Keine Smart Factory ohne Big Data Analytics
Daten spielen nicht nur in der Zukunftsplanung von Audi eine wesentliche Rolle. Das Ziel aller Unternehmen heißt: bisher getrennte Datenströme zu einem Data Lake zusammenzufassen, um ein möglichst umfassendes Bild aller Prozesse und deren Verknüpfungen zu erhalten. Nur so lassen sich neue Zusammenhänge erkennen und gezielte Optimierungen vornehmen. Die Daimler AG etwa propagiert für ihre Vision der Smart Factory eine "production data cloud", die für die Zusammenführung der weltweiten Produktionsdaten sorgen soll.
- Big Data Status in der Automobilbranche
Für 94 Prozent der Befragten ist Big Data & Analytics im Unternehmen bereits relevant. - Anwendungsfelder
Die Unternehmen haben Big Data & Analytics wahrgenommen und sehen es größtenteils als ein „must have“ in der Automobilindustrie. - Datenaustausch
Im Moment fehlt es an einem bereichsübergreifenden und geregelten Datenaustausch entlang der automobilen Wertschöpfungskette. - Technische Voraussetzungen
Laut der Mehrheit der Befragten sind die technischen Voraussetzungen für Big Data & Analytics ansatzweise gegeben. - Stellenwert Datenaustausch
Für den effizienten Nutzen von Big Data & Analytics muss ein geregelter Datenaustausch über alle Bereiche hinweg stattfinden. - Budget für Big Data
Die Investitionen für Big Data & Analytics werden in den kommenden Jahren deutlich steigen. - Big Data Potenziale
Ohne die entsprechende Verknüpfung der Bereiche kann das Potenzial von Big Data & Analytics nicht ausreichend ausgeschöpft werden. - Kundendaten aus dem Web
Big Data & Analytics spielt eine immer stärker werdende Rolle bei der Generierung und Auswertung von Kundendaten aus dem Web. - Big Data in der Produktion
Im Bereich der digitalen Produktion sind noch viele Big-Data- und Analytics-Potenziale ungenutzt. - Die größten Herausforderungen
Kein Wunder, dass auch im Ingolstädter P-Lab an Big-Data-Projekten getüftelt wird: Im Bereich der Produktion hat man mit Hilfe von Daten und Algorithmen die Fehlerquote bei Schraubvorgängen reduziert. Wenn der Akkuschrauber bei einem solchen Vorgang einen Fehler erkennt - beispielsweise Späne im Gewinde - schaltete er bislang innerhalb von zwei Sekunden automatisch ab. Nach der Auswertung anonymisierter Schraubvorgänge ließ sich feststellen, dass sich solche Fehler mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits nach 0,3 Sekunden vorhersagen lassen. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse erzielt Audi im Ingolstädter Werk nach eigenen Angaben eine "immense Effizienzsteigerung", weswegen dieses Vorgehen nun in allen Werken der VW-Tochter Einzug halten soll. Die Ausdehnung auf andere Betriebsmittel wird ebenfalls erwogen.
In der Logistik-Abteilung soll in Zukunft ein neues Software-Tool dafür sorgen, die Visualisierung von Daten einfacher und überschaubarer zu gestalten. Dazu kooperiert Audi mit den Business-Intelligence-Spezialisten von Tableau Software. Bislang müssen sich die Mitarbeiter der Logistik-Abteilung für die Analyse der Warenbewegungen durch "umfangreiche Excel-Tabellen" wühlen. Das soll mit dem neuen Big-Data-Tool der Vergangenheit angehören: Bisher voneinander getrennte Datensätze werden miteinander verknüpft - Korrelationen zwischen einzelnen Lieferanten und Verpackungsstationen über farbliche Markierungen auf den ersten Blick erkennbar. So wurde unter anderem sichtbar, dass sich durch die Zusammenlegung von Frachtrouten enorme Zeit-, Kosten- und Emissions-Einsparungen realisieren lassen. Audi geht davon aus, dass mit dem Tool künftig Einsparungen im sechsstelligen Bereich zu realisieren sind. Der im P-Lab entstandene Prototyp der Software ist inzwischen reif für den Serieneinsatz.
In der Logistik-Abteilung im Audi-Werk Neckarsulm werkelt man ebenfalls daran, die Abläufe mit Big Data Analytics zu verbessern: Hier heißt das Zauber-"Wort" "Predictive Yard Management". Dabei geht es darum, den Abholungsprozess der fertig montierten Audi-Pkw durch die Spediteure zu optimieren. Bislang stehen die Autos im Schnitt 1,6 Arbeitstage auf dem Werksgelände, nehmen Fläche in Anspruch und verursachen Kosten. Die Idee des Projektteams: mithilfe der Datenströme aus Produktion und Versand möglichst präzise vorherzusagen, wann eine LKW-Charge abholbereit ist. Im Idealfall kommt der Spediteur also künftig genau dann im Werk an, wenn die für ihn bestimmte Pkw-Charge gerade bereitgestellt wurde.
Automatisiert und autonom in die Zukunft?
