er plant, in Kürze auf die aktuelle Paris-Version zu migrieren. In dieser konsolidierten Instanz hat Fothergill alle am Service-Management beteiligten Applikationen integriert. Außerdem gibt es nurmehr eine zentral gepflegte CMDB als "Golden Source". Das Vorhaben wurde innerhalb von neun Monaten über die Bühne gebracht - trotz aller Corona-Unruhen. Die Vorteile sind bereits spürbar: So habe sich die Anwenderzufriedenheit deutlich verbessert, berichtete der Manager. Es gebe mehr Transparenz bezüglich der Ticket-Status. Außerdem arbeite der Helpdesk mit Hilfe von Automatisierung effizienter, was künftig über Self-Service-Möglichkeiten noch weiter ausgebaut werden soll.
ServiceNow bilde heute eine strategische Plattform für den Versicherer, sagte Fothergill. Darauf würden auch andere Abteilungen im Konzern aufmerksam. Viele fragten, welche Aufgaben ServiceNow in ihren Bereichen abdecken könne. Man werde deshalb ausloten, was noch alles möglich ist, kündigte der Manager an.
Finance, HR, ... ausloten was geht
Das ist in anderen Unternehmen schon geschehen. Coca-Cola European Partners, ein Zusammenschluss von 13 europäischen Landesorganisationen des US-Getränkeherstellers, setzt ServiceNow in der IT für das Incident-, Change- und Problem-Management sowie für das Projektmanagement ein. Darüber hinaus kommt die Plattform in Deutschland noch für den Customer Service, das Finanzwesen und Human-Resources-Belange zum Einsatz. Mittlerweile baut auch das europäische Shared Service Center im Finance-Bereich auf ServiceNow und wickelt über die Plattform Abläufe rund um Buchhaltung, Rechnungsstellung und Zahlungsverkehr ab, erläuterte Martha Merk, Associate Director IT Business Partner Shared Services bei Coca-Cola European Partners.
Beim Pharmariesen Novartis will Holger Ness, verantwortlich für den Bereich Personal & Organisation, mit Hilfe der Plattform sämtliche Workflows für die Administration der über 100.000 Köpfe zählenden Belegschaft soweit wie möglich automatisieren und damit einfacher und smarter für die User machen. Das reicht vom Onboarding neuer Mitarbeiter bis zu deren Ausscheiden aus dem Betrieb und umfasst die klassischen HR-Bereiche wie Payroll, Zeitmanagement und Weiterbildung, erläuterte Ness.
Diese Beispiele zeigen, wie der digitale Wandel Workflows und Prozesse in den Unternehmen verändert. Hinsichtlich der Transformation sei die Frage nicht mehr "ob", sondern "wie" beziehungsweise "wie schnell" es geht, sagte ServiceNow-Deutschland-Chef Krause. Er beobachte, dass immer mehr Betriebe das Handling von Workflows ganzheitlich betrachteten und sich über das IT-Service Management hinaus mit dem Thema Enterprise Service Management (ESM) auseinandersetzten.