Künstliche Intelligenz

So hat Ihre KI-Strategie Erfolg

05.05.2022
Von 


Maria Korolov berichtet seit über zwanzig Jahren über aufstrebende Märkte und Technologien. Sie schreibt für die US-amerikanische IDG-Publikation CSO.
Damit KI-Initiativen gelingen, müssen die Mitarbeiter an Bord sein – das funktioniert aber nicht Top-down. Diese Maßnahmen helfen Ihnen dabei.
Mensch und Maschine müssen zusammenrabeiten, damit Künstliche Intelligenz zum Business-Erfolg beiträgt.
Mensch und Maschine müssen zusammenrabeiten, damit Künstliche Intelligenz zum Business-Erfolg beiträgt.
Foto: WHYFRAME - shutterstock.com

Neun von zehn Fortune-1.000-Unternehmen wollen mehr in Künstliche Intelligenz (KI) investieren. Laut einer Umfrage von NewVantage Partners (PDF) aus dem Jahr 2022 sagen 92 Prozent der befragten Führungskräfte, dass sie durch KI messbare Business-Vorteile erlangt haben. Zwei Jahre zuvor waren es noch knapp drei Viertel und nur 28 Prozent im Jahr 2018.

Dennoch gibt nur jedes vierte Unternehmen an, dass ihre KI-Initiativen auch auf breiter Front in die Produktion übergegangen sind. Das liegt hauptsächlich an weichen Faktoren: Gut 90 Prozent der Studienteilnehmer nennen Kultur als größten Stolperstein auf dem Weg zu erfolgreichem KI-Einsatz. Dagegen nennen nur weniger als zehn Prozent technische Hürden.

Der Schlüssel liegt also darin, die Menschen in den Mittelpunkt von KI-Initiativen zu stellen.

KI in Lieferwagen

Um Unfälle in der Lieferwagenflotte von Snack-Hersteller Herr's Foods zu reduzieren, wollte Michael DiMascola, Safety Business Partner im Unternehmen, die Fahrer mit Kameras überwachen. Allerdings war vorher bereits ein ähnlicher Versuch mit Kabinenkameras in den 640 LKWs schlecht gelaufen.

Die Mitarbeiter hatten das Gefühl, Big Brother schaue ihnen auf die Finger, berichtet DiMascola. Zudem leuchteten die Kameras hell auf, wenn etwas vorgefallen war, so dass sie die Fahrer eher noch mehr ablenkten. Die alten Kameras lösten außerdem nur dann aus, wenn etwas Gravierendes passierte, etwa eine Kollision oder ein plötzliches Bremsen oder Beschleunigen. "Wir mussten diesen Ereignissen zuvorkommen", sagt DiMascola.

Daher startete das Unternehmen 2018 ein Pilotprojekt mit Nauto, einem Hersteller von KI-Software für Fahrer- und Flottensicherheit. Die neuen Kameras achteten darauf, wohin der Fahrer schaut, um zu warnen, wenn der Blick zu lange von der Straße abschweift.

Um zu verhindern, dass die Belegschaft das auch ablehnt, brauchte DiMascola eine persönliche Note. Für den ersten Einsatz wählte er zwei stark frequentierte Standorte und Lkws aus, die zum Fuhrpark des Unternehmens gehörten. "Ich bin persönlich zu jedem unserer Standorte gefahren und habe mich mit jedem unserer Fahrer getroffen", sagt er.

Er erstellte ein Rollout-Programm, das die Begrüßungsvideos des Anbieters enthielt, und zeigte dann Aufnahmen von Kollisionen, Betrugsversuchen und Beinahe-Unfällen. "Wir haben uns Zeit genommen und dafür gesorgt, dass Fragen gestellt werden sowie FAQs vorhanden sind", sagt DiMascola. "Die Schulung war der absolut wichtigste Teil davon."

Die neue Plattform gibt den Fahrern die Daten in die Hand. Sie können die Ergebnisse in Echtzeit sehen - nicht nur Fälle von abgelenktem Fahren, sondern auch gefährliche Kurvenfahrten, zu dichtes Auffahren und andere Beinaheunfälle. Die Fahrer mit den besten Ergebnissen erhalten Geschenkgutscheine und Geldpreise. Außerdem gibt es für die Niederlassungen mit den höchsten Punktzahlen ein Grillfest. Die Ergebnisse und Dashboards werden auch für die Coaching-Sitzungen verwendet, die die Manager mit allen Fahrern durchführen.

Zwischen dem Start des Programms im Jahr 2018 und November 2021 ging die Zahl der Vorfälle mit mittlerer bis hoher Ablenkung am Steuer um 70 Prozent zurück. Es gab knapp ein Fünftel weniger Beinaheunfälle, 44 Prozent weniger Kollisionen. "Wir sind ein selbstversichertes Unternehmen", sagt DiMascola. "Die Einsparungen, die wir fast sofort realisiert haben, waren enorm. Vor dem Einsatz der Kameras haben wir viel Geld für Unfälle ausgegeben, die nicht einmal unsere Schuld waren."

Erweitert statt ersetzt

Um die Akzeptanz für KI zu fördern kann es helfen, sie als "erweiterte Intelligenz" zu bezeichnen. Das Ziel ist nicht, den Menschen zu ersetzen, sondern ihn zu unterstützen.

