Im Coronajahr hat sich die Stimmung bei den Startups in Deutschland eingetrübt, berichtet der IT-Branchenverband Bitkom. Wenige Monate vor der Bundestagswahl beklagte jeder fünfte Gründer, die Rahmenbedingungen für Geschäftsgründungen hätten sich verschlechtert. 39 Prozent gaben an, dass sich die allgemeine Lage für Startups in den vergangenen zwei Jahren verbessert habe. Ähnlich viele (35 Prozent) sehen die Situation unverändert. Vor einem Jahr hatte noch knapp die Hälfte der hiesigen Startups von einer verbesserten Lage gesprochen, gerade einmal acht Prozent von einer verschlechterten. Der Bitkom hat von Anfang März bis Mitte Mai dieses Jahres mehr als 200 Tech-Startups in Deutschland befragt, wie sie die Lage hierzulande generell einschätzen.
Gründerinnen und Gründer machen in erster Linie die Politik für die schlechtere Situation verantwortlich. Für die Startup-Politik in der laufenden Legislaturperiode vergeben die Startups der Umfrage zufolge nur die Durchschnittsnote "ausreichend" (4,2). Kein einziges Startup zeichnet die Maßnahmen der politisch Verantwortlichen hierzulande mit der Note "sehr gut" aus, nur drei Prozent sehen eine "gute" Startup-Politik in Deutschland. Aber mehr als jedes vierte Startup (28 Prozent) beklagt eine "mangelhafte" Politik, zwölf Prozent vergeben sogar die schlechteste Note – "ungenügend".
"Startups haben es schwer"
"Startups sind so herausragend wichtig für den Digitalstandort Deutschland, dass sie politisch noch stärker flankiert und unterstützt werden sollten", forderte Bitkom-Präsident Achim Berg. "Gerade in der Pandemie haben wir zudem gesehen, dass es Startups mit ihren Lösungen zum Beispiel für Bildung und Gesundheit immer noch extrem schwer haben, in Deutschland zum Zug zu kommen."
Das könnte auch daran liegen, dass deutsche Startups im vergangenen Jahr weniger Kooperationen mit etablierten Unternehmen eingehen konnten. Rund drei Viertel (76 Prozent) der Startups arbeiteten eigenen Angaben zufolge mit Mittelständlern oder Konzernen zusammen. Ein Jahr zuvor waren es noch 90 Prozent. Am häufigsten entwickeln Startups gemeinsam mit etablierten Betrieben neue Produkte und Dienstleistungen (54 Prozent). Nur jedes sechste (17 Prozent) gibt an, dass größere Unternehmen eine finanzielle Beteiligung bei ihnen halten. "In der Coronapandemie haben alle mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Auch wenn vieles im Alleingang schwieriger ist: Kooperationen wurden während Corona vernachlässigt – von beiden Seiten", stellte Bitkom-Mann Berg fest. "Dabei gilt es gerade in Krisenzeiten zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen."
Jedoch lohnen sich Kooperationen. Sechs von zehn Startups, die mit etablierten Unternehmen Produkte und Dienstleistungen entwickeln oder auf sonstige Art und Weise zusammenarbeiten, berichten von überwiegend positiven Erfahrungen. 61 Prozent konnten neue Kunden und Märkte erschließen und über die Hälfte (54 Prozent) ihr Produkt verbessern. Gut ein Viertel sagte allerdings, dass die etablierten Unternehmen mehr von ihnen profitierten als umgekehrt. Fast zwei Drittel der Startups beklagten zudem, dass die Prozesse bei den größeren Betrieben viel zu langsam und aufwendig liefen. Jedes vierte Startup hat die größeren Partner als arrogant erlebt. "Die Zusammenarbeit muss auf Augenhöhe stattfinden", erklärte Berg. "Sie ist dann besonders wertvoll, wenn man in der Lage ist, die eigenen Schwächen und die Stärken des Partners zu erkennen und anzunehmen."
Startups wollen Presse disziplinieren
Während die Startups über zu wenig Unterstützung jammern, sorgte jüngst der Beirat "Junge Digitale Wirtschaft", der 2013 vom damaligen FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler gegründet wurde und das Wirtschaftsministerium in Digitalfragen beraten soll, für negative Schlagzeilen. Um Startups besser bei Börsengängen zu unterstützen, forderte das Gremium eine Reihe von Maßnahmen seitens der Politik. Für eine ausgewogene Berichterstattung müsse die Politik Regeln erlassen, um einseitig diffamierende Artikel zu vermeiden. Die Presse solle verpflichtet werden, auch über kleinere Börsengänge zu berichten. Außerdem brauche es eine "Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information, bewehrt durch Pflicht zur unverzüglichen Gegendarstellung bei Fehlinformation".
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ordnete indes an, das Positionspapier des Beirats sofort aus dem Netz zu nehmen und betonte die Pressefreiheit als herausragendes Grundrecht. Die Autoren entschuldigten sich mittlerweile für ihren Angriff auf die Pressefreiheit und bemühen sich um Schadensbegrenzung. Die Forderungen entsprächen nicht der Position des Beirats. Dass diese an die Öffentlichkeit gelangt seien, liege an fehlerhaften Abstimmungsprozessen innerhalb des Gremiums. Das erklärt allerdings nicht, warum derart krude Forderungen überhaupt in den Startup-Kreisen diskutiert werden.