IT-Freiberufler-Studie 2016

Starke Nachfrage nach IT-Freiberuflern

14.03.2016
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Seit Jahren steigt die Bedeutung von Freiberuflern für die Unternehmens-IT. Eine aktuelle Studie der COMPUTERWOCHE zeigt, dass die Nachfrage nach externen Fachkräften ungebrochen ist. Auch die IT-Freelancer können dem Modell viel Positives abgewinnen. Lediglich die rechtliche Unsicherheit lastet auf dem Markt.

Deutsche Anwenderunternehmen können derzeit 25.500 offene IT-Stellen nicht besetzen, warnte der Branchenverband Bitkom im vergan­genen Herbst und ­folgerte: keine Digitalexperten, keine Digitalisierung. Solange Kandidaten für vakante Positionen Mangelware sind, müssen sich IT-Organisationen mit Freelancern behelfen. Zudem hat das Modell den Charme, dass sich Kompetenzen und Qualifikationen für die Dauer des Bedarfs gezielt beschaffen lassen. Kein Wunder: Die rund 100.000 IT-Freiberufler in Deutschland mit gefragten Qualifikationen haben seit Jahren Hochkonjunktur.

Freiberufler immer wichtiger

Bereits 2015 hatte die COMPUTERWOCHE in einer Untersuchung die steigende Bedeutung der Freiberufler bei den Auftraggebern belegt. Dieser Trend setzt sich auch im laufenden Jahr fort, so ein zentrales Ergebnis der "IT-Freiberufler-Studie 2016", die zur CeBIT vorgestellt wird. Dabei haben rund 44 Pro­zent der befragten Einsatzunternehmen angegeben, dass die Bedeutung von Freiberuflern für ihre IT in zwei Jahren groß bis sehr groß sein wird. Vor einem Jahr lag der Anteil bei lediglich 30 Prozent, und auch der Mittelwert verbesserte sich im Jahresverlauf signifikant. Weitere 23 Prozent messen Freelancern künftig eine "eher große" Bedeutung bei. Zudem geht nur noch jeder Achte heute davon aus, dass Frei­berufler in naher Zukunft keine oder eine eher geringe Bedeutung haben werden. Im Vorjahr hatten diese Ansicht noch 17 Prozent geteilt.

Die IT-Freiberufler-Studie 2016 wurde zur CeBIT vorgestellt.
Die IT-Freiberufler-Studie 2016 wurde zur CeBIT vorgestellt.

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Mixed Teams immer beliebter

Die Zusammenarbeit externer und interner Mitarbeiter scheint für alle Seiten eine gute Lösung zu sein, denn Auftraggeber wie IT-Freiberufler zeigen sich überwiegend zufrieden mit den "Mixed Teams". So streben mehr als 85 Prozent der befragten Firmen manchmal, häufig beziehungsweise immer gemischte Teams an. Im Gegenzug ist der Anteil der Auftraggeber, die Mixed Teams vermeiden, gegenüber 2015 deutlich auf nur noch 1,9 Prozent gesunken. Rund 57 Prozent der befragten Einsatzunternehmen sind zudem der Ansicht, dass sich der Anteil externer Fachkräfte künftig erhöhen wird, und knapp zwei Drittel der Auftraggeber sind zufrieden bis sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit in gemischten Teams. Nicht einmal vier Prozent der Befragten sind unzufrieden. Bei den Freelancern bewertet jeder 20. die Zusammenarbeit in Mixed Teams als eher schlecht, für mehr als 78 Prozent funktioniert die Zusammenarbeit gut bis sehr gut.

Freiberufler und Angestellte arbeiten oft in gemischten Teams Seite an Seite.
Freiberufler und Angestellte arbeiten oft in gemischten Teams Seite an Seite.
Foto: LOFTFLOW - shutterstock.com

Bei den bevorzugten Rekrutierungswegen der Auftraggeber hat es dieses Jahr einige Ver­schie­bungen in den Werten gegeben. Der direkte Auftrag an Freelancer aus dem persönlichen Netzwerk liegt mit 41 Prozent weiter an der Spitze. Hierbei zählen vermeintliche Kosteneinsparungen und persönliches Vertrauen in die Person sowie ihre Kompetenzen. Über Personaldienstleister beziehungsweise Vermittler führt der zweitwichtigste Weg mit 20,7 Prozent. Beide Modelle haben gegenüber dem vergangenen Jahr jedoch einige Prozentpunkte eingebüßt. Die klassischen IT-Dienstleister konnten bei der Rekrutierung von Freiberuflern hingegen leicht hinzugewinnen, ihr Wert war im ­Vorjahr allerdings deutlich zurückgegangen. Spezialisierte Freelancer-Portale sowie die ausgelagerte Rekrutierung über Third-Party-Manager/Managed-Service-Provider (MSP) ­haben gegenüber der Auswertung 2015 stark zugelegt.

Bei der Auswahl des passenden Personaldienst­leisters können vor allem Vermittler mit einer bereits bestehenden und positiv geprägten Geschäftsbeziehung zum Kunden punkten. Erst dann folgt das Preis-Leistungs-Verhältnis als Auswahlkriterium. Grundsätzlich werden langfristige Beziehungen zur Vermittlungsagentur von den meisten Einsatzunternehmen bevorzugt - allerdings ist mit über 40 Prozent ein guter Teil der Befragten nur an der Besetzung eines einzelnen Projekts interessiert. Die Repu­tation des Dienstleisters im Markt ist ebenfalls wichtig für einen Auftrag, ebenso wie aussagekräftige Kundenreferenzen und die Kompetenz in einzelnen Branchen.

