Projekt-Coaching

So steigern Sie die Projektmanagement-Kompetenz

22.01.2019
Von 
Hans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy) in Visselhövede.
Neue Projekte stellen Projektleiter und -teams oft vor neue Herausforderungen. Hier kann Projekt-Coaching helfen, besonders wenn unerfahrene Projektleiter und -teams an komplexe Projektaufgaben herangeführt werden sollen.

In den Unternehmen werden immer mehr Aufgabenstellungen in Projekten gelöst, um schnell und flexibel zum Beispiel auf Marktveränderungen reagieren zu können. Deshalb wird die Fähigkeit, Projekte zielorientiert aufsetzen, durchführen und evaluieren zu können, ein entscheidender Erfolgsfaktor für sie.

Gerade wenn Unternehmen Neuland betreten, können Projekt-Coaches die Projektleiter und das -team unterstützen.
Gerade wenn Unternehmen Neuland betreten, können Projekt-Coaches die Projektleiter und das -team unterstützen.
Foto: SpeedKingz - shutterstock.com

Die Praxis zeigt jedoch: In vielen Unternehmen gehen schon die Vorstellungen darüber auseinander, was ein Projekt überhaupt ist. So wird in manchen Betrieben zum Beispiel jede Sonderaufgabe, die mehrere Mitarbeiter gemeinsam erfüllen, bereits als Projekt bezeichnet - unabhängig von ihrer Komplexität und Relevanz für den Erfolg des Unternehmens.

Ein weiterer Schwachpunkt ist: In vielen Unternehmen fehlen geeignete Projektmanagement-Strukturen. Das heißt, es sind weder die notwendigen Rollen definiert, noch existieren die erforderlichen Gremien für ein funktionierendes Projektmanagement. Oder es gibt kein Projektmanagementhandbuch, das regelt, wie Projekte im Unternehmen geplant und durchgeführt werden sollen.

Die Projektleiter sind oft "Projekt-Unternehmer"

Häufig sind auch die Projektmanager nicht ausreichend qualifiziert. Denn viele Unternehmen unterschätzen, wie hoch die fachlichen, persönlichen und kommunikativen Anforderungen an Projektleiter bei bereichs-, standort- oder gar unternehmensübergreifenden strategischen Projekten sind. Bei diesen Projekten sind die Projektmanager faktisch meist "Projekt-Unternehmer" - so groß ist ihre Verantwortung, da auf ihren Schreibtischen fast alle Fäden zusammenlaufen, und so komplex sind oft die Entscheidungen, die sie treffen oder herbeiführen müssen.

Deshalb empfiehlt es sich bei vielen Projekten (speziell solchen, bei denen das Unternehmen Neuland betritt), den Projektleiter und das Projektteam durch ein Projekt-Coaching zu unterstützen, insbesondere wenn diese noch wenig Erfahrung mit komplexen strategischen Projekten haben, in die in der Regel auch viele Annahmen über die Zukunft einfließen.

Die Projektleiter und Projektteams unterstützen

Ein solches Projekt-Coaching muss zweierlei leisten:

  • 1. Das Klientensystem fachlich beraten. Das heißt: Der Projekt-Coach muss den Projektbeteiligten das erforderliche Know-how zum Beispiel in Sachen agiles Projektmanagement, Komplexitätsmanagement und Change-Management zur Verfügung stellen beziehungsweise vermitteln.

  • 2. Das Klientensystem bei der Projektarbeit begleiten und beim Entwickeln von (neuen) Lösungsansätzen unterstützen. Das heißt: Der Coach muss den Projektbeteiligten als Feedback- und Impulsgeber zur Seite stehen und ihnen durch seine Interventionen zum Beispiel neue Sichtweisen eröffnen und Handlungsperspektiven aufzeigen - auch damit sie mit den begrenzten Ressourcen, seien diese personeller, finanzieller oder zeitlicher Art, effektiv umgehen.

Über ein Projekt-Coaching können die Projektbeteiligten zudem die nötigen Kompetenzen und die Unternehmen die erforderlichen Strukturen aufbauen, um künftig ähnlich komplexe Projekte ohne externe Unterstützung initiieren und kontrolliert abwickeln zu können. Denn in den meisten Unternehmen gilt: Erfahrene und mit allen Wassern gewachsene Projektleiter und -manager sowie eingespielte Projektteams, bei denen auch das "Performing" stimmt, sind rar. Diese werden jedoch in der heutigen VUKA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) dringend benötigt.

