Beängstigende Fehlzeitanalyse von Führungskräften

Starker Anstieg psychischer Erkrankungen

06.11.2023
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Psychische Erkrankungen sorgen bei Führungskräften für die meisten Krankschreibungen, und die Fehltage aufgrund von Krebserkrankungen steigen überdurchschnittlich stark an, so eine aktuelle Studie.
Auch unter Führungskräften ist die Anzahl der Fehltage angestiegen, so dass Ärzte dringend empfehlen, in die eigene Gesundheit zu investieren.
Auch unter Führungskräften ist die Anzahl der Fehltage angestiegen, so dass Ärzte dringend empfehlen, in die eigene Gesundheit zu investieren.
Foto: Volodymyr TVERDOKHLIB - shutterstock.com

Jedes neue Jahr bringt Rekordwerte bei Krankschreibungen aufgrund psychischer Probleme. Eine wachsende Arbeitslast und toxische Chefs befeuern diese Entwicklung. Doch nicht nur Mitarbeitende sind immer stärker belastet. Auch die Vorgesetzten leiden unter dem wachsenden Druck im Arbeitsleben. Dies zeigt eine Untersuchung zu Fehltagen unter Beschäftigten in Führungspositionen von Don't Call Me Sick!, Anbieter eines berufsbegleitenden Coaching-Programms für Führungskräfte nach Krankheit.

Für die Analyse wurden Krankschreibungen aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen, Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes, endokrinen Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten, Erkrankungen des Kreislaufsystems, Neubildungen sowie Vergiftungen und Verletzungen untersucht. Als Datengrundlage dienten die Arbeitsunfähigkeitstage je Versichertenjahr (AU-Tage) der Techniker Krankenkasse (TK).

Hohe mentale Belastung bei Führungskräften

Kein anderer Diagnosebereich hat im untersuchten Zeitraum von 2018 bis 2022 einen so starken Anstieg von Fehltagen zu verzeichnen wie psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen. Die Fehlzeiten der untersuchten Führungskräfte stiegen im Untersuchungszeitraum von 2,38 AU-Tagen im Jahr 2018 um 17 Prozent auf 2,77 AU-Tage an. Damit liegt der Anstieg leicht unter dem Durchschnitt von 20 Prozent im gleichen Zeitraum für psychische Erkrankungen.

Überdurchschnittliche Steigerung von Krebsdiagnosen

In der Diagnosegruppe Neubildungen, zu denen Krebserkrankungen zählen, stiegen die Fehltage bei Führungskräften deutlich stärker an als im Gesamtvergleich. 2018 lag der durchschnittliche Wert bei 0,38 AU-Tagen unter den untersuchten Führungskräften, fünf Jahre später bei 0,52 AU-Tagen - das ist eine Steigerung um 37 Prozent. Bei allen Versicherten der Technikerkrankenkasse (TK) sind die Fehltage mit dieser Diagnose zwischen 2018 und 2022 nur um 4,9 Prozent von 0,51 AU-Tagen auf 0,54 AU-Tage gestiegen.

Systemrelevante Berufe besonders häufig betroffen

Von den Berufen, deren Daten ausgewertet wurden, haben vor allem systemrelevante Tätigkeiten hohe Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen. Führungskräfte aus der Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe hatten 2022 mit 4,9 AU-Tagen deutlich mehr Fehltage aufgrund von psychischer Belastung als die Gesamtheit der Versicherten (3,3 AU-Tage). Ebenso Führungskräfte aus den Bereichen Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege (3,8 AU-Tage) und Überwachung und Steuerung des Verkehrsbetriebs (4,4 AU-Tage).

Auch die körperliche Belastung systemrelevanter Berufe macht krank

Aber nicht nur die Psyche dieser Beschäftigten ist angegriffen. Auch bei Erkrankungen des Kreislaufsystems, zu denen Herzerkrankungen und Bluthochdruck gehören, sind Führungskräfte aus systemrelevanten Berufen besonders betroffen. Bei der Anzahl der AU-Tage aufgrund von Erkrankungen des Kreislaufsystems sind Führungskräfte aus der Gastronomie im vergangenen Jahr am stärksten betroffen (0,75 AU-Tage), gefolgt von Gartenbau (0,6 AU-Tage), Gesundheits- und Krankenpflege (0,54 AU-Tage), Erziehung (0,5 AU-Tage) und Verkauf (0,46 AU-Tage).

Fehlzeiten summieren sich zu hohen Kosten

Die durchschnittliche Falldauer für Krankschreibungen mit Diagnosen von psychischen Störungen lagen 2022 für TK-Versicherte bei 46 Tagen bei den Frauen und 47 bei den Männern. Bei einem jährlichen Bruttoeinkommen von 75.000 Euro für eine Führungskraft liegen bei 250 Arbeitstagen im Jahr die Lohnkosten bei 300 Euro pro Arbeitstag. Dieser Betrag summiert sich in den ersten sechs Wochen einer Krankschreibung auf 9000 Euro - nur für die Lohnfortzahlung. Weitere Kosten wie Umsatzeinbußen, Überstunden und Mehrbelastung der Belegschaft sind hier noch nicht enthalten.

"Die steigende Anzahl von Menschen mit Krebserkrankungen und psychischen Problemen ist alarmierend und deckt sich mit meinen Erfahrungen", so Frauke Bataille, Fachärztin und Mit-Gründerin von Don't Call Me Sick! Für Unternehmen bedeute diese Entwicklung, dass sie mehr in den Erhalt und die Wiederherstellung der Mitarbeitergesundheit investieren müssen.

Über die Untersuchung

Für die Untersuchung wurden Krankheitsdaten nach Tätigkeitsschlüsseln für Aufsichts- und Führungskräfte aus dem TK-Fehlzeitentool ausgewertet. Für die Analyse wurden die Berufe berücksichtigt, die vollständige abrufbare Datensätze zu den Gesamtzahlen, Männern und Frauen haben. Die über das Tool ausgegebenen Daten zu den Diagnosekapiteln endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten und Vergiftungen und Verletzungen sind unvollständig und wurden in der Analyse nicht berücksichtigt.

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