"Wir brauchen kein zweites Silicon Valley", gab sich der Karl-Heinz Streibich, CEO der Software AG, auf der CeBIT trotzig. Deutschland besitze bereits einzigartige Wirtschaftsgüter - einen anerkannten Fertigungsstandort, das duale Ausbildungssystem und den weltweit einzigartigen Mittelstand. "Durch die digitale Transformation dieses Wirtschaftsgutes bleiben wir an der Spitze der globalen industriellen Entwicklung", glaubt der umtriebige Manager. Die führenden europäischen Software- und Industrie-Unternehmen würden schließlich auf den Weltmärkten für digitale Services gemeinsam auftreten und damit alle beteiligten Akteure stärken.
Um das Thema weiter zu forcieren, hat die Software AG unter dem Label "Made in Digital Germany" eine weitere Industrie-4.0-Initiative ins Rennen geschickt, ohne das Ganze jedoch mit konkreten Inhalten zu füllen. Damit wolle man die europäischen Hersteller ins 21. Jahrhundert katapultieren, hieß es in der offiziellen Mitteilung des Darmstädter Softwareanbieters zur CeBIT. Deutschland verfüge über mehr als 50 Prozent der Fertigungsressourcen der Europäischen Union und sei damit prädestiniert, eine europaweite digitale Transformation in der Fertigungsindustrie herbeizuführen. Man appelliere an die breite industrielle Basis in Europa, ihre Innovationskraft durch Zusammenarbeit mit der europäischen Software-Industrie zu stärken. Europäische Hersteller müssten an die vielfältigen europäischen Stärken anknüpfen und so die digitale Weltwirtschaft vorantreiben.
Plattformen sind die treibende Kraft
Letztendlich geht es für die Verantwortlichen der Software AG jedoch vor allem auch darum, ihre Lösungen im Markt zu verkaufen. Dabei will sich der zweitgrößte deutsche Softwarehersteller nach der SAP in erster Linie als Plattformanbieter für die Digitalisierung, das Internet of Things (IoT) und Industrie 4.0 in Stellung bringen. "Software bildet die Basis für jede Disruption", sagte Streibich. "Plattformen sind die neue treibende Kraft im Markt."
Aus Sicht des Software-AG-CEOs steckten viele etablierte Unternehmen derzeit in einem digitalen Dilemma. Neue digitale Geschäftsmodelle drehten sich um Software. "Die Konkurrenten der Zukunft sind Software-Companies", prognostizierte Streibich. Während die in ihren Märkten etablierten Anwenderunternehmen mit Altlasten wie Software-Monolithen und Anwendungssilos zu kämpfen hätten, seien die digitalen Newcomer mit Micro-Service-Architekturen deutlich agiler und flexibler.
Software first
Die Verantwortlichen in den Unternehmen müssten daher eine digitale Roadmap entwickeln, rät Streibich. Das Motto dabei müsse heißen: "Software first". Darüber hinaus gelte es, die bestehenden IT-Architekturen auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls zu modernisieren. Produkte müssten smart gemacht werden für neue Daten-zentrierte digitale Geschäftsmodelle.
An dieser Stelle bringen die Darmstädter ihre "Digital Business Platform" ins Spiel, einschließlich der zentralen IoT-Softwareservices. Damit könnten Unternehmen große Datenmengen integrieren, analysieren und verarbeiten, die beim Betrieb von Smart Businesses, smarten Produkten oder Smart Factories anfielen, verspicht die Software AG. "Die Digital Business Platform der Software AG spielt im Industrial Internet vor allem dort eine zentrale Rolle, wo sich Daten, Informationen und Wissen besonders stark auswirken", erläuterte Wolfram Jost, Produktvorstand der Software AG. Die in der Plattform integrierten IoT-Services basierten auf vier Säulen: Integration, Analytics, einem Hub sowie Modelling und Portfolio Management.
