Wenn ein IT-Projekt platzt

Schadensersatz für Freiberufler?

25.01.2012
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Selbständige IT-Profis haben in der Regel das Nachsehen, wenn ein IT-Projekt, für das sie sich bereithalten mussten, in letzter Minute platzt. Ein aktueller Fall zeigt jedoch, dass sie gegenüber der Vermittlungsagentur Schadensersatz geltend machen können.
Foto: Joachim Wendler - Fotolia.com

In einem Projektvertrag zwischen einer Vermittlerfirma und einem IT-Experten verpflichtete sich ein Freiberufler, entgeltlich IT-Dienstleistungen für einen Endkunden zu erbringen. Sowohl das Auftragsvolumen als auch die konkrete Auftragsdauer waren vertraglich offen geblieben. Laut einer Formularklausel des streitgegenständlichen Vertrags musste sich der Auftragnehmer zwingend ab einem bestimmten Zeitpunkt bereithalten, da ansonsten eine hohe Vertragsstrafe fällig geworden wäre.

Unmittelbar nach Vertragsbeginn teilte der Vermittler dem IT-Berater jedoch nicht mit, wo und wann er mit seinem Einsatz beginnen solle. Bis zum Ablauf von zwei weiteren Monaten trat die Vermittlerfirma weder vom Vertrag zurück noch kündigte sie diesen. Die Unternehmensberatung des IT-Spezialisten erlitt nicht nur Verdienstausfall in erheblicher Höhe, sondern hatte zusätzlich Rechtsunsicherheit, die Vertragsstrafe zu verwirken, sollte sie sich nicht länger zur Diensterbringung bereithalten.

Rechtsanwältin Ina Becker: Wenn die Klauseln in einem Vertrag eine Partei grob einseitig belasten, ist ein faires Austauschverhältnis nicht mehr gegeben.
Rechtsanwältin Ina Becker: Wenn die Klauseln in einem Vertrag eine Partei grob einseitig belasten, ist ein faires Austauschverhältnis nicht mehr gegeben.
Foto: Ina Becker, Rechtsanwältin

Im Rahmen der außergerichtlichen Verhandlungen lehnte die Vermittlerfirma zunächst jegliche Haftung ab. Sie verwies auf zahlreiche formularmäßige Haftungsausschlüsse des Projektvertrags. Auf Intervention der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Ina Becker, Hamburg, zahlte der Vermittler dem IT-Experten schließlich eine angemessene Summe für entgangenen Gewinn und Kosten der anwaltlichen Beauftragung, um eine drohende gerichtliche Klage zu vermeiden.

Vertrag darf Freiberufler nicht einseitig belasten

Ein Unternehmen kann sich keineswegs vorsorglich von jeglicher Haftung für vertragswidriges Verhalten durch Gestaltung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen frei zeichnen. Ein faires vertragliches Austauschverhältnis ist bei grob einseitig belastenden Klauseln wie der vorliegenden Vertragsstrafenregelung und einem pauschalen Schadensersatzausschluss nicht mehr gegeben, meint Rechtsanwältin Ina Becker.

Die Verwendung unwirksamer Formularklauseln verstößt gegen die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und verpflichtet nach den Grundsätzen der so genannten culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) zum Schadensersatz.

Außerdem wirkte sich im vorliegenden Fall der Umstand aus, dass der Vermittler aufgrund interner organisatorischer Mängel weder einen rechtswirksamen Rücktritt vom Vertrag erklärte noch zeitnah rechtswirksam kündigte. Es entspricht bereits dem allgemeinen Rechtsgefühl, dass man einen Geschäftspartner nicht so lang im Unklaren über seine eigene Verpflichtung zur Diensterbringung lassen darf.

IT-Freiberufler sollten daher bei Nichtzustandekommen von Projekten die vertraglichen Vereinbarungen und mögliche Schadensersatzansprüche stets durch einen Rechtsexperten überprüfen lassen, empfiehlt Becker.