IT-Infrastrukturen im Umbruch

Server und Virtualisierung - Die aktuellen Trends

05.04.2016
Von 
Bernhard Haluschak war bis Anfang 2019 Redakteur bei der IDG Business Media GmbH. Der Dipl. Ing. FH der Elektrotechnik / Informationsverarbeitung blickt auf langjährige Erfahrungen im Server-, Storage- und Netzwerk-Umfeld und im Bereich neuer Technologien zurück. Vor seiner Fachredakteurslaufbahn arbeitete er in Entwicklungslabors, in der Qualitätssicherung sowie als Laboringenieur in namhaften Unternehmen.
Server-Virtualisierung ist ein wichtiger Eckpfeiler für das Cloud-Computing und bildet auch die Grundlage für das Thema Digitalisierung. Wir haben deshalb bekannte Hersteller gefragt, welche Trends rund um Server und Virtualisierung aktuell auf keiner Agenda eines IT-Verantwortlichen fehlen dürfen.

Unternehmen verlangen nach immer mehr Computing-Power. Denn wer konkurrenzfähig bleiben will, muss immer mehr Daten in kürzester Zeit auswerten und sein Geschäftsmodell an diese Ergebnisse anpassen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind preiswerte standardisierte Serversysteme in Verbindung mit Virtualisierungstechnologien ein probates Mittel.

Doch immer mehr Unternehmen gehen dazu über, spezielle an die Workloads angepasste Systeme, sogenannte Hyper-Converged Infrastructure, einzusetzen. Diese Systeme vereinen eine hohe Leistungsdichte mit zusätzlichen Storage- und Netzwerkfunktionalitäten. Dabei spielen die Skalierbarkeit und die Ausfallsicherheit solcher IT-Infrastrukturen inklusive das zentrale Management eine entscheidende Rolle.

Um aktuelle Hype-Themen wie Digitalisierung in Verbindung mit Internet-of-Things (IoT) oder Industrie 4.0 in den Unternehmen umzusetzen, müssen sich IT-Experten auch mit neuen Technologien auseinandersetzen. Wir haben deshalb namhafte Hersteller gefragt, welche Trend-Themen im Bereich Server- beziehungsweise Server-Virtualisierung auf keiner Agenda einer IT-Abteilung fehlen dürfen.

Neu Trends bei der Server-Virtualisierung verstärken den Druck auf die IT-Verantwortlichen in Unternehmen.
Neu Trends bei der Server-Virtualisierung verstärken den Druck auf die IT-Verantwortlichen in Unternehmen.
Foto: envia TEL

Jonas Rahe, Manager Data Center Sales Germany bei Cisco: "Ein IT-Verantwortlicher muss sich heute vor allem fragen, wie er bestehende Infrastrukturen kosteneffizient betreiben und sie zukunftsfähig machen kann. Dabei stellen zwei aktuelle Trends sich widersprechende Anforderungen:

Die dynamische Veränderung der Geschäftsprozesse erfordert agile, flexible Infrastrukturen. Gleichzeitig müssen Unternehmen immer strengere Compliance-Anforderungen erfüllen, die festgelegte Prozesse benötigen, um möglichst verlässlich und nachvollziehbar zu sein. Dies führt zu einer bimodalen IT, die aus zwei unterschiedlichen Plattformen besteht. Jedoch müssen diese über ein einheitliches Management-Tool verwaltet werden, um Kosteneffizienz zu erreichen.

Das lässt sich zum Beispiel mit Hilfe des zweiten großen Trends bei Servern erreichen: Converged und Hyper-Converged Infrastructure. Aktuell gehören schon fast 90 Prozent unserer Projekte bei mittelständischen Unternehmen in diesen Bereich. Mit Hilfe von Building Blocks aus Server, Storage und Netzwerk inklusive Virtualisierung lösen sie traditionelle Infrastrukturen durch konvergente Lösungen als Basis für eine Private Cloud ab. Damit erhalten sie ein durchdachtes, aufeinander abgestimmtes und geprüftes Design. Noch weiter gehen Lösungen für Hyper-converged Infrastructure, die derzeit im Kommen sind. Sie lasen sich zwar hoch skalieren, sind aber weniger flexibel. Doch gerade im Mittelstand steigt derzeit die Nachfrage, so dass wir in diesem Bereich an neuen Lösungen arbeiten.

