Wie sich IT-Freelancer vermarkten

So gelingt die Auftragsakquise

15.07.2024
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Sollten Freelancer sich selbst als Marke etablieren oder besser gezielt auf den „idealen Kunden“ konzentrieren? Experten geben Tipps.
Freiberufler müssen lernen, sich als Unternehmer und Eigenmarke zu verstehen - wenn sie nicht dauerhaft nur Arbeitskraft und Wissen gegen Geld tauschen wollen.
Freiberufler müssen lernen, sich als Unternehmer und Eigenmarke zu verstehen - wenn sie nicht dauerhaft nur Arbeitskraft und Wissen gegen Geld tauschen wollen.
Foto: keport - shutterstock.com

In Deutschland gibt es derzeit etwa 3,6 Millionen Solo-Selbständige. Viele von ihnen stehen vor derselben Herausforderung: die Kundenakquise - besonders in Zeiten von KI. Außerdem ist es für Einzelkämpfer in Dienstleistungsberufen oft schwer, sich klar von der Konkurrenz abzuheben.

Laut dem aktuellen Freelancer-Kompass bezeichnen 58 Prozent die Auftragsakquise als ihr größtes Problem. Kein Wunder: Denn für sie reicht es bei Weitem nicht aus, in ihrem Fachgebiet Experte zu sein. Für kontinuierlichen Erfolg werden unter anderem auch kaufmännische und zumindest Basiswissen im Marketing benötigt. "Obwohl sie technisch versiert sind, müssen sie auch lernen, wie man ein Unternehmen führt", bestätigt der HR-Fachmann, Buchautor und Freelance-Economy-Experte Jon Younger. Er stellte kürzlich auf der ersten deutschen Branchenmesse "Freelance Unlocked" fest, dass nur ein Drittel der Besucher die Frage "Was macht dich zur besten Wahl für diese Aufgabe?" konkret und selbstbewusst beantworten konnte. Schwierig vor allem für die anderen zwei Drittel, die mit ihnen um Aufträge konkurrieren.

Vom USP zur Personal Brand

Es gibt viele Ansätze, die das Freelancer-Marketing nach vorne bringen sollen:

  • fachliche Alleinstellungsmerkmale (Unique Selling Proposition - USP) entwickeln,

  • die eigene Person zur Marke machen (Personal Branding) oder aktuell hoch im Trend

  • die Fokussierung auf das Profil des idealtypischen Kunden (Ideal Customer Profile - ICP).

Die Wahrheit liegt, wie so oft, in der Mitte: Erfolgreiche Selbständige punkten mit aktuellem Fachwissen, vorzugsweise mit besonderen Erfahrungen, Referenzen und Zusatz-Skills, die sie auszeichnen und so von ihren Mitbewerbern unterscheiden (USP). Besondere Stärken und Fähigkeiten lassen sich konsequent über Auftritt, Ansprache und das Kundenerlebnis zu einer persönlichen Marke destillieren: Ein besonderer Stil, hohe Problemlösungskompetenz oder die Fähigkeit, "out of the box" zu denken, können den Freelancer in der Außenwahrnehmung zum "Problemlöser" oder "Innovative Thinker" machen.

Von der Kundensicht zur Unternehmersicht

Der Perspektivwechsel auf potenzielle Auftraggeber ist ein weiterer, aktuell viel diskutierter Ansatz in der Selbstvermarktung von Freelancern: Sie sollten genau wissen, für welche Auftraggeber ihr Angebot besonders wertvoll ist, in welchen Branchen ihre Expertise aktuelle Probleme lösen kann und welche Unternehmen mehr oder weniger lukrative Kunden sein könnten (ICP). "Dieses Wissen, stets aktuell sowie effektiv und ökonomisch eingesetzt, spart Zeit und Aufwand bei der Akquise - und führt so zu besseren Ergebnissen", weiß Thomas Maas, CEO der Freelancing-Plattform freelancermap.