IoT-Markt bleibt unübersichtlich
Aus Sicht von Jost bleibt der IoT-Markt extrem fragmentiert. Derzeit tummelten sich über 400 Anbieter in diesem Geschäft. Der Technikchef der Software AG glaubt nicht, dass es in absehbarer Zukunft einen dominierenden Player in diesem Bereich geben wird. Kunden wollten außerdem keinen Vendor-Lock-In. Der Manager plädiert deshalb auch für offene Plattformen. Jedes Unternehmen sollte in der Lage sein, sich sein eigenes individuelles IoT-Framework mit Komponenten verschiedener Hersteller zusammenzustellen. Mit diesen kundenspezifischen Frameworks könnten sich Anwenderunternehmen darüber hinaus im Wettbewerb besser differenzieren. Jost zufolge geht es heute nicht mehr um Standardisierung, sondern vielmehr um Differenzierung.
- Key Findings
Die COMPUTERWOCHE-Studie "Internet of Things 2016" finden Sie in unserem Shop neben anderen Studien der IDG Research Services als PDF-Download. - Bedeutung von IoT
Derzeit bewerten nur 45 Prozent der Unternehmen die Relevanz des IoT als sehr hoch oder hoch, 28 Prozent als eher niedrig oder niedrig. Ganz anders sehen die Werte für die Zukunft aus. 72 Prozent der Unternehmen glauben, dass IoT innerhalb der nächsten drei Jahre für sie wichtig oder sehr wichtig wird. Nur noch sieben Prozent der Firmen stufen die künftige Bedeutung des IoT als eher niedrig oder niedrig ein. - IoT in der Praxis
Bis dato haben insgesamt nur rund 15 Prozent der befragten Unternehmen bereits IoT-Projekte produktiv umgesetzt oder zumindest abgeschlossen. Immerhin ein Fünftel der Firmen will in den nächsten 12 Monaten oder mittelfristig erste IoT-Projekte realisieren, 12 Prozent erarbeiten derzeit eine IoT-Strategie. - IoT ist noch kein Thema, weil...
Wesentliche Gründe für die (noch) abwartende Haltung vieler Firmen sind andere Prioritäten, mangelnde Relevanz oder ein fehlendes Geschäftsmodell. Auch fehlendes Know-how bei den Mitarbeitern oder zu hohe Kosten spielen eine Rolle. - Auswirkungen (1/3)
Fast 60 Prozent der Unternehmen sehen IoT als große Chance. Gleichzeitig verkennen fast 45 Prozent das disruptive Potenzial des IoT, wenn sie glauben, sie sein gut genug für die Herausforderungen positioniert. - Auswirkungen (2/3)
Zumindest 39 Prozent der befragten Entscheider glauben, dass IoT ihre Unternehmen sehr verändern wird. Ein Drittel der Firmen befürchtet, dass sie von Start-Ups mit IoT-Technik überholt oder grundsätzlich von der Entwicklung überrollt werden, wenn sie sich nicht auf das IoT einstellen. - Auswirkungen (3/3)
Knapp 20 Prozent glauben immer noch, dass das Thema IoT für ihr Unternehmen nicht relevant sei. - Was ist IoT?
