Merck geht neue Wege

Schneller am Markt mit Process Mining und RPA

29.05.2019
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Ein schlagkräftiges, agiles Team sorgt beim Darmstädter Pharmakonzern Merck dafür, dass neue Medikamente aufgrund digital optimierter Prozesse schneller zugelassen werden können.
Mit Process Mining und dem Einsatz von Software-Bots gelingt es dem Darmstädter Pharmakonzern Merck, Geschäftsabläufe zu beschleunigen.
Mit Process Mining und dem Einsatz von Software-Bots gelingt es dem Darmstädter Pharmakonzern Merck, Geschäftsabläufe zu beschleunigen.
Foto: anyaivanova - shutterstock.com

Die Abteilung Regulatory Affairs trägt bei Merck große Verantwortung: Sie ist dafür zuständig, dass die wichtigen Einreichungen bei Zulassungsbehörden wie EMA (European Medicines Agency) oder FDA (U.S. Food and Drug Administration) reibungslos und den Vorschriften entsprechend vonstattengehen. Der Unternehmensbereich ist traditionell als konservativ einzustufen, alle Prozesse sind streng reguliert und nach den branchenüblichen GxP-Richtlinien zertifiziert. Innovative Impulse gab es in den vergangenen Jahrzehnten kaum.

Mit dem Projekt SARA, das für den von IDG und Dimension Data veranstalteten Digital Leader Award 2019 eingereicht wurde, hat sich das verändert. Merck entschied sich dafür, in einem agilen, interdisziplinär zusammengesetzten Team disruptive Technologien wie Process Mining, Robotic Process Automation (RPA) und Text Mining zu evaluieren. Im zweiten Schritt galt es, existierende Prozesse zu analysieren und diejenigen zu identifizieren, die von einer Automatisierung besonders profitieren würden. Auf Basis der gewonnenen Informationen konnten die Prozesse anschließend verbessert und mithilfe von Software-Robotern automatisiert werden.

Die größten Herausforderungen im Projekt werden unseren Lesern bekannt vorkommen: Das agile Vorgehen mit zweiwöchigen Sprints war den Mitarbeitern fremd, ebenso die neu eingesetzten Technologien. Es galt Berührungsängste zu überwinden, weshalb die Beschäftigten in Workshops mit Scrum, RPA und Process Mining vertraut gemacht und geschult wurden. Feedbackschleifen sorgten dafür, dass sie sich jederzeit einbringen konnten.

Prozesse optimieren und automatisieren

Beim Process Mining geht es darum, bestehende Geschäftsprozesse anhand vorhandener Log-Daten zu erfassen und zu analysieren. So lässt sich feststellen, welche Prozessschritte in welcher Reihenfolge und in welchen Zeitabständen durchlaufen werden und welche Varianten von einem Prozess existieren. In der Regel zeigt sich eine Diskrepanz zwischen dem definierten Soll- und dem tatsächlich gelebten Prozess.

Gelingt die Analyse, lässt sich vergleichsweise schnell entscheiden, welche Prozessvarianten mit RPA automatisiert werden können. Die Herausforderung besteht dabei vor allem im Beschaffen der Daten beziehungsweise dem Anbinden von Process Mining an die Zielsysteme.

Merck reicht heute weltweit etwa alle 15 Minuten ein Dokument zur Prüfung bei einer der Aufsichtsbehörden ein. Natürlich liegt es nicht in der Macht des Pharmakonzerns, die Zulassungsprozesse selbst zu beschleunigen. Wohl aber gelang es, die Abläufe rund um Einreichung und begleitende Datenverarbeitung zu verkürzen. Die entsprechenden Dokumente betreffen bei weitem nicht nur Anträge zu neuen oder modifizierten Medikamenten, sondern auch Beipackzettel, Verpackungen oder Veränderungen in der Medikamentenherstellung.

RPA hat die Prozessqualität erhöht

Inzwischen werden einige Prozesse komplett mithilfe von RPA-Technologie abgewickelt, was die Qualität deutlich erhöht hat. Der Pharmakonzern kann so die Automatisierung vorantreiben und beispielsweise sicherstellen, dass die Rückmeldungen der Behörden korrekt in die Dokumenten- und Workflow-Systeme eingetragen werden.

Das Projektteam freut sich, dass SARA heute über die gesamte globale Organisation ausstrahlt. Fachbereiche und Funktionen fühlen sich ermutigt, selbst verstärkt in die Digitalisierung zu investieren und die erarbeiteten Best Practices zu übernehmen. Die Digital Leaders verbinden heute spartenübergreifend Mitarbeiter, die vorher keine Berührungspunkte hatten.