Genie ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration, lautet ein dem amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison zugeschriebenes Zitat. Mit der Innovation verhält es sich laut Nick Jones, Research Vice President bei Gartner, zumindest ähnlich. Diese bestehe nämlich nur zu 20 Prozent aus guten Ideen, aber zu 80 Prozent aus den richtigen Prozessen.
Was also müssen Unternehmen machen, um Innovationen voranzutreiben? Jones zufolge hilft dabei ein Blick auf besonders erfolgreiche Innovatoren. Bei diesen gebe es vier Aspekte mit unterschiedlicher Gewichtung, die sie im Innovationsprozess richtig hinbekommen, nämlich
den Zweck (10 Prozent), also etwa die Transformation des Geschäfts, die Nutzung neuer Märkte oder neuer Technologien;
die Prozesse (20 Prozent), etwa den Fokus auf angrenzende Wertschöpfungsfelder, eine schrittweise Verbesserung der Produkte oder nahegelegene Märkte und Kunden; sowie
die Mitarbeiter und das Portfolio als Innovations-Pipeline (70 Prozent), um Verbesserungen, Erweiterungen, Variationen oder Kostensenkungen vorzunehmen oder den Fokus auf bestehende Märkte und Kunden zu stärken.
Innovation ist die Umsetzung von neuen Ideen, die Wert schaffen, so der Gartner-Analyst.
Woher kommen innovative Ideen?
Bei der Suche nach neuen Gelegenheiten oder aber Bedürfnissen der Kunden können Unternehmen verschiedene Wege einschlagen, die mehr oder weniger disruptiv sind. Die klassische Methode ist dabei laut Jones die Suche nach Werttreibern, bekannten Pain Points, offensichtlichen Gelegenheiten, neuen Verordnungen oder technischen Möglichkeiten, aus denen sich neue Produkte, Services oder Geschäftsmodelle ableiten lassen.
Daneben können sich Firmen aber auch durch Innovationen von Lieferanten und Partnern, aber auch Wettbewerbern inspirieren lassen. Interessante Einblicke liefert dem Gartner-Analysten zufolge auch die unerwartete Nutzung von Produkten. Jones verweist in diesem Zusammenhang auf die Website Ikeahackers.net, wo Kunden des schwedischen Einrichtungshauses auf kreative Weise Möbel umfunktionieren und zweckentfremden. Input wie dieser biete wertvolles Feedback, wonach Kunden wirklich suchen, erklärt er.
Mit etwas Fantasie lassen sich aber auch innovative Beispiele aus anderen Branchen auf das eigene Business übertragen oder neue Technologie-Trends ausnutzen. Jones warnt in diesem Zusammenhang jedoch, dass neue Technologien auch einen gegenteiligen Effekt erzeugen können. So seien manche Menschen eher skeptisch, was beispielsweise 5G und Strahlung anbelangt. Selbst wenn es dafür keine Beweise gebe und Studien meist keine gesundheitlichen Auswirkungen nachweisen könnten, müsse man als Unternehmen auf solche Ressentiments vorbereitet sein, weil Kaufentscheidungen eher auf Glauben und weniger auf Tatsachen fußen.
Die disruptivste Methode, innovative Ideen zu kreieren, ist laut Jones Unthink, was sich auf Deutsch - mehr schlecht als recht - mit "das Undenkbare denken" wiedergeben lässt. Hier fügt man Einschränkungen für das Business hinzu oder lässt sie weg und stellt gemäß der Fragestellung "Was passiert, wenn…?" scheinbar gesetzte Faktoren in Frage.
Eine beliebte Übung in Ideation Workshops sind dem Gartner-Analysten zufolge auch sogenannte Reverse Destructive Strategies. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, was ein Start-up oder ein Wettbewerber machen müssten, um das eigene Kerngeschäft zu torpedieren - und was man dagegen tun kann.