Das dritte wichtige Thema, mit dem sich ein IT-Verantwortlicher im Bereich Server beschäftigen sollte, ist OpenStack. Wie weit ist er in der Lage, seine Server-Umgebung mit einer Open Source-Lösung zu betreiben, um agile Infrastrukturen bereitzustellen, die unabhängig von proprietären Ansätzen sind? Diese offene Plattform ist jedoch nicht einfach zu bedienen und setzt gute IT-Kenntnisse voraus. Doch auch hierfür gibt es validierte Designs oder Hilfestellungen von bekannten Anbietern, damit der IT-Administrator die Lösung selbst installieren und betreiben kann. Alternativ steht ein entsprechender Managed Service bereit."

Jonas Rahe, Cisco: "Ein IT-Verantwortlicher muss sich heute vor allem fragen, wie er bestehende Infrastrukturen kosteneffizient betreiben und sie zukunftsfähig machen kann."
Jonas Rahe, Cisco: "Ein IT-Verantwortlicher muss sich heute vor allem fragen, wie er bestehende Infrastrukturen kosteneffizient betreiben und sie zukunftsfähig machen kann."
Foto: Cisco

Peter Dümig, Senior Server Product Manager bei Dell: "Einer der großen IT-Trends im Bereich Server und Virtualisierung wird in den nächsten Monaten ganz klar das Thema Software-defined in all seinen Facetten sein. Mit zunehmender Erfahrung und weiteren Referenzen nimmt in den Unternehmen beispielsweise auch das Interesse an Software-defined-Storage-Lösungen zu. Bei vielen existieren zwar noch Vorbehalte und organisatorische Hemmnisse, diese werden aber durch positive Erfahrungen und ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis der Lösungen mehr und mehr entkräftet und bringen immer mehr Unternehmen dazu, ihre IT-Abteilungen umzustrukturieren.

Der zweite große Trend ist das Thema Converged-Infrastructure-Lösungen wie beispielsweise Nutanix, CPS (Cloud Platform System) oder DHCS (Dell Hybrid Cloud System) von Dell. Durch zunehmende Abhängigkeiten und Komplexität, verbunden mit abnehmenden Ressourcen im Rechenzentrum und dem Wunsch nach höherer Flexibilität erhalten Converged-Lösungen weiteren Aufschwung. Damit lässt sich im Rechenzentrum eine höhere Performance sowie Effizienz bei niedrigerem Verwaltungsaufwand erzielen. Dieser Trend geht auch hin zu hybriden Cloud-Lösungen, die bereits den kompletten Stack bis hin zum Cloud-Management bereitstellen und den Kunden eine flexible Platzierung der Workloads erlauben.

Ganz oben auf der Agenda für die nächsten Monate stehen Tools wie die Automatisierung des Rechenzentrumsbetriebs, im Idealfall integriert in das Management des Virtualisierungs-Anbieters wie die Plug-Ins von Dell in VMware vCenter oder die MS-Systems-Center-Familie. Trotz aller Fortschritte ist hier noch großes Potential für weitere Optimierungen zu erkennen. Viele Unternehmen denken schon weiter und bereiten ihre interne IT auf zukünftige Hybrid-Cloud-Modelle vor. Das heißt, sie passen die Infrastruktur und Verfahren auf die Cloud an, führen Self-Service-Portale ein und bereiten so den Weg für eine sanfte und einfache Transition."

Peter Dümig, Dell: "Einer der großen IT-Trends im Bereich Server und Virtualisierung wird in den nächsten Monaten ganz klar das Thema Software-defined in all seinen Facetten sein."
Peter Dümig, Dell: "Einer der großen IT-Trends im Bereich Server und Virtualisierung wird in den nächsten Monaten ganz klar das Thema Software-defined in all seinen Facetten sein."
Foto: Dell

Stefan Kreger, Head of Sales Consulting Data Center Server bei Fujitsu Central Europe: "Die maßgebliche Herausforderung für die IT wird in den nächsten Monaten vor allem die Steigerung der Effizienz bei gleichzeitiger Reduzierung der Kosten sein. Dies lässt sich nur durch den konsequenten Einsatz neuer Technologien wie hyper-konvergenter Infrastrukturen erreichen. Je schneller die Entwicklung der Speichertechnologie voranschreitet und je stärker dadurch die Reaktionszeit für Anwendungen minimiert wird, desto besser kann die Rechenleistung der aktuellen, wie auch der künftigen Serverprozessor-Generationen genutzt werden.

