Quanten-CPUs unter Beschuss

Stören kosmische Strahlen Quantencomputer?

16.12.2021
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Kosmische Strahlen stören wohl die Fehlerkorrektur von Quantencomputern. Dies könnte die Rechenleistung minimieren.
Forscher haben bei Messungen mit einem Google-Quantenprozessor festgestellt, dass kosmische Strahlung die Fehlerkorrektur der CPU stört.
Forscher haben bei Messungen mit einem Google-Quantenprozessor festgestellt, dass kosmische Strahlung die Fehlerkorrektur der CPU stört.
Foto: Google Quantum AI

Eine zuverlässige Fehlerkorrektur ist eine der großen Herausforderungen, um Quantencomputer alltagstauglich zu machen. Doch genau auf diesem Gebiet mussten Forscher nach einem Bericht von ars TECHNICA nun einen Rückschlag verzeichnen. So fiel bei Tests der Fehlerkorrektur des Google-Quantenprozessors das gesamte Fehlerkorrekturverfahren sporadisch aus. Sie schrieben dies der Hintergrundstrahlung zu, einer Kombination aus kosmischer Strahlung und dem gelegentlichen Zerfall eines natürlich vorkommenden radioaktiven Isotops.

Wie ars TECHNICA und Nature Physics berichten, kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die von der kosmischen Strahlung verursachten Probleme häufig genug auftreten, um fehlerbereinigte Quantenberechnungen zu verhindern. Es müsse demnach ein Weg gefunden werden, um die Auswirkungen der Strahlung zu begrenzen. Kosmische Strahlung und Radioaktivität stellen auch für klassische Computer Probleme dar, da sie beim Auftreffen auf ein Material Ladungen induzieren und die Rechner genau damit arbeiten.

Strahlung stört Qubits

Qubits hingegen speichern Informationen in Form des Quantenzustands eines Objekts. Auch darauf wirkt sich die kosmische Strahlung aus, aber der Mechanismus ist ein völlig anderer. So erzeugt die kosmische Strahlung eine Schwingungsenergie, die in Form von so genannten Phononen auftritt. Diese können sich auch zu Quasiteilchen zusammenschließen. Die Quasiteilchen verursachen dann ein Chaos, da sie Energie mit der Quantencomputer-Hardware austauschen können. Würde es nur ein Qubit betreffen, wäre es kein Problem - denn dafür ist die Quantenfehlerkorrektur konzipiert.

Qubits im Fehlerzustand

Allerdings bereiten sich die Quasiteilchen um ihren Entstehungsort herum aus und beeinflussen mehrere Qubits. Das sollte ausreichen, um die Fehlerkorrektur zu stören. Um genau zu eruieren, was wirklich passiert, wählte das Google-Team 26 der am wenigsten fehleranfälligen Qubits in seinem Prozessor und versetzte sie alle in einen einzigen Quantenzustand. Dann ließen die Forscher den Prozessor für kurze Zeit im Leerlauf laufen und prüften, ob sich die Qubits immer noch in diesem Zustand befanden. Nachdem der Prozessor 100 Mikrosekunden lang im Leerlauf war, lag die typische Hintergrundfehlerrate bei etwa vier der 26 Qubits. Schlug kosmische Strahlung ein, endeten etwa 24 der Qubits im Fehlerzustand - obwohl jedes Qubit etwa einen Millimeter von seinen Nachbarn entfernt war.

Ein Umstand, der Konsequenzen haben könnte, da die Fehlerkorrektur darauf beruht, benachbarte Gruppen von Qubits so zu konfigurieren, dass sie als eine einzige logische Einheit agieren und die Quanteninformation vor Fehlern schützen, die einzelne Qubits betreffen. Im Fall der kosmischen Strahlung ist es jedoch wahrscheinlich, dass alle benachbarten Qubits zur gleichen Zeit Fehler aufweisen. Damit würde es keine realistische Möglichkeit geben, die Fehlerkorrektur unter diesen Umständen aufrechtzuerhalten. Die Schlüsselfrage ist nun, ob diese Ereignisse oft genug auftreten, um die Berechnungen zu beeinflussen. Wären sie selten, könnten Berechnungen, die einen Fehler enthalten, einfach verworfen und neu begonnen werden.

Von der Astronomie lernen?

Bislang konnten die Forscher diesbezüglich keine Entwarnung geben. So trat im Durchschnitt bei dem verwendeten Quantenprozessor alle 10 Sekunden ein Fehler auf. Und die meisten Algorithmen, die künftig auf Quantencomputern werden sollen, brauchen wahrscheinlich Stunden, bis sie fertig sind. Nun gibt es Überlegungen, ob nicht ein Rückgriff auf die Astronomie helfen könnte. Astronomen haben nämlich bei ihrerBildgebungshardware mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Sie veränderten die physikalische Struktur ihrer Detektoren, um die Ausbreitung von Phononen zu begrenzen. Ob dies auch bei Quantencomputern funktioniert, ist noch unklar.