Die meisten bisherigen Projekte fallen unter die Kategorie Industrie 4.0 mit Themen wie Vernetzte Produktion, Smart Supply Chain und Predictive Maintenance, gefolgt von den Schwerpunkten Smart Connected Products. - Der Nutzen von IoT
Durch die Vernetzung aller Prozessketten, der Erschließung neuer Geschäftsmodelle sowie Kostensenkungen erwarten die Unternehmen als positive Effekte durch IoT. - IoT-Projekte in der Praxis
Neben Kategorien wie Connected Industry und Smart Connected Products gewinnen künftig auch IoT-Projekte aus den Bereichen Gebäudemanagement (Smart Building) und Vernetzte Gesundheit (Connected Health) an Bedeutung. - IoT-Technologien
Als Enabling Technologies für IoT sehen die Entscheider vor allem Cloud Computing und Netz-Technologien wie 5G, Narrowband IoT etc. - IoT-Herausforderungen
Die meisten Unternehmen geben grundsätzliche Sicherheitsbedenken als größte Hürde für IoT-Projekte an, da sie das Internet of Things als neues Einfallstor für Angriffe sehen. - Herausforderungen beim ersten Projekt
Für 57 Prozent der Firmen stellte Security tatsächlich die größte Herausforderung bei ihrem ersten IoT-Projekt dar. Fast die Hälfte der Firmen hatte beim ersten Projekt Probleme mit der Integration von IoT-Devices wie Sensoren und Aktoren in die eigene IT-Infrastruktur. - Hemmnisse bei Projekten
Aber auch in der Komplexität sowie im Know-how der Mitarbeiter sehen zahlreiche Unternehmen Hemmnisse. - Do-it-yourself oder Partner?
Bei der Umsetzung der IoT-Projekte sind die Optionen gleich verteilt. 51 Prozent der Firmen haben ihre IoT-Lösung eigenständig entwickelt, 49 Prozent gemeinsam mit externen Partnern. - In- und Outsourcing
n jeweils knapp einem Drittel der Unternehmen ging die Initiative für das erste IoT-Projekt entweder vom CIO und der IT-Abteilung oder von der Geschäftsführung aus, letzteres vor allem bei den kleinen Unternehmen. In elf Prozent der Firmen war ein eigenes IoT-Team die treibende Kraft für die ersten IoT-Aktivitäten, etwas seltener der CTO oder Fachabteilungen wie Vertrieb, Entwicklung oder Produktion - Wahl des IoT-Partners
Bei der Wahl eines IoT-Anbieters legen die Unternehmen vor allem Wert auf technisches Know-how, Vertrauen in den Anbieter sowie Branchenkompetenz. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis steht hinter Prozess-Know-how überraschend nur an fünfter Stelle im Anforderungskatalog. - Den IoT-Erfolg messen
Ein Viertel der Unternehmen konnte bislang noch keinen Mehrwert wie höhere Effizienz, niedrigere Kosten oder höhere Umsätze feststellen. In zwei Prozent der Unternehmen sind die IoT-Projekte gescheitert. Erstaunlicherweise gibt es in fast einem Fünftel der Unternehmen überhaupt keine Erfolgsmessung.
Um das eigene Portfolio auszubauen, setzt die Software AG neben eigenen Entwicklungen auch auf Partnerschaften. Im vergangenen Jahr hat das Softwarehaus verschiedene strategische Partnerschaften mit Kunden und anderen Anbietern bekannt gegeben: die IoT-Cloud-Plattform mit Bosch, die Telematikplattform für Versicherungsunternehmen mit OCTO, schnellere Entscheidungen durch Echtzeitanalysen am Rand des IoT mit Dell und die Digitalsensorverwaltung mit Cumulocity. Dazu kam nun eine strategische IoT-Technologie-Kooperation mit Huawei, die auf der CeBIT besiegelt wurde.
Software AG kooperiert mit Huawei
Huawei und die Software AG wollen Komplettlösungen für das Internet der Dinge (IoT) anbieten. Dafür sollen die Hard- und Software für eine cloudbasierte IoT-Plattform sowie Streaming-Analytics-Funktionen am Rand des IoT kombiniert werden, hieß es. Mit dem Hard- und Software-Angebot der Chinesen für Cloud- und Edge-Computing sowie der IoT-Plattform und Netzwerkinfrastruktur gepaart mit Streaming Analytics, Hybrid Integration und Predictive Analytics der Software AG könnten Unternehmen eine vollständige IoT-Cloud-Infrastruktur planen und am Rand des IoT implementieren, versprechen beide Unternehmen. Der Fokus der Partnerschaft werde zunächst auf Europa liegen und soll auch für andere interessierte Anbieter offen sein.