Talent statt Technik

So werden Mitarbeiter zu Data Scientists

21.06.2017
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Problemlösung steht für Holger Gubbels an oberster Stelle. Als Informatiker ist er es gewohnt, komplexe Anforderungen zu strukturieren, möglichst zu vereinfachen und zu erläutern. Seit 2011 ist er Geschäftsführer der mogular GmbH in Stuttgart und dort als Berater, Dozent und Data Scientist tätig. Ihm liegt es am Herzen, Daten dort nutzbar zu machen, wo sie gebraucht werden.
Datenanalysen zur Entscheidungsfindung sind wichtig. Dafür benötigt man weder teure Werkzeuge noch unbezahlbare, externe Data Scientists. Ein Appell an die Vernunft.

Beim Thema Datenanalysen in Unternehmen, der sogenannten Business Intelligence (BI), überschlagen sich Buzzwords, wie "Big Data", "Data Science", "Self Service BI" und Aussagen, wie "Es gibt immer mehr Daten, in denen verborgene Schätze zu finden sind", "x Prozent der Unternehmen haben keine Big Data Strategie" oder "y Prozent fehlt die technische Infrastruktur".

Mitarbeiter zu befähigen, selbst Datenanalysen durchzuführen, spart unnötige und teure externe Ressourcen.
Mitarbeiter zu befähigen, selbst Datenanalysen durchzuführen, spart unnötige und teure externe Ressourcen.
Foto: racorn - shutterstock.com

Die Folgen sind Verunsicherung und Aktionismus.

Daten sind Alltag

In einem Unternehmen fallen täglich Daten an – und zwar nicht nur bei Google, Facebook & Co, deren Geschäftsmodell Daten sind, sondern auch bei Spediteuren, Produzenten, IT-Dienstleistern oder Beratungsunternehmen.

Dort findet man Daten, wie Anzahl Kundenaufträge, Wareneingänge, produzierte Produkte, Arbeitszeiten, Kostenstellenbelastungen, versandte Paletten, Besucher auf einer Webseite und vieles mehr. Diese Daten kann man auswerten. Gründe für Auswertungen sind schnell gefunden:

  • Anzahl Besucher auf der Webseite nach Veröffentlichung einer neuen Fernsehwerbung

  • Durchschnittlicher Krankenstand oder Überstunden im aktuellen Jahr

  • Eingesetzte Rohstoffe in der Produktion und Entwicklung

  • angefallener Verschnitt oder Fehlteile vor und nach der Änderung von Prozessen

  • Geleistete versus bezahlte Beraterstunden

  • 80:20 Analyse von Lieferanten und Kunden

Zentrales Reporting im Unternehmen

Es stimmt also nicht, dass Unternehmen keine Daten auswerten. Bereits die Buchhaltung und die entstehende Bilanz am Ende des Jahres sind nichts anderes als Datenanalysen. Auch die Ermittlung von Werten wie Cashflow, EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) und Deckungsbeitrag sind Ergebnisse von Auswertungen. Häufig findet man in Unternehmen Daten schon konsolidiert in einem sogenannten Management Information System oder kurz MIS.

Wie der Name schon andeutet, wird man in einem MIS hauptsächlich Controlling- und Finanzdaten entdecken: Es sind Daten, die das Management interessieren. Vergeblich suchen wir aber nach Logistikdaten, wie Pickgeschwindigkeiten, Lieferzeiten oder Liefertreue. Auch das ist Verwaltung, oder eben Management - nur auf einer weniger abstrakten Ebene. Das Gleiche gilt für Besucherzahlen auf einer Webseite oder Arbeitszeiten und Krankenstand.

Auf oberster Ebene sind Kennzahlen vergleichsweise einfach. Denn was bleibt, wenn wir alle Details abstrahieren? Ein bisschen Cashflow, ein bisschen EBIT, ein bisschen Deckungsbeitrag. Solche Kennzahlen für ein mittelgroßes Unternehmen unter Zustimmung aller Beteiligten festzulegen, ist selbstverständlich schon ein Kraftakt. Je mehr man sich aber konkreten Geschäftsprozessen nähert, desto häufiger muss man für Lieferant A und B Ausnahmen definieren, bestimmte Wochentage unter gewissen Umständen außer Acht lassen und viele Fallunterscheidungen mehr beachten. Je detaillierter man in Prozesse hineinschaut, desto weniger Details kann man eben weglassen.

Datenanalyse mit Excel

Ein Software-System, das keinen Export in eine Tabellenkalkulation wie Excel anbietet, wird nicht mehr akzeptiert. Man benötigt die Daten in Excel für weiterführende Analysen. Selbst wenn das System eigene Auswertungen anbietet. Es werden nie die Kennzahlen sein, die man braucht.

Darüber hinaus arbeiten Unternehmen mit einer Vielzahl von Systemen - auch wenn alle nach einer integrierten IT-Lösung rufen, findet man in allen Unternehmen neben einem zentralen ERP-System auch noch Lagersysteme, Personalsysteme oder Qualitätssysteme. Damit fehlen für übergreifende Auswertungen in einem dieser Systeme immer Daten aus anderen Systemen, beispielsweise aus der Finanzbuchhaltung oder aus einem Lagersystem, Informationen über Besucherzahlen auf den Webseiten oder Qualitätskennzahlen aus einem CAQ-System (Computer Aided Quality). Für übergreifende Auswertungen verwendet man dann eben: Excel.

Gehen Sie mit offenen Augen durch Ihr Unternehmen und versuchen festzustellen, wie viele Auswertungen aus Ihren Systemen heute manuell in einer Tabellenkalkulation durchgeführt werden. Selbst wichtige Entscheidungen werden auf Basis von Excel-Auswertungen getroffen - niemand gibt so etwas zu. Es ist wie die Bild-Zeitung - die bekanntlich auch niemand liest.

Es heißt aber auch: Natürlich werden Daten analysiert!

Mehr Daten ins MIS

Nun werden Stimmen laut und verlangen, dass Daten von allen vorhandenen Systemen in ein MIS überführt werden, um ein zentrales Berichtswesen in allen Bereichen zu etablieren. Dazu allerdings muss der Leidensdruck groß sein, am besten von außen durch Auftraggeber oder durch den Gesetzgeber. Erst dann budgetiert man ein Projekt.

Nur, wie erwähnt, je weniger man im Unternehmen abstrahiert, je konkreter man Prozesse betrachtet, desto komplexer wird es, desto schwieriger werden Definitionen. Damit ist der Grundstein gelegt für ein lang laufendes und teures Projekt: Bis Daten im zentralen System korrekt sind und Anwender die Ergebnisse akzeptieren, sind die Modelle bereits veraltet. Die Welt hat sich in der Zeit der Umsetzung weitergedreht.

Das Projekt war zwar teuer, aber die Excel-Auswertungen bleiben.