Auslöser der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sind drei Anzeigen gegen den Gründer Soheyl Ghaemian sowie gegen Vorstandsmitglieder des insolventen Personaldienstleisters Reutax. Sie wurden der Staatsanwaltschaft Heidelberg zugestellt, das berichtet das Online-Portal "Morgenweb". Angeblich haben die Anzeigen so viel Substanz, dass die Behörden tatsächlich aktiv werden.
Insolvenzverschleppung und Betrug vor Insolvenzverfahren begehen Firmen, wenn sie noch Verträge mit Lieferanten abschließen, obwohl die Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevorsteht. Für Insolvenzverschleppung sieht das Gesetz Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor. Betrug kann mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden, schreibt das Online-Portal.
Reutax-Gründer sponsort Bundesliga-Verein
Über den Aufenthaltsort von Soheyl Ghaemian ist nichts bekannt, diversen Quellen zufolge hat er sich wegen Burn out zurückgezogen. Er gilt als schillernde Persönlichkeit im Rhein-Main-Gebiet, hat eine Kunst- und Kultur-Stiftung ins Leben gerufen und mit seiner Firma Reutax den Bundesliga-Fußball-Club Hoffenheim gesponsert. Zu seinem Privatvermögen sollen eine Villa in Beverly Hills im Wert von mehr als neun Millionen Dollar sowie Nobelkarossen gehören.
Gegenüberüber der COMPUTERWOCHE kündigte Lenroxx-Insolvenzverwalter Karl-Heinrich Lorenz an, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einzuschalten, um die zurückliegenden Buchungen der gesamten Reutax-Gruppe zu durchleuchten. Das sei so mit den Insolvenzverwaltern der Dachorganisation Reutax AG und deren ebenfalls insolventen Reutax Temp, die das Geschäft mit der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) betreibt, abgesprochen.
Lenroxx-Kunde Telekom springt ab
Derweil zeichnet sich ab, dass die Reutax-Tochter Lenroxx wohl nicht zu retten ist. Sie hat fast 600 Freiberufler beschäftigt. Von ihnen haben rund 50 Berater für Kunden wie SAP und die Deka Bank gearbeitet, die Mehrheit, also weit über 500 Freiberufler, war in Projekten der Telekom und von T-Systems eingebunden. Mit dem Telekom-Konzern hat der Insolvenzverwalter bereits den Ausstieg vereinbart. Weder die betroffenen Freelancer noch die Telekom selbst hatten Interesse an einer weiteren Kooperation mit Reutax oder Lenroxx signalisiert. Seit dem 1. April arbeiten die Freelancer überwiegend unter dem Dach des Reutax-Konkurrenten Hays weiter für die Telekom.
In einem der CW vorliegenden Schreiben an die Freelancer sichert der Telekom-Vorstand den Beratern finanzielle Hilfe zu: "Der Deutschen Telekom ist an einer sozialverträglichen und zügigen Lösung des Themas ´Lenroxx´ gelegen. Deswegen beabsichtigt das Unternehmen im Zuge des anhängigen Insolvenzverfahrens bei der Lenroxx GmbH, etwaige Vergütungsausfälle der betroffenen Freelancer zu kompensieren. In welchem Rahmen das geschieht, wird noch festgelegt. Einzelheiten werden derzeit erarbeitet."
Mit den anderen Lenroxx-Kunden verhandelt Insolvenzverwalter Lorenz nun einen Transfer zur Dachorganisation Reutax. Eine Fortführung des Geschäftsbetriebs ist damit nahezu ausgeschlossen.
Mit Billigpreisen Umsatz gekauft
Lenroxx hat in der Reutax-Organisation die Rolle des Billiganbieters übernommen. "Lenroxx war für sich allein eigentlich nicht überlebensfähig", fasst Insolvenzverwalter Lorenz zusammen. Das Unternehmen mit seinen 13 festangestellten Mitarbeitern hat mit einer Marge von ein Prozent und einer "geringsten Eigenkapitalquote" operiert, so Lorenz. "Man hat es als Türöffner benutzt, um den Zugang zu Großkunden zu gewinnen." Mögliches Zusatz- und Anschlussgeschäft sollte der Reutax AG zugutekommen, die mit einer deutlich höheren Marge arbeitet. Funktioniert hat das Konstrukt ganz offensichtlich nicht.
