Wer kennt das nicht? Der Rechner fährt zu langsam hoch, das Softwareprogramm lädt nicht richtig, und schon ruft man genervt beim IT-Support an. Nicht selten kommt es vor, dass dieser das Problem nicht erkennt und entgegnet: "Wir sehen nichts, bei uns läuft alles tadellos." Zurück bleibt ein enttäuschter Mitarbeiter, der sich nicht ernst genommen fühlt und beim nächsten Problem den hauseigenen IT-Support nicht wieder kontaktieren wird. In Summe kann das zu einer Art Abwärtsspirale führen. Werden die Erwartungen bei den Endanwendern nämlich enttäuscht, bekommt die IT langfristig ein massives Problem. Als "interner Kunde" der IT schenkt der Anwender ihr im schlimmsten Fall kein Vertrauen mehr und versucht, seine Rechner- oder Softwareprobleme selbst in den Griff zu bekommen. Das ist dann meist der Anfang vom Ende einer Beziehung zwischen der IT und dem User. Denn von nun an wird der Anwender die Problembewältigung in die eigene Hand nehmen, sei es zum Beispiel über den Download frei verfügbarer Programme aus dem Internet oder indem er Rat bei Kollegen sucht. Willkommen in der Schatten-IT.
Die Perspektive des Anwenders kennen
Da, wo vielen IT-Managern die Angst vor dem unzufriedenen Anwender im Nacken sitzt, kommt Pedro Bados mit seinem Startup Nexthink ins Spiel. Als Student der künstlichen Intelligenz im Lab der École Polytechnique Fédérale de Lausanne kam ihm im Kreis seiner Kommilitonen bei einer Diskussion mit Unternehmen zum Thema Passwort- und Identitätsklau sowie dem daraus resultierenden Endanwenderverhalten die Geschäftsidee für seine Firmengründung. Im Diskurs wurde Bados klar, dass über die Perspektive des Endanwenders wenig bekannt ist: "Wir erkannten folgenden Widerspruch. Die IT-Abteilung stellt zwar ihre Services für den Endanwender zur Verfügung, hat aber im Grunde weder die nötige Transparenz noch die richtige Informationsgrundlage dafür, ob diese Dienste vom Anwender überhaupt genutzt, geschweige denn gebraucht werden." In diesem Missstand sah Bados seine Chance, eine technologische Brücke über den tiefen Graben zwischen IT und Endanwender zu bauen. Die Marktlücke war gefunden und das Startup Nexthink geboren.
Vorbehalte mussten entkräftet werden
Aber bereits mit dem Marktstart im Jahr 2004 schlug den drei Gründern Bados, Vincent Bieri und Patrick Hertzog der Widerstand arrivierter Security-Anbieter und innovationsscheuer IT-Abteilungen entgegen. Alle gaben vor, längst Monitoring-Lösungen und andere Infrastruktur-Tools im Einsatz zu haben, die die Performance ihrer Backend-Systeme und Netzwerke überwachen würden. Zudem deuteten CIO & Co. an, für so einen Dienst nichts bezahlen zu wollen, weil einige brauchbare Lösungen kostenfrei über das Internet beziehbar seien.
Trotz des Gegenwindes versuchte das Trio den Firmen klarzumachen, dass Sparen auf Teufel komm raus insbesondere in Bezug auf die Servicequalität beim Endanwender nicht die beste Idee sei. Denn eines stand in der Diskussion immer fest: Niemand wusste, was der Anwender gerade tut, welchen Service er zu welcher Zeit an welchem Standort nutzt und welcher Dienst ihm überhaupt in welcher Qualität zur Verfügung steht.
Kapitalspritze für weltweites Wachstum
Heute ist Bados nicht mehr der einzige, der an die Vision vom technologiegelenkten Schulterschluss zwischen der IT und dem Endanwender glaubt. Gerade hat er für Nexthink unter der Bezeichnung "Enduser IT Analytics" 40 Millionen Dollar Risikokapital eingesammelt. Sein Ziel ist der Gang an die Börse in drei bis fünf Jahren und die Erhöhung der Mitarbeiterzahl von heute 220 auf mindestens das Dreifache.
