Digital Twin

Siemens-Konkurrent Rockwell – der individuelle IoT-Ansatz

12.09.2019
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
In den USA gehört Rockwell zu den großen Playern im Digitalisierungsgeschäft. Doch was unterscheidet die Strategie des amerikanischen Unternehmens von hiesigen Champions wie Siemens?
Bei der Digitalisierung der Industrie setzt Rockwell auf Skalierbarkeit.
Bei der Digitalisierung der Industrie setzt Rockwell auf Skalierbarkeit.
Foto: Krunja - shutterstock.com

Automatisierungsexperten sind sie beide: der Siemens-Konzern und sein US-amerikanischer Konkurrent Rockwell Automation Inc. Beide Unternehmen haben sich auch der digitalen Transformation zur Smart Factory mit IoT beziehungsweise IIoT, Digital Twin und Künstlicher Intelligenz verschrieben. Dennoch ist ihr Wettkampf einer zwischen einem Riesen und einem Zwerg. Während Siemens einen Jahresumsatz von rund 83 Milliarden Euro (Geschäftsjahr 2017/18) ausweist und über 370.000 Beschäftigte hat, gibt Rockwell für 2017 einen Jahresumsatz von etwa 6,3 Milliarden Dollar an und beschäftigt weltweit zirka 379.000 Mitarbeiter - davon rund 420 in Deutschland.

Skalierbarkeit soll überzeugen

Mit seiner geringen Größe kokettiert das Unternehmen denn auch gerne, wenn etwa Deutschland-Geschäftsführer Andreas Hamm betont, "Skalierbarkeit gehört zur DNA des Unternehmens und wir lassen sowohl kleinen als auch großen Anwendern die freie Wahl bei der Realisierung ihrer Digitalisierungsstrategie." Schließlich gebe es bei Rockwell - im Gegensatz zum Wettbewerb - nicht den einen goldenen Weg. Vielmehr sei man offen für die Protokolle anderer Automatisierungstechnologien und unterstütze etwa die Automation Markup Language (ML) als externe Schnittstelle.

Rockwell baut auf Partner

Die Smart-Manufacturing-Architektur von Rockwell.
Die Smart-Manufacturing-Architektur von Rockwell.
Foto: Rockwell Automation

Offen und skalierbar muss das Rockwell-Angebot "The Connected Enterprise" aber auch aus einem anderen Grund sein. Im Gegensatz zu Siemens, wo rund um IoT, Industrie 4.0 und Smart Factory ein eigenes digitales Ökosystem aufgebaut wurde, dass erst im zweiten Schritt mit Partnerlösungen ergänzt wird, setzte Rockwell bereits beim Aufbau des eigenen Ökosystems auf Kooperationen und entwickelte im Gegensatz zu Siemens nicht alles selbst. Mit von der Partie sind Microsoft mit Azure, Cisco mit der Netztechnik zur Produktionsvernetzung und PTC als Software-Partner im Bereich IoT, Augmented und Virtual Reality mit Tools wie thingworx, vuforia chalk oder vuforia expert capture.

In dieser Zusammenarbeit entstand beispielsweise die FT OperationSuite zur Steuerung der Maschinen sowie die FT InnovationSuite powered by PTC zur Analyse der Produktionsdaten. Unter dem Schlagwort "The Connected Enterprise" propagiert Rockwell eine Kombination aus Automatisierungstechnologie und menschlicher Kreativität. Ein Thema von gestern ist für die Company auch die Frage, ob OT oder IT bei Digitalisierungsprojekten den Hut aufhaben. Die Amerikaner bevorzugen das Modell einer homogenen Welt, in der beide Disziplinen auf Augenhöhe zusammenarbeiten, denn nur im Team könnten die sich stellenden Herausforderungen gemeistert werden.

Wie andere IoT-Player musste allerdings auch Rockwell die Erfahrung machen, dass, entgegen der ursprünglichen Prognosen der Marktforscher, beim Unternehmenseinsatz des Internet of Things weniger neue Business-Modelle und Innovationen im Vordergrund stehen als vielmehr der Wunsch, die Produktionseffizienz zu erhöhen. So erwarten laut McKinsey 50 Prozent der Unternehmen durch den Einsatz von IIoT eine höhere Wettbewerbsfähigkeit.

Dabei wollen die Unternehmen in den nächsten drei Jahren 31 Prozent in Software und Applikationen sowie 27 Prozent in Equipment und Hardware investieren. Lediglich 18 Prozent der Investments sind dagegen für interne Ressourcen geplant. Dabei geben laut IDC die Unternehmen 78 Milliarden Dollar für die Digitalisierung der prozessorientierten Fertigung aus und 119 Milliarden für die diskrete Fertigung. Lediglich in EMEA steht im internationalen Vergleich, so Rockwell, das Treiben neuer Geschäftsmodelle auf Platz zwei der Prioritätenliste.

Digital Twins auf dem Vormarsch

IIoT ist mehr als nur die Analyse der Daten eines Smart Products. Hier wurde mit IIoT ein Management-System für einen landwirtschaftlichen Betrieb realisiert.
IIoT ist mehr als nur die Analyse der Daten eines Smart Products. Hier wurde mit IIoT ein Management-System für einen landwirtschaftlichen Betrieb realisiert.
Foto: Rockwell Automation

Eng verbunden mit dem Siegeszug von IIOT ist auch der Einsatz des Digital Twins. Bis 2021, so die Prognose bei Rockwell, wird die Hälfte der großen Industrieunternehmen mit einem digitalen Zwilling arbeiten. Dabei wird eine Effizienzverbesserung von rund zehn Prozent erwartet. Zu 70 Prozent, so die Erfahrung bei Rockwell, wird der digitale Zwilling heute in der Entwicklung genutzt. Die in Digitalisierungsdiskussionen so gern genannten Zwillinge der Produktion oder des Produkts über den gesamten Lebenszyklus hinweg spielten derzeit dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

Dateninseln vermeiden

Eine der großen Herausforderungen bei der Digitalisierung bilden nach wie vor die Daten. Auch Rockwell stellt sich die grundlegenden Fragen: Wie werden aus den Daten, die von intelligenten Geräten generiert werden, nutzbare und wertvolle Informationen? Zumal es sich zu 53 Prozent um unstrukturierte Daten handelt? Ferner gelte es, Dateninseln beim Smart Manufacturing zu vermeiden. Diese Herausforderungen will Rockwell mit seiner FT InnovationSuite adressieren.

Dass die erhofften Effizienz- und Produktivitätssteigerungen in Verbindung mit der Digitalisierung nicht nur auf dem Papier existieren, konnte Rockwell im eigenen Unternehmen erfahren: Das Unternehmen steigerte laut eigenen Angaben die Produktivität um fünf Prozent pro Jahr, während der Kapitalbedarf (CAPEE) um 30 Prozent gesenkt wurde.