Software Defined Data Center (SDDC) werden an Bedeutung zunehmen, Software Defined Storage (SDS) wird 2016 zum Standard. Das Software Defined Network (SDN) wird im Rahmen der neuen Infrastrukturen wie etwa Primeflex for VMware EVO:SDDC immer wichtiger. Damit rückt der Server verstärkt in den Mittelpunkt. Im Zuge dessen werden auch die entsprechenden Voraussetzungen für eine weitere Konsolidierung im Rechenzentrum geschaffen.

Damit diese Software-definierten Verfahren nahtlos ineinander greifen und so ein hoher Grad an Automatisierung im Rechenzentrum erreicht wird, ist die Einführung von Datacenter Orchestration Layers wie OpenStack notwendig. Diese ermöglichen eine schnelle Bereitstellung von Ressourcen aus den Bereichen Server, Storage und Netzwerk bis hin zu komplexen Services und Cloud-Lösungen.

Bei Cloud-Lösungen kommt es auf eine sinnvolle Aufteilung zwischen der Private- und der Public-Cloud, der so genannten Hybrid Cloud an. Rechenzentren lassen sich optimieren, wenn lediglich zu Spitzenzeiten in eine öffentliche Cloud ausgelagert wird. Das sorgt zudem für eine Senkung der Kosten und des Energieverbrauchs.

Zu beachten ist dabei, dass allein der Einsatz der neuen Infrastrukturtechnologien nicht zum Erfolg führt. Auch in der gesamten Organisation des Rechenzentrums müssen die Voraussetzung geschaffen werden. Die heute vorhandenen Server-, Storage- und Netzwerk-Silos müssen zugunsten von Business-orientierten Prozessen der Kunden aufgelöst werden.

Das erfordert nicht nur agile und flexible Organisationsstrukturen, sondern betrifft auch die Menschen im Unternehmen. Die Herausforderung an das Management besteht also darin, die Mitarbeiter rechtzeitig mit einzubeziehen. Die Aufgaben des Systemadministrators wandeln sich radikal: Ist er heute vor allem Verwalter, der das Innenleben eines Computersystems in und auswendig kennt, muss er künftig auch Geschäftsprozesse digitalisieren. Damit wird er die Funktion eines Service Managers einnehmen.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sorgt dies über hohe Effizienz und niedrige Kosten hinaus auch dafür, dass die Betreffenden für die Anforderungen von Big Data, dem Internet of Things (IoT) und Industrie 4.0 gut gerüstet sind. Das heißt: Sie sind in der Lage, eine stetig wachsende Datenmenge in Echtzeit zu verarbeiten.

Nur wer es schafft, Kundenbindung und Umsatz gleichermaßen zu erhöhen, wird im globalen Wettbewerb überleben. Dafür braucht es eine IT, die in der Lage ist, die vorhanden Informationen aus CRM, Kundenportalen, eCommerce, Marketing Automation, Social Media und mobilen Apps so zu verknüpfen, dass die Digitalisierung der Kundenbeziehung erfolgreich in profitables Geschäft umgesetzt werden kann.

Ingolf Wittmann, Technical Director bei IBM Deutschland, Österreich, Schweiz: "Zu den wichtigsten Server-Trends zählen:

  • hybride Cloud-Infrastrukturen

  • hyperconverged Systems

  • Software Defined Server-Infrastrukturen

Interessant für Kunden sind vor allem Systeme, welche sich modular in SDI-Architekturen einbinden lassen. Open-Source-Werkzeuge und -Architekturen setzen sich hier immer mehr durch, insbesondere um Hybrid-Cloud-Umgebungen implementieren zu können."

