"Als ich vor einem Jahr hier stand, war ich ein absoluter Neuling und konnte IT kaum buchstabieren. Entsprechend war es meine oberste Priorität im vergangenen Jahr, Sie kennenzulernen", begrüßte ServiceNow-CEO John Donahoe die gut 18.000 Gäste seiner Keynote auf der diesjährigen Hausmesse in Las Vegas. Mittlerweile habe er sich seit seinem Eintritt in die Company mit mehr als 500 Kunden getroffen und besitze nun eine klare Vision für ServiceNow: Das Unternehmen werde sich klar als eine Software-Company positionieren, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und sich darauf konzentriert, ihre Arbeitsweise zu verbessern.
"Die nächsten fünf Jahre werden die Arbeit mehr verändern, als es die letzten Jahrzehnte getan haben", führte Donahoe weiter aus. Der frühere Ebay-Chef verwies dabei auf den privaten Bereich, wo auf Endanwender fokussierte, Cloud-basierte Anwendungen dem Leben die Komplexität genommen hätten. Im Vergleich dazu würde niemand die in der Arbeit eingesetzte Technik als einfach und intuitiv bezeichnen, so der ServiceNow-Chef.
Vielmehr sei sie immer noch komplex und frustrierend - und das, obwohl es mit der Cloud keinen Grund dafür gebe, dass man nicht auch bei der Arbeit die gleiche User Experience haben könnte wie im Privatleben. ServiceNow habe es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Missstand zu beheben und sogar die Arbeit selbst zu ändern, kündigte Donahoe an und formulierte sogar eine neue Absichtserklärung: "Wir sorgen dafür, dass die Welt der Arbeit besser für den Menschen arbeitet!" Wobei mit "Wir" nicht allein ServiceNow gemeint sei, sondern alle, fügte er an.
Passend zu diesem Motto zeigte sich die Company mit einem neuen Logo, bei dem das bislang als Power-Button wiedergegebene "o" in "now" jetzt eine Person dargestellt. Aber auch inhaltlich wurde der neue Fokus auf der Knowledge18 bereits gelebt. So gab es auf der Hausmesse, die trotz neuer Location in Las Vegas bereits wieder aus allen Nähten platzte, zahlreiche Sessions, in denen Anwenderunternehmen wie Siemens, GE Digital, Swiss Re oder Virgin Trains ihre Erfahrungen und Best Practices mit den anderen Besuchern teilten.
Ausblick auf London und Madrid
ServiceNow wiederum steuerte Präsentationen bei, in denen gezeigt wurde, wie die Inhaber von verschiedenen Funktionen im Unternehmen, etwa ein IT-Verantwortlicher, ein Mitarbeiter, eine Führungskraft und ein DevOps-Manager, ihre tägliche Arbeit durch eine bessere User-Experience verbessern können - natürlich mit freundlicher Unterstützung durch die ServiceNow-Plattform und neuer Technik. So ist in naher Zukunft, konkret mit dem für das dritte Quartal 2018 erwarteten "London"-Release, etwa mit dem Virtual Agent die Bestellung eines neuen Laptops über einen Chatbot möglich, der sich bei Bedarf nahtlos in Live-Gespräche mit einem IT-Mitarbeiter am Service Desk integriert - über Microsoft Teams, Slack oder den Chat-Client von ServiceNow.
David Wright, Chief Innovation Officer von ServiceNow, geht davon aus, dass sich mit der Virtual-Agent-Technologie die Anzahl der Anfragen für alltägliche Aufgaben um 15 bis 20 Prozent verringern wird. Damit nicht genug plant das Unternehmen, mit Hilfe der unlängst bekanntgegebenen Übernahme von Parlo im nächsten Jahr mehr natürliches Sprachverständnis (NLU - Natural Language Understanding) in seine virtuellen Agenten einzubringen. Mit Parlo trainieren Kunden, die virtuelle Agenten einsetzen, ihre Bots, technische Begriffe und Fachjargon zu verstehen.
Ebenfalls groß auf der Bühne präsentiert wurde der bereits eingeschränkt im "London"-Release und ab Anfang 2019 dann mit dem "Madrid"-Release allgemein verfügbare Agent Workspace- laut ServiceNow-Chef Donahoe der größte Fortschritt in Sachen User Experience in der Firmengeschichte. Dabei handelt es sich um eine Art Kommandozentrale für Service-Desk-Agenten, mit deren Hilfe sie Prioritäten setzen und die dringlichsten Arbeitsaufgaben zuerst angehen können. Jede Aufgabe wird dabei mit wichtigen Kundendetails, Fallbeispielen und SLAs angereichert. So kann der Service-Desk-Mitarbeiter bei seiner Arbeit automatisch auf kontextspezifische Zusatzinfos am Bildschirm zugreifen, die ihm mit Hilfe von KI-Tools bereitgestellt werden. Apropos KI: Hier setzt ServiceNow nach eigenen Angaben auf eine eigene KI-Engine, da es keinen Sinn macht, Daten extern zu analysieren.