Auftraggeber erwarten zuverlässigen Service

Ebenfalls nicht verändert haben sich die wichtigsten Anforderungen der Auftraggeber an Personaldienstleister und Vermittlungsagenturen. So wünschen sich die Anwenderunternehmen in erster Linie Zuverlässigkeit im Umgang miteinander, gefolgt von einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Außerdem wird auf eine schnelle, direkte Kommunikation sowie eine reibungslose Abwicklung (mit fachlich kompetenten Ansprechpartnern) Wert gelegt. Bei den befragten IT-Freiberuflern gelten im Grunde genommen die gleichen Kriterien: Nach der zuverlässigen Zahlung ist vor allem die reibungslose Abwicklung vom Vertrag bis zur Abrechnung relevant, wobei Freelancer sehr viel Wert auf Transparenz der Konditionen und Prozesse legen. Dann folgt die schnelle und direkte Kommunikation mit dem Vermittler, idealerweise über einen festen Ansprechpartner. Eine individuelle Betreuung ist den IT-Freiberuflern hingegen weniger wichtig.

Die besten Karten bei der Rekrutierung von IT-Freiberuflern haben Online-­Portale, denen bis 2018 von den Unternehmen die größte Bedeutung attestiert wird. Die Web-Plattformen schoben sich im Jahresverlauf noch vor die direkte Beauftragung ohne Vermittler. Fraglich ist, inwieweit dies einem Wunsch der Auftraggeber entspricht oder tatsächlich realistisch ist, schließlich liegt die Nutzung von Online-Portalen derzeit nur bei 12,3 Prozent. Vermittlungsagenturen und Personaldienstleister positionieren sich in der ­Bedeutung über der ausgelagerten Rekrutierung via Third-Party-Management/Managed-Service-Providing sowie den klassischen IT-Beratungshäusern.

Folgeaufträge und Referenzen sorgen für Auslastung

Aus Sicht der Freiberufler haben Vermittlungsagenturen und Personaldienstleister die Nase vorn, wenn es um die Vermittlung von Aufträgen geht. Entscheidend ist auch hier der "Fuß in der Tür": Folgeaufträge bekannter Einsatzunternehmen, Tipps aus dem eigenen Netzwerk und Referenzen sorgen für stetige Aus­lastung. Hinzu kommt die eigene Präsenz in sozialen Medien als Werbemaßnahme. Bei den freien Angaben verwiesen die Freelancer auf die zwischenmenschliche Dimension. So gibt es neue Auftragsangebote über "Freundschaften", das eigene Netzwerk und ehemalige Kollegen, aber auch über Akquise­anrufe sowie Mailings in eigener Sache. Den Online-Portalen wird von den Frei­beruflern ein starkes Wachstum in Aussicht gestellt, doch liegen sie in dieser Umfrage bei der tatsächlichen Bedeutung noch im hinteren Bereich. Grundsätzlich haben die Portale mit Agenturleistungen einen Vorteil gegenüber reinen Vermittlungsangeboten.

Mit der Arbeit der Vermittler und Personaldienstleister sind die befragten IT-Freiberufler grundsätzlich zufrieden. Dies betrifft vor allem zuver­lässige Zahlungen, wo es die besten Schul­noten gab. Hinzu kommt als Pluspunkt die relativ reibungslose Abwicklung der Zusammenarbeit. Beides steht bei Freiberuflern auch ganz oben auf der Liste ihrer Anforderungen. Inhaltlich sind die externen Fachkräfte ebenfalls überwiegend zufrieden: Die Projekte und Einsatzunternehmen werden als interessant wahr­genommen, und die Qualität der Zusammenarbeit kommt insgesamt auf einen guten Durchschnittswert. Es dürfte natürlich ein höherer Stundenlohn sein (2015: 80,25 Euro im Durchschnitt), aber da sind IT-Freiberufler keine Ausnahme. Eher kritisch wird die inhaltliche Zusammenarbeit mit den Personaldienstleistern gesehen, von denen sich Freelancer mehr Fachkompetenz erwarten. Neben den "maßgeschneiderten" Projektangeboten geht es hier vor allem um das Feedback zur geleisteten Projektabwicklung sowie zum beendeten Projekt.

Scheinselbständigkeit bleibt ein Problem

Ein Thema, das Auftraggeber, Auftragnehmer und Vermittler seit Jahren beschäftigt, ist die rechtliche Unsicherheit. So sehen sich 41 Prozent der Auftraggeber selbst in der Hauptverantwortung, wenn es um Maßnahmen gegen die Scheinselbständigkeit geht. Ähnlich hoch bewerten sie den Beitrag, den die Freiberufler an dieser Stelle zu tragen haben. Lediglich ein Fünftel der Befragten sieht die Personaldienstleister in der Pflicht. Auf Seiten der Freelancer fällt die Bewertung fast deckungsgleich aus, die prozentualen Differenzen zu den Angaben der Unternehmen sind nur marginal.

Rund 60 Prozent der Auftraggeber haben angegeben, in den vergangenen zwölf Monaten Compliance-Maßnahmen zum Schutz vor Scheinselbständigkeit getroffen zu haben. Diese reichen vom Verzicht auf IT-Freiberufler bis zur erneuten Prüfung der Verträge. Von den Freiberuflern sind etwa drei Viertel im vergangenen Jahr gegen die Scheinselbständigkeit tätig geworden. Eine zentrale Maßnahme ist der Versuch, das Feld der Auftraggeber zu vergrößern.