Gaia-X

Stärken und Schwächen der deutschen Cloud-Initiative

Kommentar  25.11.2019
Von 
Stefan Ried ist Principal Analyst bei Cloudflight.
Das Bundeswirtschaftsministerium fördert mit Gaia-X ein Konzept, um eine deutsche Datensouveränität sicherzustellen. Die Idee ist gut, doch das Risiko, ohne die Marktführer zu starten, scheint beträchtlich. Und warum eigentlich keine EU-weite Lösung?
  • Das Konzept von Gaia-X enthält eine Menge guter Ideen, doch der nationale Alleingang wird die Umsetzung erschweren
  • Hybride und Multi-Cloud-Szenarien werden vollständig ausgeblendet
  • Vor allem IBM und Microsoft haben beim BMWi formal Interesse an einer Gaia-X-Beteiligung bekundet
Aufbau des Daten-Ökosystems von Gaia-X auf einem verteilten Infrastruktur-Ökosystem.
Aufbau des Daten-Ökosystems von Gaia-X auf einem verteilten Infrastruktur-Ökosystem.
Foto: BMWi

Eigentlich hört sich die Idee einer nationalen Datensouveränität erst einmal gut an. Wer europäisch denkt, fragt sich aber, warum hier das Deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) als Initiator der Gaia-X Initiative erscheint und nicht gleich die Europäische Union.

Echte Datensouveränität braucht folgende Zutaten:

  • Lokalität der Daten,

  • Rechtsraum, in dem die betreibenden Firmen agieren, und

  • Nationalität und Compliance der Personen die mit dem Betrieb von Rechenzentrums- und Plattform-Diensten betraut sind.

All das wäre mittelfristig in der EU gegeben, doch die Länder sind sich außenpolitisch nicht einig. Während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fairen Wettbewerb einklagt und die amerikanischen Konzerne zwingen möchte, Steuern auch im Land der jeweiligen Leistungserbringung zu zahlen, traut sich in Deutschland kein Regierungspolitiker wirklich, diese "Internet-Steuer" gegen Amazon, Google und Microsofts Cloud-Dienste zu erheben.

Zu groß ist die Angst vor politischen Konsequenzen: Die Trump-Administration könnte ihre Zoll-Drohungen gegen die deutsche Autoindustrie wahr machen. Dementsprechend verfolgt das Gaia-X-Konzept jetzt das Ziel, die heimische IT-Industrie ebenso einzubeziehen wie die verbliebenen kleineren IT-Dienstleister. Alle Hyperscaler (Amazon, Microsoft, Google) und auch IBM sind bisher nicht involviert, sie werden sogar als Konkurrenz gesehen.

Stattdessen redet das Team von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit den deutschen Unternehmen SAP, Deutsche Telekom und Deutsche Bank. Hinzu kommen einige wirklich kleine IT-Dienstleister, die im Vergleich zu den amerikanischen Gorillas keine Rolle spielen. So kommt eine Botschaft im deutschen Markt an: Wir schaffen die deutsche Cloud gegen die großen Amerikaner!

SAP will immer weniger Cloud-Provider sein

Dabei sollten die genannten großen deutschen Player dem Wirtschaftsministerium eigentlich erklären können, wie schwierig das wird. SAP zum Beispiel hat mit der HANA-Plattform einen der stärksten Software Stacks der Welt für Unternehmensanwendungen. Doch als End-to-End-Cloud-Provider rudern die Walldorfer nach anfänglicher Euphorie um die SAP HANA Cloud wieder kräftig zurück.

Auch die Infrastruktur von SAP ist für echtes Volumengeschäft zu klein, zudem fallen die Margen deutlich niedriger aus als mit der Business Software selbst. Infrastructure as a Service (IaaS) ist nun Mal ein reines Massengeschäft. Hier präferiert SAP für die meisten Kunden inzwischen den Betrieb des HANA-Stack auf Infrastruktur eines der rasant wachsenden Cloud-Riesen aus den USA: Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure oder Google Cloud. So rutscht das verbliebene eigene Infrastruktur-Business von SAP immer mehr in eine teure Nische ab, die nur für eine sehr kleine Klientel interessant ist.

Telekom hat durch Azure-Treuhänderschaft Schaden genommen

Auch die Telekom sollte genügend Erfahrungen mit ihren Cloud-Angeboten gesammelt haben, um das BMWi warnen zu können. Früh hat der größte deutsche Carrier erkannt, dass neben dem reinen IaaS-Angebot vor allem die modernen Platform-as-a-Service-(PaaS-)Dienste für Entwickler attraktiv sind. Das ist aber ein Geschäft, bei dem es um Softwareinvestitionen geht, kein Netz- oder Infrastruktur-Business.

Die Deutsche Telekom hatte deshalb mit Microsoft eine lokale Azure-Zone unter ihrer Treuhänderschaft aufgebaut: Die Daten sollten im hiesigen Rechenzentrum und damit im deutschen Rechtsraum vorgehalten werden, der Technologie-Stack kam von Microsofts Azure, aber der Datenzugriff sollte ausschließlich deutschem Telekom-Personal vorbehalten bleiben. Das ganze Projekt ist 2018 mit Vollgas gegen die Wand gefahren!

Nur wenige Kunden wollten einen zehn- bis 15-prozentigen Aufpreis für die deutsche Datensouveränität zahlen. Die letzten Nutzer mussten ihre Anwendungen schließlich auf eigene Kosten in eine der großen Clouds umziehen. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass hierzulande nur Sabine Bendiek, Geschäftsführerin von Microsoft Deutschland, den Mut hatte, sich kritisch zu Gaia-X zu äußern. AWS und Google hielten sich bislang politisch korrekt zurück - so, wie sie grundsätzlich die immer wieder aufkeimenden, nationalen Cloud-Ideen unkommentiert lassen.

Die Hyperscaler wissen eben, dass eine Cloud ohne sie nie die Skaleneffekte und damit die finanzielle Konkurrenzfähigkeit erreichen wird, die dem Markt gerecht wird. Alle großen US-Cloud-Anbieter sind heute so weitreichend kompatibel zur Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), dass inzwischen auch einige deutsche Finanzdienstleister mittlerer Größe zu ihren Kunden zählen. Heute vertreibt die Deutsche Telekom die Azure-Plattform aus dem Microsoft Rechenzentrum - nicht aus dem eigenen.