Organisatorische Voraussetzungen schaffen
Per se leisten dies die einzelnen Technologiesilos nicht. Sie benötigen eine übergeordnete Software, die die Ressourcen orchestriert und dabei auf die einzelnen infrastrukturellen Komponenten und auf ein Regelwerk zurückgreift, das definiert, wie dieser Zugriff erfolgen soll. Wenn die Personalabteilung zum Beispiel einen Server bestellt, müssen hier andere Sicherheitsregeln implementiert werden als auf einem SAP- oder SharePoint-Server. Auf die HR-Daten des Unternehmens sollten nur personalverantwortliche Mitarbeiter Zugriff haben. Solche Regeln müssen definiert und hinterlegt werden, und zwar nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch.
Hierfür müssen die meist in Technologiesilos organisierten IT-Teams ihre gewohnten Strukturen aufbrechen. Bislang sind Netzwerk-Experten oft ausschließlich fürs Netzwerk und Storage-Verantwortliche nur für Storage-Themen verantwortlich. Die orchestrierten Prozesse des SDDC erfordern eine übergreifende Perspektive.
- Die SDN-Strategien führender Hersteller
Software Defined Networking (SDN) ist als heißes Thema für 2013 gesetzt. Nachdem wir in der vorigen COMPUTERWOCHE die Grundlagen beleuchtet haben, nehmen wir nun die Strategien führender Hersteller unter die Lupe. - Arista Networks
Die amerikanische Firma, die Ex-Sun-Chef Andreas von Bechtolsheim mitbegründet hat, setzt auf eine eigene SDN-Lösung auf Basis der Systemsoftware "EOS" und der Hochleistungs-Switches der Reihen "7050" und "7150". Die Switches arbeiten mit SDN-Controllern der Arista-Partnerfirmen VMware, Nebula und Big Switch zusammen. Die SDN-Strategie von Arista zielt derzeit vornehmlich auf Cloud-Computing-Umgebungen ab. - Big Switch Networks
Die amerikanische Firma hat eine eigene Version eines OpenFlow-Controllers entwickelt, der auf FloodLight basiert. Das Unternehmen arbeitet mittlerweile mit Netzwerkfirmen wie A10 Networks, Arista, Extreme Networks, Broadcom und Citrix zusammen. Im November stellte Big Switch drei SDN-Produkte vor: den "Big Network Controller" (BNC), "Big Tap", eine Network-Monitoring-Lösung, und den "Big Virtual Switch" (BVS). Big Tap und der BVS sind Beispiele für Anwendungen, die in einer SDN-Infrastruktur eingesetzt werden können. - Brocade
Das Unternehmen unterstützt bereits seit 2010 Software Defined Networking. Einen Schwerpunkt bilden die "NetIron"-Switches für den WAN- und Service-Provider-Markt. Im November 2012 übernahm Brocade zudem die Firma Vyatta. Sie hat einen Virtual Router entwickelt, der vorzugsweise zur Kopplung von virtualisierten oder physischen Netzdomänen eingesetzt wird, speziell in Cloud-Computing-Umgebungen. - Citrix
In diesem Jahr soll die nächste Generation des Application Delivery Controller (ADC) der Reihe "Netscaler SDX" verfügbar sein. Sie wird nach Angaben des Herstellers für SDN optimiert sein. Im Unterschied zu vielen anderen SDN-Spezialisten, die sich auf Layer 2 und 3 konzentrieren, favorisiert Citrix eine SDN-Lösung, mit der sich Layer 4 bis 7 steuern lassen. Als Partner hat Citrix Unternehmen wie Palo Alto, RSA, Trend Micro und Aruba Networks gewonnen. - Dell / Force10
Durch den Kauf von Force10 hat sich Dell einen Hersteller von Hochleistungs-Switches ins Haus geholt. Für Arpit Joshipura, ehemals bei Force10 und nun Chef von Dells Netzsparte, wird SDN allerdings erst in etwa drei bis fünf Jahren eine Rolle im Netzbereich spielen. Aber natürlich hat auch Dell eine SDN-Strategie: die "Virtual Network Architecture" (VNA) ist ein Framework, mit dem sich Netzdienste in Rechenzentren, dem Firmengelände und in Außenstellen virtualisieren, automatisieren und verwalten lassen. - Enterasys
Die Company setzt auf das hauseigene "OneFabric Control Center", das nicht auf neuen Protokollen wie OpenFlow basiert, sondern auf bereits etablierten Ansätzen wie VLANs und VRF/MPLS. Allerdings hält sich der Hersteller die Türe zu OpenFlow und vergleichbaren Spezifikationen offen. - Extreme Networks
Das Kernstück der SDN-Strategie des Switch-Herstellers ist das System "Diamond X8" mit der Systemsoftware XOS. Ähnlich wie Arista kooperiert Extreme mit Big Switch. Der Diamond X8 unterstützt Big Switch Network Tap und den Big Virtual Network Switch. Zudem arbeiten die Switches von Extreme Networks mit den SDN-Controllern von NEC zusammen. - IBM