Noch einen Schritt weiter geht, wer dabei die Eigenwahrnehmung mit einbezieht. Denn wichtig ist auch das richtige Mindset, wie Jon Younger postuliert: Freiberufler müssen lernen, sich als Unternehmer zu verstehen - wenn sie nicht dauerhaft nur Arbeitskraft und Wissen gegen Geld tauschen wollen. Als Unternehmer müssen sie ihre Leistung in wenigen Worten beschreiben und ihre Stärken selbstbewusst vortragen können. Das gelingt meist leichter, wenn das Gefühl verinnerlicht wurde, auf Augenhöhe mit dem ebenfalls als Unternehmer angesprochenen Auftraggeber zu agieren.

Partnerschaft vor Freundschaft

So steht die professionelle Basis des Verhältnisses im Vordergrund. Das erleichtert die Verhandlungen und auch das Sprechen über Geld. Denn obwohl gute Beziehungen überaus wertvoll sind und die Chemie gerne stimmen darf: Freelancer und Auftraggeber sind Menschen, die sich als Partner begegnen sollten - und keine Freunde werden müssen, betont Jon Younger. Dies zu verstehen und sich das immer wieder bewusst zu machen, sei der erste Schritt zum selbstsicheren, professionellen Auftritt.

Und der, betont der Freelance-Economy-Experte, ist nicht weniger wichtig als der USP. Netzwerke und Beziehungen trotzdem sorgfältig zu pflegen, steht dazu übrigens nicht im Widerspruch. Im Gegenteil: 21 Prozent der Befragten geben im aktuellen Freelancer-Kompass an, die meisten Aufträge über persönliche Netzwerke zu generieren. "Und zwei von drei gelangen ohne aktive Anstrengungen an Projekte - hauptsächlich über Weiterempfehlungen und Folgeprojekte", bekräftigt Maas.

KI als Chance oder Bedrohung?

Kein Zweifel, dass der Siegeszug der künstlichen Intelligenz (KI) für Freiberufler schon heute ein Gamechanger ist: Die einen begrüßen die Technologie als Effizienzbooster, der es ihnen erlaubt, mehr Aufgaben in weniger Zeit zu bewältigen. Die anderen fürchten um ihre Jobs: Texter, Grafiker, Programmierer. Welche Rolle spielen Schlagworte wie USP und ICP noch, wenn der Chatbot das Tagesgeschäft bald genauso gut übernehmen kann? Qualität ist hier das Stichwort, das auch Freelance-Economy-Experte Younger auf der Branchenmesse in Berlin ausgegeben hat: Allrounder, einst als eierlegende Wollmilchsäue begehrt, erreichen im Vergleich zu Spezialisten selten mehr als Mittelmaß.

Und wer sich dort einordnen will, konkurriert bereits mit der KI. Eher hat die vielfältige Erfahrung ehemaliger Allrounder, gepaart mit stark auf Qualität ausgerichteter Spezialisierung, USP-Charakter für besonders "KI-bedrohte" Fachprofile. Außerdem - je nach Fachgebiet - typisch menschliche Stärken wie kritisches Denken, emotionale Intelligenz und Flexibilität.

Superkraft Mindset

Fazit: Die wahre Superkraft des Freelancers ist sein unternehmerisches Bewusstsein. Das erleichtert ihr oder ihm die Entwicklung des "Elevator Pitches", der USPs - oder die Antwort auf die eingangs gestellte Frage: "Was macht gerade mich zur besten Wahl für diese Aufgabe?". Ist diese Denkaufgabe erst einmal gemeistert, ist es nicht mehr weit zur Bestimmung des ICP, des idealen Kundenprofils. Je klarer und spezialisierter das ist, desto gezielter kann die Akquise angegangen werden. Und idealerweise werden Solo-Selbständige mit dieser Vorgehensweise und exzellenten Skills dann auch als professionelle Marke wahrgenommen.