Die offenen Rechnungen der bei Lenroxx beschäftigten Freelancer summieren sich auf über zehn Millionen Euro. Fast ebenos hohe Forderungen hat die Lenroxx GmbH gegenüber der Reutax AG offen. Die wird der Insolvenzverwalter aber kaum von der zahlungsunfähigen Reutax eintreiben können.
Reutax hat sich angeblich stabilisiert
Für die Reutax AG besteht indes noch Hoffnung. Sie hat mit deutlich höheren Gewinnspannen kalkuliert, genauere Angaben wollte Insolvenzverwalter Tobias Wahl nicht machen. Zu den Kunden zählen rund 20 große Firmen, insgesamt hat Reutax ihnen etwa 500 Freelancer vermittelt.
Die meisten Kunden haben gegenüber Wahl ihre Bereitschaft signalisiert, die Verträge mit Reutax weiterzuführen, wenige zögern noch, ein Unternehmen ist abgesprungen.
- Reutax ist insolvent
Der Personaldienstleister Reutax hat beim Amtsgericht Heidelberg einen Insolvenzantrag gestellt. Die betroffenen Freelancer sind erschüttert. Sie fürchten um ihr Geld. - Rechtsforum zur Reutax-Insolvenz
Nach der Insolvenz der Reutax-Gruppe, die IT-Freiberufler vermittelte, ist die Verunsicherung groß. Der Münchner Rechtsanwalt Oliver Stöckel steht in einem Online-Forum für Fragen zur Verfügung. - Reutax-Insolvenz bringt Freiberufler in Nöte
Mit der Reutax-Gruppe hat einer der größten Personaldienstleister Insolvenzantrag gestellt. Betroffen sind 150 Mitarbeiter und vor allem 1000 IT-Freiberufler, die nun um ihr Auskommen bangen. - Insolvenzantrag reicht nicht für Kündigungsrecht aus
Ob Kündigung, Kundenschutz oder Zahlungen: Nach der Insolvenz des Personaldienstleisters Reutax haben die betroffenen Freiberfuler viele Fragen. Rechtsanwalt Oliver Stöckel, Partner der Wirtschaftsrechtskanzlei v. Boetticher Hasse Lohmann, hat in einem Rechtsforum geantwortet. - Reutax - aufgerieben zwischen Gier und Geiz
Nach und nach lichtet sich der Nebel um die Reutax-Pleite. Der Gang in die Insolvenz ist die Geschichte einer gierigen Branche und einer geizigen Einkaufspolitik. - "Preferred-Supplier-Modelle sind kritisch"
Eberhard Schott, Sourcing-Experte und Professor an der Hochschule Aschaffenburg, rät Unternehmen vom Preferred-Supplier-Modell ab, insbesondere wenn es um Beratungsleistungen von Freiberuflern geht. - Reutax-Pleite hat der Branche geschadet
Trotz schwacher Konjunkturlage konnten die Freiberufler-Vermittlungsagenturen 2012 ihren Umsatz steigern. Der Reutax-Skandal jedoch hat Vermittler und Freiberufler gleichmaßen aufgeschreckt. - So wappnen sich Unternehmen für die DSGVO
Mit DSGVO/GDPR und anderen Verordnungen werden die Anforderungen an die Kontrolle personenbezogener Daten deutlich höher gesetzt. Mit Hilfe von KI haben Unternehmen die Möglichkeit, diesen Verordnungen Herr zu werden.
Etwas unklarer ist die Situation bei den Freelancern. Unter dem Reutax-Dach waren rund 500 Freiberufler in Kundenprojekten tätig. Einige haben seit Monaten kein Geld bekommen, insgesamt belaufen sich die Forderungen der Freelancer gegenüber der Reutax AG ebenfalls auf rund 10 Millionen Euro, sagte Wahl gegenüber der COMPUTERWOCHE. Weitere Gläubiger wie Banken, seien nicht bekannt, lediglich innerhalb der Reutax-Gruppe gibt es offene, nicht beglichene Ansprüche.