Die Interaktionen bedenken und berücksichtigen

Der Projekt-Coach betrachtet Unternehmen als soziale, interagierende Systeme. Das Projektumfeld und die Interaktionen im System Unternehmern werden also in die Überlegungen einbezogen. Entsprechend erfolgt die Auswahl der Interventionen. Das heißt, beim Planen des Vorgehens wird unter anderem berücksichtigt:

  • Welche Ziele möchte das Unternehmen mit dem Projekt erreichen?

  • Welche Vorerfahrung hat neben den Projektbeteiligten die Organisation mit solchen Projekten?

  • Welche weiteren Projekte und Veränderungsprozesse laufen im Unternehmen? Und:

  • Mit welchen Reaktionen seitens der Betroffenen ist im Projektverlauf zu rechnen?

Der Projekt-Coach lässt die Projektbeteiligten bewusst an seinem Fachwissen teilhaben - denn es geht auch darum, diese in Sachen Projektmanagement und oft auch Prozess- und Change-Management zu schulen. Dabei trägt der Coach jedoch stets nur die Verantwortung für den Beratungs- und Begleitprozess - nie für die inhaltlichen Ergebnisse der Projektarbeit. Hierfür zeichnen die Projektbeteiligten in ihren verschiedenen Rollen und Funktionen verantwortlich. Denn nur durch das gemeinsame Entwickeln von Lösungsansätzen entsteht bei ihnen das Commitment, das langfristig den Erfolg garantiert.

Das Projekt - ein Subsystem im Unternehmen

Auch das Projekt selbst wird beim systemischen (Projekt-)Coaching als ein soziales (Sub-)System verstanden mit folgenden vier Grundpfeilern:

  • Projektziele

  • Projektkultur

  • benötigte Skills und

  • (Projekt-)Struktur (siehe Grafik).

Das Projekt wird als soziales System betrachtet, das auf vier Säulen steht.
Das Projekt wird als soziales System betrachtet, das auf vier Säulen steht.
Foto: Hans-Peter Machwürth

Zu welchen Interventionsmethoden beim Projekt-Coaching gegriffen wird, hängt davon ab, in welchen der vier genannten Bereiche ein Entwicklungsbedarf besteht. So können zum Beispiel (Projektmanagement-)Trainingssequenzen beim Coachen eine wichtige Rolle spielen, wenn Wissensdefizite bestehen. In anderen Projekten können Organisationsentwicklungs- oder Change-Management-Maßnahmen im Fokus stehen, wenn Defizite auf der Struktur- oder Kulturebene vorhanden sind. Und in wieder anderen kann der Schwerpunkt auf der Einstellungs- und Verhaltensebene liegen - zum Beispiel, wenn auch die Mitglieder des Projektteams einen mentalen Turn-around vollziehen müssen, um Erfolg zu haben.

Der Projekt-Coaching-Prozess

Ein Projekt-Coaching startet stets mit einer Analyse der Ist-Situation. Das heißt, der Coach erstellt mit den relevanten Beteiligten (zum Beispiel Projektleiter, Programm-Manager, Personalentwickler, Abteilungsleiter, erfahrene Projektteammitglieder) eine Bestandsaufnahme und eine SWOT-Analyse. Dies kann durch Telefoninterviews geschehen, wenn der Zeitaufwand für die Beteiligten gering sein soll. In der Regel empfiehlt sich jedoch ein mehrstündiger Workshop, denn dadurch wird das Gemeinsamkeitsgefühl und Commitment bereits in einer frühen Phase gestärkt.

Im nächsten Schritt werden die Ziele des Projekt-Coachings definiert. Die Key-Stakeholder werden gefragt, wie sie den Ideal- oder Wunschzustand beschreiben würden. Über einen Vergleich der Ergebnisse mit dem Ist-Zustand werden die Schwachstellen ermittelt, für die anschließend ein Interventionsdesign definiert wird. Das Definieren der Ziele und Maßnahmen sollte im persönlichen Gespräch erfolgen, um Klarheit zu schaffen und unterschiedliche Erwartungshaltungen zu vermeiden. Auf Basis der definierten Maßnahmen erfolgt dann eine erste zeitliche Abschätzung des Aufwands. Außerdem werden Qualitätskriterien festgelegt und wird der Kostenrahmen bestimmt. Ein Projekt-Coaching-Prozess kann abhängig vom Charakter des Projekts und vom Reifegrad des Projektteams zwischen einem Monat und einem Jahr dauern - vereinzelt bei hochkomplexen Projekten sogar Jahre.