Paul Hoecherl, Solution Sales Exec bei Lenovo: "Technologisch passiert bei Servern im aktuellen Jahr wenig, denn es gibt nur einen Prozessor-Refresh von Haswell auf Broadwell, der wenig Auswirkungen auf Architekturen hatt. Natürlich hat der Trend zu Hyper-Converged-Infrastructure-Systemen Auswirkungen auf die Server. So kommen verstärkt Geräteformfaktoren dafür auf den Markt (hohe Kompaktheit mit vielen lokalen Platten). Es zeichnet sich ein Trend zu nicht flüchtigem Speicher sogenannter 3-D Speicher ab. Darüber hinaus wird sich HPC immer weiter verbreiten. Lösungen wir SAP HANA werden beziehungsweise sind mainstream und VDI und Workstation-Virtualisierung werden weiter ansteigen."

Nadine Hess, Thomas Krenn AG: "Die unter dem Schlagwort "Internet of Things" zusammengefassten Trends führen dazu, dass individuelle Server-Lösungen aus Standard-Komponenten zunehmend außerhalb des Rechenzentrums zum Einsatz kommen."
Nadine Hess, Thomas Krenn AG: "Die unter dem Schlagwort "Internet of Things" zusammengefassten Trends führen dazu, dass individuelle Server-Lösungen aus Standard-Komponenten zunehmend außerhalb des Rechenzentrums zum Einsatz kommen."
Foto: Thomas Krenn AG

Nadine Hess, Leiterin Produktmanagement bei Thomas Krenn AG: "Ganzheitliche VDI-Umsetzung dank GPU-Virtualisierung: Für die nahe Zukunft erwarten wir, dass die Desktop-Virtualisierung auch die letzten verbliebenen Nischen erreicht, in denen bisher noch physikalische Arbeitsplatz-Rechner dominierten. Das betrifft vor allem CAD-Arbeitsplätze und anspruchsvolle Grafik-Anwendungen. Technologien wie NVIDIA Grid vGPU führen dazu, dass die Akzeptanz von VDI auch in den Branchen steigt, die bisher noch auf dedizierte Workstations angewiesen waren und deshalb vor dem parallelen Betrieb virtueller und physischer Desktop-Umgebungen zurückschreckten.

Hardware wird performanter und weniger komplex: Dank Software Defined Storage wird die Bedeutung von Hardware-RAID sinken. Flash-Speicher kommt zunehmend abseits der SATA-Schnittstelle zum Einsatz, so etwa als NVME-Speicher am PCIe-Bus. Damit steigt der Durchsatz um das drei- bis vierfache im Vergleich zu SATA-Drives. Noch direkter sind ULLTra DIMMs angebunden, hier sitzt der persistente Speicher direkt am Memory Bus. Dies wird aber aktuell noch auf extrem rechenintensive Anforderungen, etwa im HPC-Bereich beschränkt bleiben. Gemeinsam ist diesen Lösungen, dass Storage "näher an die CPU rückt" und vorhandene Schnittstellen genutzt werden. Damit sinkt die Komplexität der Server-Architektur insgesamt, die Performance wird drastisch gesteigert.

Custom Build Systeme werden wichtiger: Die unter dem Schlagwort "Internet of Things" zusammengefassten Trends führen dazu, dass individuelle Server-Lösungen aus Standard-Komponenten zunehmend außerhalb des Rechenzentrums zum Einsatz kommen. Der Bedarf nach spezialisierten Custom-Build-Systemen, etwa für Datenerfassung und -Aufbereitung wächst. Server-Hersteller werden mehr und mehr zum Anbieter individueller, in enger Zusammenarbeit mit ihrer Kunden entwickelter Lösungen.

Elastisches Energiemanagement: Die zunehmende Skalierbarkeit der Server sowie die lang- und kurzfristigen Schwankungen im Energiepreis (Stichwort Ölpreis-Entwicklung und Erneuerbare Energien) verlangen beide nach ebenso flexiblen Methoden im Energiemanagement der Serverumgebungen. Lösungsansätze sind hier verstärkter Einsatz von passiver Kühlung, intelligente Sensorik und Steuerung und Vernetzung mit der Gebäudetechnik."

(hal)