Den Innovationsprozess verwalten
Um ihr Unternehmen mit neuen Ideen und Ansätzen voranzubringen, schossen Innovation Labs oder Digital Labs in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Anbietern und Anwendern wie Pilze aus dem Boden. Andere Unternehmen versuch(t)en das Thema mit einem Chief Innovation Officer voranzutreiben oder bestimmten zumindest ein - wenn auch nicht in Vollzeit - für Innovationen verantwortliches Team oder Komitee.
Welche Organisationsform die geeignetste ist, um ein Unternehmen auf Innovationskurs zu bringen, kann allerdings auch Jones nicht sagen. Er verweist auf eine Untersuchung von Gartner, wonach alle Organisationstypen gleich effektiv darin seien, Innovationen voranzutreiben. Sein Fazit: Man braucht für Innovation eine Organisation, es spielt aber weniger eine Rolle, welche Art gewählt wird.
Aufgabe dieser Organisation sei es nämlich, den Innovationsprozess zu verwalten, erklärt Jones. Dazu müsse das Unternehmen aber grundsätzlich erst einmal dafür sorgen, dass Aktivitäten entwickelt und gestartet werden, um Ideen zu generieren. Anschließend sei es die Aufgabe der Innovationsteams, die Vorschläge zu evaluieren, Hypothesen zu beweisen oder zu widerlegen, sowie letztendlich den Wert einer Innovation zu erkennen.
Wie der Gartner-Analyst ausführt, stellt der Innovationsprozess im Grunde genommen eine kontinuierliche schrittweise Reduzierung des Risikos dar, bevor eine Idee letztendlich umgesetzt wird. Dies sei extrem wichtig, so Jones, denn häufig seien Fehler in der Risikoreduzierung daran schuld, dass ein Produkt oder Service nie in Produktion geht - eben weil das Management nicht bereit ist, ein (nicht kalkuliertes) Risiko einzugehen.
Am Anfang der Innovation... war die Pressemitteilung
Als positives Beispiel verweist der Gartner-Analyst auf die Vorgehensweise bei Amazon, die Company gelte nicht ohne Grund als besonders innovativ und kundenzentriert: Dort müsse zu Beginn jeder neuen Initiative, beispielsweise Prime Now, eine drei- bis neunseitige "Pressemitteilung" verfasst werden, in der die wichtigsten Aspekte wie Zweck, Steuerung, Umfang, Erfolgsmessung, Vorgehensweise und Unterstützung benannt und abgehandelt werden. Auf diese Weise werden die wichtigsten Fragen geklärt, bevor auch nur eine Zeile Code geschrieben wird.
Als andere hilfreiche Maßnahme nennt Jones die Definition von Innovationskennzahlen. In diesen werden verschiedene Aspekte berücksichtigt. Bewertungsgrundlage sind die drei Pfeiler Kultur (z.B. Zeit für Innovationen, Personalausstattung, Arbeitsweisen), Prozesse (z. B. Effizienz, Produktivität, Ergebnisquote) und Ergebnisse (z.B. Lernerfolge, erzielte Vorteile, Markenwahrnehmung).
Auch Tools können helfen, so der Gartner-Analyst, insbesondere in größeren Organisationen. Im Bereich Strategie und Planung könnte ein solches Werkzeug etwa die klassische SWOT-Analyse oder Szenario-, beziehungsweise Future State Planning sein. Beim Auffinden von Ideen helfen Hackathons oder bestimmte Challenges.
Außerdem empfiehlt Jones, sich bei der Suche nach Innovationen primär mit Bereichen zu beschäftigen, die für das Unternehmen einen wirklichen Unterschied machen werden. Dabei sollte man - zumindest zunächst - auch seltsame Ideen in Betracht zu ziehen. Hätte ich die Leute gefragt, was sie wollen, hätten sie gesagt: "Schnellere Pferde", erinnert er an den häufig zitierten Ausspruch von Henry Ford.