Ein weiterer Teil des Kapitals soll in die Erschließung des US-Marktes fließen. In anderen Teilen der Welt sind die Weichen schon gestellt: Vom Nahen Osten über Zentraleuropa bis nach Indien unterhält Nexthink eigene Vertriebsbüros. Allein in der DACH-Region helfen mittlerweile 22 Dienstleistungspartner, darunter Firmen wie Ontrex oder Consulting4IT, V6, das Herzstück der Enduser-IT-Analyse, zu vermarkten. In Deutschlandzählen die KWS Saat AG, Festo, Swarovski und die Commerzbank zu den Nexthink-Kunden. "Deutschland ist für uns Schweizer ein wichtiger Zielmarkt", sagt Bardo. "Gerade im Technologieumfeld sind dort sehr viele Marktführer beheimatet, für die innovative Lösungen eine wichtige Rolle spielen."
Datenschutz in trockenen Tüchern
Was allerdings in der Theorie so einfach klingt, wird in der Praxis schnell zum Problem, weil sich Konflikte in den Unternehmen nicht vorausahnen lassen. Die Key Performance Indicators (KPIs), die über ein Dashboard angezeigt wurden, stießen nicht bei allen Entscheidern sofort auf Wohlgefallen, auch wenn die IT-Abteilungen vom deutlichen Nutzen der Client-basierenden Schwachstellenanalyse in Echtzeit berichteten. Der Grund: Interne Datenschutzbeauftragte und Betriebsräte sahen in der Analysesoftware ein Instrument zur Überwachung der Kommunikation von Mitarbeitern. Es leuchtete nicht auf Anhieb ein, dass es sich bei der Analyse lediglich um die technisch geprägten Aktivitäten am Client handelt, die dort transparent gemacht werden.
Die Nexthink-Verantwortlichen erkannten die Brisanz und reagierten auf das Problem mit rechtskonformen Dokumenten, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die Software ausschließlich Systemprobleme erkennt und zu beheben versucht. Die Bedenken führten jedoch dazu, dass sich gerade in großen Unternehmen die Implementierung verzögerte.
Mit der zunehmenden Erfahrung aus Projekten in den Branchen Manufacturing und Bankwesen bekamen die Entwickler von Nexthink jedoch das Verhältnis zwischen dem verfügbaren Service der IT und dem Service, den der Anwender überhaupt nutzen möchte, immer besser in den Griff. Dabei ordnete das Team unzählige Messwerte wie zum Beispiel CPU-Typen, Softwarehänger, Antwortzeiten, Verbindungsabbrüche, Anzahl externer Zugriffe entsprechenden IT-Bereichen der Kunden wie Security, Operations oder Projects zu.
Was ursprünglich als reine Security-Lösung gedacht war, um aggressive Schadsoftware und Cyber-Attacken vom Rechner des Anwenders - und damit aus dem Unternehmen - fernzuhalten, wurde nach und nach zur umfassenden 360-Grad-Perspektive auf dessen Nutzungsaktivitäten am Client. Egal, ob es um Unregelmäßigkeiten oder Störungen bei Security-, Compliance-, Migrationsthemen oder der Prüfung von Provider-Leistungen geht, versucht Nexthink schon im Vorfeld alle Unwägbarkeiten zu erkennen, die den User in seiner Arbeit am Rechner behindern könnten.
Erste Infrastruktur-Chefs, bei denen der Enduser-Bedarf keine Blackbox mehr ist, haben laut Bados schon ein Pay-per-Use-Modell angeregt, das sie über die Nexthink-Technologie realisieren möchten. Mit dem Wissen, welcher Service vom Client wann und wie genutzt wird, soll künftig auch nur noch diese tatsächliche Nutzung bezahlt werden. Damit wäre neben dem Anwender auch noch der Chef happy. (pg)