"Dieser Ansatz ist nicht nur gut für die Menschen", sagt Dan Diasio, Global Artificial Intelligence Consulting Leader beim Beratungshaus Ernst & Young. Es sei auch gut für die Unternehmen. Die Technologie sei erstens noch nicht perfekt, also können Prozesse entworfen werden bei denen Menschen mitwirken. So erleben sie KI, wie sie tatsächlich ist. Zweitens seien die Erwartungen an die Möglichkeiten der Technologie niedriger, so dass etwas schneller in Betrieb genommen werden könne. Drittens sei Vertrauen von vornherein Teil des Designprozesses, wenn Menschen an KI-Lösungen beteiligt sind.

Laut einer Umfrage des IT-Dienstleisters Cognizant gaben nur die Hälfte der Befragten in Unternehmen, die als Vorreiter im Bereich der KI gelten, an, sie vertrauen den Entscheidungen der KI. Bei Unternehmen, die bei KI hinterherhinken, gaben nur ein Drittel der Teilnehmer ohne Führungsaufgaben an, dass sie dies tun.

Dagegen sahen 80 Prozent der KI-affinen Unternehmen größeres Potenzial in KI, wenn sie zur Unterstützung der menschlichen Entscheidungsfindung eingesetzt wurde. Bei KI-Anfängern sagen das 30 Prozent.

Nutzer treiben KI

Das Kreditkarten- und Marketing-Unternehmen Alliance Data setzte bei seiner KI-Strategie von Anfang an auf die Belegschaft. Ziel war es, den Kollegen im Operations Center mehr Zeit für schwierige Kundenprobleme zu verschaffen. Routineaufgaben wie Informationen zu sammeln oder Daten manuell zwischen Systemen zu verschieben sollten automatisiert werden.

Das Team um Wes Hunt, Chief Data Officer des Unternehmens, bat die Geschäftsbereiche, ihnen mitzuteilen, welche Probleme sie zu lösen hatten. "Es kamen Hunderte von Ideen zurück," sagt er. Anschließend setzen sich die User, die von den Projekten am meisten begeistert waren, mit dem Data-Science-Team zusammen, um neue Lösungen zu entwickeln. "Wenn wir die Funktionsweise der neuen intelligenten Automatisierungen entwerfen, leiten uns diejenigen an, die Seite an Seite mit diesen Maschinen arbeiten," berichtet Hunt.

Daraus entstand etwa ein Projekt, um Informationen von Computerbildschirmen mithilfe von Natural Language Processing (NLP) und Computer Vision zu extrahieren. Damit konnten bei der Kontoeröffnung für Neukunden externe Unterlagen verarbeitet werden, auch wenn keine Programmierschnittstelle vorhanden ist. 2020 begann das Unternehmen, Machine-Learning-Algorithmen in Risikomodellen und andere Analysen einzusetzen, um genauere Ergebnisse und Vorhersagen zu erhalten.

Außerdem hat das Unternehmen begonnen, die Leistung der Mitarbeiter durch KI zu verbessern. Früher haben Vorgesetzte die Performance überwacht. Ein Teil davon wurde automatisiert. "Jetzt können die Mitarbeiter ihre eigene Produktivität steuern", sagt Hunt.

Anstatt ihre direkten Untergebenen zu überwachen, konzentrieren sich die Vorgesetzten nun auf das Coaching auf höherer Ebene. "Das hat den Coaching-Stil der Manager verändert", berichtet er. Sie würden sich wegbewegen von Mikromanagement oder Metriken und stattdessen mehr Wert auf Empathie und Qualität legen.

Mittlerweile nutzen 300 Marken oder Geschäftsprozesse Machine Learning oder KI produktiv bei Alliance Data. "Die geheime Zutat ist die Zusammenarbeit", sagt Hunt. Zentral sei, bedarfsorientiert zu arbeiten, Ideen von allen Beteiligten einzubringen und die Teams in die Entwicklung der Lösungen mit einzubeziehen.

Der Mensch im Mittelpunkt

Unternehmen, die mit KI-Projekten erfolgreich sind, arbeiten mit ihren Mitarbeitern zusammen, sagt Natalia Modjeska, Forschungsdirektorin für KI und intelligente Automatisierung beim Analystenhaus Omdia. Wenn Unternehmen KI mit harter Hand und von oben herab einführen, könne das zu Unmut und Widerstand führen. "Aber wenn man die Menschen als Partner auf dieser Reise behandelt und nicht als Auslaufmodell, dann verhalten sie sich anders," sagt sie.

Zwar würden einige Arbeitsplätze durch KI verändert oder überflüssig. Doch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ließen sich weiterbilden oder umschulen. Zudem könnten Arbeitsplätze abgebaut werden, wenn Kollegen in den Ruhestand gingen.

Zwar seien einige dieser Entscheidungen nicht leicht, sagt Modjeska. "Solange man aber in die Mitarbeiter investiert und sie als Partner und nicht als Kostenstelle oder Feind betrachtet, verlaufen diese Übergänge viel reibungsloser und kommen allen zugute." (jd)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.