No-Code auf dem Vormarsch
Ebenfalls integrale Bestandteile des London-Release sind die Features Flow Designer und Integration Hub. Der Flow Designer ermöglicht es Nicht-Programmierern und Business-Analysten, ohne zu codieren Workflows zu erstellen, die im gesamten Unternehmen eingesetzt werden können. Der Integration Hub wiederum ist ein Framework zur Erstellung von codefreien Integrationen zwischen ServiceNow-Anwendungen und Prozessen aus Drittsystemen. Als besonderer Ansatz kann er in der Cloud oder on premises laufen, was die Integrationszeit verkürzen und gleichzeitig die Komplexität reduzieren soll.
Eine eigene Session auf der Konferenz widmete ServiceNow einem neuen Enterprise-DevOps-Angebot. Ziel von ServiceNow ist es laut Chief Technology Officer Allan Leinwand, die Kunden dabei zu unterstützen, sich von früheren traditionellen Softwareentwicklungspraktiken zu lösen, bei denen Anwendungen in einem Silo entwickelt und dann in einem anderen betrieben werden. Eine erste Version von Enterprise Dev Ops wird Kunden im London-Release zur Verfügung gestellt, dieses widmet sich als Teil der Application Development Services speziell der Softwareplanung und integriert dazu beliebte Collaboration-Tools wie Slack und Microsoft Teams. Im Madrid-Release wird Enterprise DevOps dann um die Themen Softwareprogrammierung und Tests erweitert und dockt an beliebte Tools wie Atlassian, Jira, Git und Jenkins an.
Außerdem gab ServiceNow bekannt, dass als Resultat der Übernahme von SkyGiraffe im Herbst vergangenen Jahres nun native Mobile-Features in die Now-Plattform überführt wurden. Als Resultat könnten Kunden ab Anfang nächsten Jahres mit Native Mobile ohne Code-Kenntnisse einfache mobile Anwendungen (etwa für Zeiterfassung, Freigaben etc.) bauen und Mitarbeitern bereitstellen.
Best Practices und Vorreiter
Während seiner Keynote ließ es sich ServiceNow-Chef Donahue nicht nehmen, auf Basis der vorangegangenen Kundengespräche deren Best Practices mit dem Publikum zu teilen. Die Quintessenz: Immer schnell upgraden, der Plattform in punkto Innovation die Führung überlassen und wenig Anpassungen vornehmen.
Im Rahmen eines Vortrags auf der Knowledge18 demonstrierte der langjährige ServiceNow-Kunde Swiss Re allerdings, dass es auch anders geht - wenngleich zu einem Preis: Der zweitgrößte Rückversicherer hat bereits vor Jahren etwa 20 verschiedene Service Management Tools durch die ServiceNow IT Service Automation Suite ersetzt, um ein einheitliches System für das IT-Geschäft weltweit bereitzustellen. Später wurde dann die Lösung auch auf andere Geschäftsbereiche ausgeweitet.
Die Schweizer nutzen dabei ServiceNow sowohl als SaaS- wie auch als PaaS-Lösung und scheuen sich nicht, bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen, um benötigte Features bereits vor allgemeiner Verfügbarkeit auf der Plattform zu nutzen. So wurde beispielsweise eine Anwendung für das Application Portfolio Management (APM) bereits 2013 und damit vier Jahre vor der ServiceNow-eigenen Lösung integriert, das ContactOne-Portal kam als Vorläufer des Serviceportal 2016 und ein intelligenter Chatbot für den Kundenservice trat bei dem Zürcher Unternehmen bereits 2017 den Dienst an. Insgesamt werden so laut Ashish Agarwal, Vice President und Head of IT Application Product Management bei Swiss Re, pro Jahr 700 und mehr Veränderungen vorgenommen.
Gleichzeitig aktualisiert Swiss Re die Plattform jedoch einmal im Jahr auf die neueste Version und ersetzt - wenn möglich - eigene Anpassungen durch inzwischen verfügbare Out-of-the-Box-Funktionen. Da ServiceNow durchaus beobachtet, welche Features (Groß-)Kunden bereits in Eigenregie eingeführt haben und dann als Standard in die Plattform einbringt, beeinflussen die Schweizer mit dieser Strategie indirekt auch die Roadmap. Als Vorteil erhalten sie die Addons als native Funktionen, da auch Übernahmen nicht einfach via API angebunden werden, sondern ein komplettes Rewriting erfolgt.
Deutsches Rechenzentrum kommt noch 2018
Auch sonst zeigt sich ServiceNow für Anregungen von Kundenseite durchaus empfänglich. So kündigte Stephen Bradford, Senior Area Vice President Northern Europe bei ServiceNow, in einem Interview für die zweite Jahreshälfte 2018 den Bau eines eigenen Rechenzentrums in Deutschland an. Aktuell ist die Now-Plattform hierzulande seit vergangenem Jahr in der Telekom-Cloud erhältlich, was dem Geschäft Bradford zufolge einen deutlichen Auftrieb verlieh. Generell sei Deutschland für ServiceNow eines von acht Tier-1-Ländern und einer der zwei weltweit größten Wachstumsmärkte.