Digitalisierung ist derzeit eines der beherrschenden IT-Themen. Sie ist die treibende Kraft, die dafür sorgt, dass sämtliche Prozesse und Geschäftsmodelle auf den Prüfstand kommen. Dazu gehören auch die oft schwerfälligen Prozesse bei der Bereitstellung der IT-Infrastruktur. Um hier flexibler und kostengünstiger zu werden, bietet es sich an, möglichst viele Anwendungen in eine Cloud zu verschieben. Unternehmen, die ihre Individualanwendungen in die Cloud hieven wollen, müssen jedoch einen steinigen Weg beschreiten.
Im Gegensatz zu vielen Standardanwendungen, die inzwischen bereit für die Cloud sind, ist Individualsoftware oftmals inkompatibel zu gängigen Cloud-Lösungen. Der Grund hierfür ist, dass diese Anwendungen aus einer Zeit stammen, in der Cloud Computing noch kein Thema war. Derartige Individualsoftware ist für eine spezielle Topologie und Infrastruktur entwickelt worden, die sich von heutigen Cloud-Umgebung mehr oder weniger stark unterscheidet.
Siehe auch: So räumen IT-Architekten die Applikationslandschaften auf
Beispiel: Touristikunternehmen
Um Individualsoftware in einer Cloud betreiben zu können, müssen diese Lösungen Schritt für Schritt umgestellt und an die neue Cloud-Umgebung angepasst werden. Hierbei sind, je nach Ausgangssituation, mehr oder weniger tiefgreifende Änderungen an den Anwendungen notwendig. Hier stellt sich die Frage, wie das Verhältnis von Kosten zu Nutzen aussieht. Das Vorgehen bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und bei der Transformation hängt stark vom Reifegrad der IT eines Unternehmens und dem Aufbau der Anwendungen ab.
Ein Beispiel ist in Abbildung 1 zu sehen. Es zeigt in Kern einen konventionellen Wasserfallprozess. Die eigentliche Transformation kann jedoch iterativ ablaufen. Insgesamt ist der Prozess so ausgerichtet, dass sich das nicht unerhebliche Risiko einer Migration von Alt-Anwendungen in den Griff bekommen lässt.
Anhand eines fiktiven Touristikunternehmens soll gezeigt werden, wie sich dieses Vorgehensmodell anwenden lässt. In der Definitionsphase beschreibt in diesem Beispiel ein Projektteam die Motivation für eine Cloud-Migration wie folgt: Die Hauptmotivation ist, dass der Konzern unter starkem Kostendruck steht und zudem ein eigenes Rechenzentrum nicht mehr als eine seiner Kernkompetenzen ansieht. Zudem werden einige Anwendungen nur saisonal stark benötigt, blockieren aber das ganze Jahr über Rechnerkapazitäten.
Das Projektteam legt daher folgende Ziele fest: das eigene Rechenzentrum soll ausgelagert werden. Als erste Outsourcing-Maßnahme gilt es, möglichst viele Anwendungen zu einem Drittanbieter in eine kostengünstige Cloud zu verlagern. Ziel soll sein, die Rechnerkapazitäten nur dann zu bezahlen, wenn sie auch benötigt werden.
Cloud-Arten
Der IT-Bebauungsplan hilft bei der Bestandsaufnahme
Der Konzern hat eine historisch gewachsene Anwendungslandschaft mit vielen unternehmenskritischen Individualanwendungen, die in einer Zeit entstanden sind, als es noch keine Alternativen zu einer individuellen Entwicklung gab. In einer Inventarisierungsphase aktualisiert das Architektur-Management des Unternehmens den bisherigen IT-Bebauungsplan. Mithilfe dieses Plans lassen sich die Anwendungen einordnen: nach ihrer Technologie, nach den Organisationseinheiten und nach ihrer Stellung innerhalb der Geschäftsprozesse. Der IT-Bebauungsplan gibt Auskunft darüber, welche Anwendungen bestimmte Geschäftsbereiche und Prozesse des Konzerns abdecken, zum Beispiel den Vertrieb oder die Katalogproduktion. Zudem liefert der IT-Bebauungsplan eine Bestandsausnahme der vorhandenen IT-Anwendungen.
Ergebnis der Phase ist ein Plan der gesamten Anwendungslandschaft, wovon die Abbildung 2 die wichtigsten Teile der IT-Bebauung zeigt. Die Abbildung besteht im linken Bereich aus dem Buchungskernsystem, mit dem sich im Reisebüro Reisebuchungen vornehmen lassen. Daran hängt der Internetauftritt des Unternehmens, mit dessen Hilfe Reisen über das Internet gebucht werden können. Diese Anwendungen initiieren die Transaktionen im Buchungskern. Unterhalb des Buchungskerns ist das Flugeinkaufssystem zu sehen, über das der Einkäufer Charterflüge für den Konzern organisiert und der Buchungssoftware zur Verfügung stellt.
Im mittleren Bereich des Bebauungsplans befindet sich das Hoteleinkaufssystem. Damit beschafft der Einkäufer Zimmerkontingente bei Hotels und stellt sie dem Buchungssystem zur Verfügung. Mit dem Preiskalkulationssystem berechnen die Produktmanager auf Basis der Vorjahrespreise die neuen Preise für die aktuelle Saison. Darunter befindet sich das Last-Minute-System, über das der Konzern steuern kann, welche Produkte in den Abverkauf kommen. Den Reigen der Individualanwendungen schließt das Rechnungsprüfungs-System, mit dem die von Hoteliers eingereichten elektronischen Rechnungen automatisiert gegen die vom Einkauf vereinbarten Preise für die unterschiedlichen Buchungskonditionen geprüft werden.