Das Unternehmen will ebenso wie HP eine umfassende SDN-Produktlinie auf den Markt bringen. Ein erster Schritt ist der "Programmable Network Controller" auf Basis von OpenFlow, der für bis zu 300.000 Flows ausgelegt ist. Hinzu kommen Rack-Switches wie der "G8264". Was allerdings noch fehlt, ist ein Core-Switch mit OpenFlow-Unterstützung. Offen ist, ob IBM selbst ein solches System entwickelt oder als OEM-Produkt von einem andere Hersteller bezieht. - Juniper Networks
Im Juni 2012 veröffentlichte das Unternehmen seine SDN-Strategie. Die Schwerpunkte des Anbieters liegen auf Systemen für das Rechenzentrum und "Northbound"-APIs (Anwendungsschnittstellen). Das Software Development Kit (SDK) für Junipers Systemsoftware JunOS enthält zudem einen OpenFlow-Client. Im Lauf des Jahres will Juniper mit den Switches der "EX"-Reihe und den Routern der "MX"-Serie OpenFlow 1.3 unterstützen. - NEC
Das Unternehmen hat unter der Bezeichnung "NEC ProgrammableFlow" ebenso wie HP mehrere SDN-Produkte im Programm, etwa einen SDN-Controller sowie die Switches "PF 5240" und "5820", die für OpenFlow ausgelegt sind. Dazu kommt eine Management-Konsole. Geplant sind Applikatio-nen, mit denen sich Netzwerke auf Basis von SDN verwalten lassen. - VMware
Der Spezialist für Virtualisierung hat sich durch den Kauf von Nicira im Juli 2012 verstärkt. VMware selbst sieht sich als Protagonist des "Software Defined Data Center". Daher ist zu erwarten, dass der Hersteller Niciras SDN-Technologie nutzt, um in vCenter ein Management-Framework für virtualisierte und physische Netzsysteme zu integrieren.
Neue Technik erfordert neue Teams und neue Rollen
Es sind also auch neue Organisationsstrukturen gefragt: Die Orchestrierung des SDDC sollte entweder ein eigens eingerichtetes Team, das sich ausschließlich um Orchestrierungsthemen kümmert, oder ein virtuelles Team, das sich aus Mitarbeitern der Netzwerk-, Storage- und Computing-Teams zusammensetzt, übernehmen.
In der Praxis erweist sich meist der zweite Ansatz als erfolgsversprechender, denn die Mitarbeiter, die in den einzelnen Technologiethemen verwurzelt sind, bleiben durch ihre Arbeit in den drei Bereichen auf dem neuesten Stand der Technik und sind in der Organisation bereits entsprechend verzahnt und etabliert.
Die Aufgaben des SDDC-Architekten
Neu entsteht ebenfalls die Rolle des SDDC-Architekten, der dieses virtuelle Team leitet. Die Praxiserfahrung zeigt, dass diese Führungskraft am besten in der Unternehmenshierarchie in der Nähe der IT-Leitung angeordnet ist, allerdings eine rein fachliche Verantwortung für das Orchestrierungsteam trägt. Dadurch ist der Mitarbeiter in der Lage, in Dialog mit den Managern der einzelnen Technologieteams zu treten und gleichzeitig die Klammer zur übergeordneten Führungsetage zu bilden.
Fazit: Jetzt die Weichen stellen
Auf diese neuen Rollen sollten Unternehmen sich rechtzeitig vorbereiten, etwa indem sie Mitarbeiter aus den einzelnen Teams bereichsübergreifend weiterbilden. Denn entsprechend interdisziplinär qualifizierte Experten gibt es kaum auf dem Arbeitsmarkt. Fachexpertise in den einzelnen Disziplinen ist jedoch in vielen, vor allem großen Unternehmen vorhanden. Aber zum Aufbau des Orchestrierungswissens empfiehlt es sich, externe Technologieberatung in Anspruch zu nehmen, die in mittelständischen Unternehmen auch die Rolle des kommunikativen Knotenpunkts zwischen den einzelnen Technologiedisziplinen übernehmen kann.
Abgesehen von neuen Rollen, Teams und Arbeitsabläufen steht der IT auf dem Weg zum SDDC ein grundlegender Paradigmenwechsel bevor: Die IT wird zum Service Provider, der in der Lage ist, dem Unternehmen schnell, kosteneffizient und flexibel die erforderlichen Dienste zur Verfügung zu stellen. Durch diese Dynamik erreichen Unternehmen die Agilität, um den sich in vielen Industriezweigen rasant verändernden Anforderungen begegnen zu können.
Starre IT-Systeme stoßen hierbei immer häufiger an ihre Grenzen. Gleichzeitig bietet das Unternehmen auch der zunehmenden Tendenz Paroli, dass Fachabteilungen sich an der IT vorbei eigene Services beschaffen und so bis zu 20 Prozent des Budgets in eine Schatten-IT investieren. Zudem sind Unternehmen in der Lage, in Zeiten des sich verschärfenden Fachkräftemangels qualifizierte Mitarbeiter aus aller Welt mit hochmodernen, attraktiven Arbeitsplätzen anzulocken. Mit dieser technologischen Grundlage unterstützt die virtuelle IT Unternehmen dabei, einigen der größten aktuellen Herausforderungen zu begegnen. (rb, hal)