Im zweiten Anlauf soll es nun klappen. Am Donnerstag, den 8. Dezember, um 11:00 Uhr startet ein bundesweiter Probealarm. Dabei heulen nicht nur die Sirenen. Via Cell Broadcast wird auch an jedes Handy im deutschen Mobilfunknetz eine Warnnachricht geschickt. Initiiert wurde der Dienst DE-Alert nach der Flutkatastrophe im Ahrtal Mitte Juli 2021, als mehr als 130 Menschen starben.
Eigentlich wollte die beteiligten Behörden das Alarmsystem schon früher an den Start bringen. Doch ein erster Versuch am 10. September 2020 floppte. "Die Auslösung des Probelalarms am heutigen Warntag 2020 ist aufgrund eines technischen Problems fehlgeschlagen", gab das Bundesinnenministerium unumwunden zu. "Die Vorgänge werden jetzt umfassend aufgearbeitet. Die gewonnenen Erkenntnisse werden bei der weiteren Entwicklung des Warnsystems berücksichtigt." Im vergangenen Jahr wollten die Verantwortlichen offensichtlich keinen weiteren Reinfall riskieren und kümmerten sich um die Spezifikationen und den Aufbau der Warninfrastruktur.
An der Einführung von Cell Broadcast waren das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), die Bundesnetzagentur (BNetzA) sowie die in Deutschland tätigen Mobilfunknetzbetreiber und Mobilfunkanbieter beteiligt.Ob das System funktioniert, wird sich am 8. Dezember herausstellen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Warnsystem.
Warum braucht es ein Cell-Broadcast-Warnsystem?
Deutschland ist spät dran mit DE-Alert. Der Rat der Europäischen Union hatte bereits 2018 eine neue Richtlinie zum European Electronic Communications Code (EECC) verabschiedet. Dementsprechend hätten alle EU-Mitgliedsstaaten bis zum 21. Juni 2022 ein solches Mobilfunk-basiertes Warnsystem für den Zivilschutz einrichten sollen, das sogenannte EU-Alert-System.
Grundlage dafür bildet die seit Februar 2019 vorliegende Spezifikation des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI) - Dokument TS 102 900 V1.3.1. Die Bundesnetzagentur hat allerdings erst im Februar 2022 die für Deutschland relevante Umsetzung vorgestellt: die "Technischen Richtlinie DE-Alert" (TR DE-Alert). Laut Telekommunikationsgesetz (TKG), Paragraf 164a, muss der Wirkbetrieb des DE-Alert-Systems innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung der TR DE-Alert erfolgen, also spätestens bis zum 24. Februar 2023. Da bleibt wenig Zeit für Korrekturen - der Probealarm sollte also funktionieren.
Wie funktioniert das Cell-Broadcast-System?
Die TR DE-Alert nennt die technischen Maßnahmen, die auf Seiten der Mobilfunk-Netzbetreiber - also Telekom, Vodafone, Telefónica und 1&1 - durchgeführt werden müssen. Technische Grundlage für das Versenden der Warnnachrichten bildet Cell Broadcast. Dabei handelt es sich um einen Mobilfunkdienst zum Versenden von SMS-ähnlichen Nachrichten. Damit adressieren lassen sich sämtliche Mobiltelefone innerhalb einer Funkzelle, einer Gruppe von Funkzellen und im gesamten Netz.
Die Mobilfunkanbieter sind verpflichtet, diese Cell-Broadcast-SMS (CB SMS) zu versenden. Dafür müssen sie über sogenannte Cell-Broadcast-Zentren Schnittstellen implementieren, über die dann zielgerichtet der Versand von Warnmeldungen angestoßen wird. Wichtig dabei: Das System muss sehr sicher sein, um den Versand falscher Meldungen auszuschließen. Hacker könnten durch falsche Katastrophenwarnungen an Millionen von Phones Panik und riesige Schäden verursachen, das Warnsystem würde in Misskredit gebracht.
Unter welchen Umständen erhalten Handy-Nutzer Warnungen?
Um Warnmeldungen zu erhalten, muss das Mobiltelefon eingeschaltet und in ein Mobilfunknetz eingewählt sein. Ist das Gerät ausgeschaltet beziehungsweise im Flugmodus, kann es keine Warnnachrichten empfangen. Der Empfang von DE-Alerts muss nicht extra auf den Geräten aktiviert werden.
Es gibt allerdings einige Unwägbarkeiten: "Eine abschließende Aussage zu allen Cell-Broadcast-empfangsbereiten Geräten in Deutschland ist aktuell nicht möglich, da viele Faktoren für die Empfangbarkeit eine Rolle spielen", heißt es beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Dazu zählen unter anderem Betriebssystemversionen, Geräte und Hersteller. Grundsätzlich empfiehlt das Bundesamt, die aktuellen Updates für iOS und Android einzuspielen. Problemlos sollte der DE-Alert-Empfang für Android-Geräte ab Version 11 und iPhones mit iOS-Release 16.1 und 15.6.1. Smartphones mit älteren OS-Versionen werden dagegen nur kritische Warnungen erhalten.
Hier gibt es eine Übersicht des BKK, wleche Handys CB-SMS empfangen und anzeigen können.
Knackpunkt sind die Message-IDs. Die Spezifikationen für DE-Alert sehen vierstellige IDs vor. Doch damit können nur vergleichsweise neue Geräte umgehen. Ältere Smartphones verstehen nur dreistellige Message-IDs. Daher wurde den Spezifikationen des Systems, wie von der AG Kritis gefordert, die dreistellige Message ID 919 für alle kritischen Warnungen hinzugefügt.
Wie werden Warnungen ausgesendet?
Jede Warnung enthält ja nach Gefahrenlage eine spezifische ID. Insgesamt können bis 15 Cell-Broadcast-SMS mit je 93 Zeichen aneinandergehängt werden, um die Bevölkerung über die aktuelle Lage zu informieren. Debei geht es ausschließlich um Text - eine Übertragung von Bild- oder Audio-Daten sieht das System nicht vor.
Abhängig von der Warnstufe ertönt über das Smartphone auch ein Alarmsignal. Handelt es sich um eine große Gefahr, wird dieser Ton auch auf Geräten im Lautlos-Modus ausgegeben. Warnungen der höchsten Stufen lassen sich darüber hinaus auch nicht deaktivieren. Im Katastrophenfall werden die Warnmeldungen wiederholt ausgesendet, um sicherzustellen, dass möglichst viele Menschen über die Gefahrenlage informiert werden.
Wer verschickt die Warnmeldungen?
Ausgelöst werden die Alarme durch das sogenannte Modulare Warnsystem (MoWaS). Zugriff darauf haben nur zertifizierte Stellen bei Bund, Ländern und Kommunen wie zum Beispiel Leitstellen von Feuerwehr und Rettungsdiensten. Im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) ist festgelegt, dass die Warnung der Bevölkerung vor Gefahren im Spannungs- und Verteidigungsfall dem Bund zufällt. Die Warnung vor Gefahren im Katastrophenschutz, zum Beispiel bei Naturereignissen oder Unfällen, übernehmen die Katastrophenschutz-Behörden der Länder und Kommunen sowie die Polizeiämter.
Absender von Warnmeldungen werden in den CB-SMS benannt. In den entsprechenden Nachrichten findet sich auch ein Verweis auf das Bundeswarnportal (warnung.bund.de), in dem alle Warnmeldungen angezeigt werden. Dort sollen sich Bürgerinnen und Bürger in Zweifelsfällen vergewissern, dass die Warnmeldung wirklich von dem angegebenen Absender herausgegeben wurde.