Audi bringt im Werk Ingolstadt darüber hinaus auch neue Technologien in vielen weiteren Bereichen zum Einsatz. In der folgenden Bildergalerie erhalten Sie Details über weitere Projekte für Audis Smart-Factory-Vision:
- LBRinline
Ein Leichtbauroboter (LBR) "in der Linie" gibt bei der Produktion von Audi A3 und Q2 im Werk Ingolstadt die Antwort auf die gestiegene Komplexität: Bei der Montage des Plug-In-Hybridmodells A3 Sportback e-tron etwa gibt es im Vergleich zu herkömmlichen Modellen einige Unterschiede zu beachten. Der LBR stellt sich auf das jeweilige Modell ein und erledigt die Verschraubung der Unterbodenverkleidung an den jeweiligen Aufnahmepunkten in 20 Sekunden. Den Arbeitern bleiben so "Überkopfarbeiten" erspart. - FlexShapeGripper
Die Mensch-Maschine-Kooperation könnte mit dem flexiblen Greifarm von Festo auf ein neues Level gehievt werden. Audi erprobt den FlexShapeGripper derzeit, der Objekte greifen, halten, anreichen oder montieren kann. Für Audi eröffnet der FlexShapeGripper "neue Perspektiven im breiten Feld der Mensch-Roboter-Kooperation". - motionEAP
Beim nicht-kommerziellen Forschungsprojekt motionEAP handelt es sich um einen smarten Montagetisch. Die Technik dahinter stammt von Microsoft: Ein Kinect-System überprüft den Arbeitsstand und projiziert Texte, Videos oder Fotos auf den Werktisch. - "Schlauer Klaus"
Bereits im Serieneinsatz befindet sich hingegen das von der Firma Optimum aus Karlsruhe entwickelte Montagesystem "Schlauer Klaus". Zum Einsatz kommt das System bei der Verkabelung von Türen. Damit bei dieser komplexen Aufgabe (mehrere hundert Verkabelungs-Varianten) nichts schiefgeht, überwachen zwei hochauflösende Kameras aus der Vogelperspektive, ob alle Steckverbindungen richtig sitzen. - Fernwartung
Das Audi Fernwartungsportal ist bereits seit einigen Jahren im Einsatz und soll künftig auch eine präventive Wartung von Maschinen und Anlagen aus der Ferne ermöglichen. - Smart Analytics im Presswerk
Den immer engeren Prozessfenstern im Presswerk begegnet Audi mit Messtechnologien: Sensoren und Kameras untersuchen die Bleche auf Fehler, intelligente Werkzeuge überwachen die Qualität ihrer eigenen Arbeitsschritte. Das Ziel dieses Vorgehens: jedes Blechteil lückenlos zu dokumentieren und die Daten für stabilere Prozesse und höhere Präzision zu verwerten. - Virtuelle Fügeanalyse
Um die Qualität eines fertig geplanten Automodells beurteilen zu können, nutzt Audi die virtuelle Fügeanalyse. Hierbei wird mittels eines 3D-Scanners eine exakte, virtuelle Kopie des Autos erstellt. An diesem Modell können nun beispielsweise Spaltmaße und Karosseriefugen überprüft werden. - Fahrerlose Flurförderfahrzeuge
Audi setzt seit Januar 2017 fahrerlose Flurförderfahrzeuge ein. Sie nutzen Sensorik und Algorithmen, um sich selbständig fortzubewegen und vermessen ihre Umgebung mit Laserscannern. Sämtliche Flurförderfahrzeuge sollen künftig miteinander vernetzt und über eine zentrale Steuerung ins Produktionssystem integriert werden. - Autonome Stapler
Auch Gabelstapler werden künftig autonom fahren. Die Ingolstädter planen einen ersten Test-Einsatz für die Anlieferung von Kleinteilen. 3D-Laserscanner und Sensorik soll für den gefahrlosen Einsatz der selbstfahrenden Stapler sorgen. Audi verspricht sich von ihrem Einsatz weniger Flächenverbrauch, eine effiziente Transportabwicklung und ein geringeres Unfallrisiko.
Die Automatisierung dürfte über die nächsten Jahre in großen Schritten - insbesondere in der deutschen Autoindustrie - Einzug halten. Nicht nur in den Produkten der Autobauer, auch in ihren Fabriken wird künftig die IT eine wesentliche Rolle spielen. Dabei gibt sich Audi - wie auch BMW und Mercedes - viel Mühe, zu betonen, dass man keinesfalls plane, Menschen im großen Stil durch Maschinen zu ersetzen. Im Fokus stehe in der Smart Factory stattdessen eine Kooperation zwischen Mensch und Maschine, beziehungsweise die bestmögliche Ergänzung und Erweiterung menschlicher Fähigkeiten durch Technologie.
Beim US-Hersteller Tesla geht man die Sache etwas unverblümter an: Hier werden Sitze und Windschutzscheiben schließlich bereits seit dem ersten Tag zu 100 Prozent von Roboterhand eingesetzt. "Automation to the fullest" sieht der US-Konzern selbst - und nicht ohne Stolz - als Maßstab für die Produktion seines Model S. Durch die Übernahme des deutschen Maschinenbau-Spezialisten Grohmann Anfang November 2016 könnte Elon Musks Konzern diesem Ziel noch ein Stück näher kommen.
Ob nun BMW, Mercedes, Tesla oder Audi mit der modularen Fertigung das beste Smart-Factory-Konzept für die Zukunft in der Schublade hat, lässt sich nicht abschließend klären. Vielleicht werden in der Autoindustrie künftig aber auch ganz andere Dinge entscheidend für den messbaren Erfolg einer Marke sein - Security, Datenschutz, Nachhaltigkeit oder Transparenz zum Beispiel.