Damit sich Streitigkeiten in Grenzen halten

So funktioniert eine professionelle Firmenübergabe

23.06.2023
Von 
Bernhard Kuntz ist Inhaber der Marketing- und PR-Agentur Die PRofilBerater.

Konflikte verursachen emotionale Wunden

Dies fällt vielen gestandenen Unternehmern schwer. Denn sie sind mit dem Unternehmen, das sie oft über Jahrzehnte aufgebaut haben, emotional verbunden. Außerdem haben sie ihren eigenen, erfahrungsbasierten Stil entwickelt, Herausforderungen anzugehen. Zudem haben sie meist eine dezidierte Meinung darüber, was beim Führen des Unternehmens oder etwa beim Umgang mit seinen Kunden zu beachten ist. Der künftige Inhaber hingegen ist in ihren Augen oft noch ein unternehmerisches Greenhorn, das

  • das Unternehmen, seinen Markt und seine Klientel noch nicht kennt,

  • sich noch in die Unternehmerrolle einfinden muss und

  • noch lernen muss, was geht und nicht geht.

Diese Grundeinstellung prägt häufig unbewusst ihre Kommunikation mit dem künftigen Inhaber, weiß Stefan Bald von der Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal. Dies führt unweigerlich zu Konflikten - speziell dann, wenn der bisherige Inhaber, real oder in der Wahrnehmung des künftigen "Chefs", sich entsprechend auch gegenüber Mitarbeitern und Kunden äußert und so dessen Autorität untergräbt.

Stefan Bald, Kraus & Partner: „Wenn Inhaber und Nachfolger nicht auf der gleichen kommunikativen Ebene sind, wird es zu unweigerlich zu Konflikten kommen.“
Stefan Bald, Kraus & Partner: „Wenn Inhaber und Nachfolger nicht auf der gleichen kommunikativen Ebene sind, wird es zu unweigerlich zu Konflikten kommen.“
Foto: Kraus & Partner

Schleichen sich solche Kommunikationsmuster in den Umgang der Beteiligten ein, ist die Übergabe meist nicht mehr steuerbar. Eine häufige Konsequenz: Die geplante Übergabe scheitert entweder oder im Verlauf des Prozesses und es wird ein großer Teil des Unternehmenswerts vernichtet.

Neutraler Berater als Moderator und Wegbegleiter

Deshalb empfiehlt Stefan Bald einen neutralen Berater zu integrieren, der mit den Beteiligten die verschiedenen Aspekte bearbeitet, die mit jeder Übergabe und Übernahme verbunden sind. Hierzu zählen:

  • psychologische Aspekte - zum Beispiel: Welche Erwartungen habe ich als neuer beziehungsweise scheidender Inhaber und Unternehmensführer an das Verhalten des jeweils anderen? Was ist mir im Übergabeverfahren wichtig?

  • unternehmerische Aspekte - zum Beispiel: Inwieweit ändert sich durch die (geplante) Übergabe die Kultur des Unternehmens, seine Marktposition? Was ist aus meiner Warte als neuer beziehungsweise scheidender Inhaber für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe wichtig?

  • kommunikative Aspekte - zum Beispiel: Wie kommunizieren wir als neuer sowie scheidender Inhaber im Übergabeprozess miteinander? Wie treffen wir Entscheidungen und kommunizieren wir sie? Wie und wann informieren wir die Führungskräfte, Mitarbeiter, Kunden und sonstigen Stakeholder über die geplante Übergabe?

Über viele der genannten Fragen wird in geplanten Übergabeverfahren keine explizite Verständigung erzielt, weiß der Berater Doll aus Erfahrung. Die Beteiligten wursteln vielmehr - auch weil die Übergabe für sie Neuland ist - gemäß der Devise "Es wird schon klappen" vor sich hin, bis auf beiden Seiten bereits emotionale Wunden entstanden sind, die ein Zusammenarbeiten erschweren. Erst wenn die Situation sich bereits krisenhaft zugespitzt hat, suchen sie oft eine externe Unterstützung. Diese soll die Übergabe wieder in ein ruhiges Fahrwasser führen.