Anwender verlangen Verlässlichkeit

SAP muss mehr für Integration tun

17.02.2020
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die SAP-Führung verspricht ihren Kunden eine bessere Integration, intern und mit Drittsystemen, sowie ein einheitliches Datenmodell. Damit kommt der Konzern den schon seit langem auf dem Tisch liegenden Forderungen der DSAG nach. Jetzt muss SAP nur noch liefern.

Die Liste der Hausaufgaben, die die Kunden SAPs Chief Technology Officer Jürgen Müller auf den Technologietagen der Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG) mit nach Hause gegeben haben, ist lang. Den Anwendern geht es in erster Linie um Harmonisierung, Integration, Qualität sowie Planungs- und Investitionssicherheit. In diesen Bereichen, die zum Teil schon seit Jahren in der Kritik stehen, sehen viele SAP-Kunden immer noch viel Luft nach oben.

SAPs CTO Jürgen Müller versprach den Kunden auf den DSAG-Technologietagen 2020 eine bessere Integration der eigenen Produkte.
SAPs CTO Jürgen Müller versprach den Kunden auf den DSAG-Technologietagen 2020 eine bessere Integration der eigenen Produkte.
Foto: DSAG

DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch forderte auf den Technologietagen, die am 11. und 12. Februar in Mannheim stattfanden, Lösungen aus einem Guss. Stattdessen gebe es nach wie vor Brüche zwischen den verschiedenen SAP-Lösungen - Resultat der vielen Zukäufe in den vergangenen Jahren. Pietsch nennt als Beispiel die unterschiedlichen Bedienoberflächen, mit denen die User konfrontiert würden. Dabei gehe es nicht um optische Eindrücke, machte der Anwendervertreter klar, sondern um handfeste Aspekte wie Trainingsaufwand und Fehleranfälligkeit. "Hier erwarten wir von SAP, dass die User-Experience produktübergreifend harmonisiert wird", so Pietsch.

SAP räumt Fehler ein

SAP-Vorstand Müller räumte Fehler ein und gelobte Besserung. Diese sei in einzelnen Fällen bereits gelungen. SAP habe die Zahl die Oberflächen von 14 auf ein Fiori-User-Interface (UI) konsolidieren können. Insgesamt werde die Harmonisierung innerhalb des SAP-Portfolios aber dauern. Müller sprach von einem aufwändigen Prozess. Dabei müsse nicht alles mit allem integriert werden. Es gelte, die anstehenden Aufgaben sinnvoll zu priorisieren, "in gut handhabbare Arbeitspakete, die nach und nach abgearbeitet werden". Wie lange das Ganze dauern wird, ließ der CTO offen.

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Doch die Anwender machen Druck. "SAP darf kein Closed-Shop sein", mahnte DSAG-Vertreter Pietsch. In einer stark vernetzten Welt sei die Integrationsfähigkeit von Software ein Schlüsselfaktor. Die SAP-Lösungen - on-premise wie aus der Cloud - müssten sich in die IT-Landschaft einpassen können. "Das ist heute leider noch nicht durchgängig der Fall", kritisiert der DSAG-Mann. "Hier muss SAP weiter investieren."

"SAP darf kein Closed-Shop sein", forderte DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch.
"SAP darf kein Closed-Shop sein", forderte DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch.
Foto: DSAG

Konkret monierte Pietsch unterschiedliche Technologie-Stacks und Inkonsistenzen, beispielsweise im "SAP Business Hub". Hier bündelt der Softwarekonzern seine Informationen über Application Programming Interfaces (APIs). Anwender sollen einen Überblick erhalten, welche Schnittstellen es gibt und wie sie zu nutzen sind. In diesem Hub fehle jedoch die On-premise-Variante von S/4HANA, sagt der DSAG-Sprecher und mahnt Vollständigkeit sowie Durchgängigkeit an.

Integration über die Cloud

Tatsächlich scheint SAP seinen Schwerpunkt in Sachen Integration vor allem auf die Cloud zu legen. Dreh- und Angelpunkt dafür ist die SAP Cloud Platform (SCP). "Das ist im Grunde das neue Netweaver", sagt Frank Niemann, Vice-President Enterprise Apps &Related Services bei teknowlogy PAC. Damit funktioniere aber auch die Anbindung an die On-Premise-Variante von S/4HANA. Was die Cloud-Editionen der neuen ERP-Generation betreffe, müsse SAP allerdings noch nacharbeiten.

SAPs Technikchef Müller wie auch Co-CEO Christian Klein sprechen von einem Integrationsplan in der Cloud. Klein hatte einen Tag vor den Technologietagen der DSAG ein Strategiepapier dazu veröffentlicht. Darin räumte er Probleme wie beispielsweise unterschiedliche Technologie-Stacks ein und bezeichnete die Integration als eine Herausforderung für viele Kunden. SAP sei sich der anstehenden Aufgaben bewusst, versicherte der SAP-Chef. Schließlich beruhe der eigene Erfolg darauf, die geschäftskritischen Business-Prozesse der Kundenintegriert und auf einem einheitlichen Datenmodell basierend abwickeln zu können.

Etwa 2.300 Teilnehmer suchten auf den DSAG-Technologietagen 2020 nach Orientierung im Software-Kosmos von SAP.
Etwa 2.300 Teilnehmer suchten auf den DSAG-Technologietagen 2020 nach Orientierung im Software-Kosmos von SAP.
Foto: DSAG

Klein stellt den Anwendern eine bessere SAP-interne Integration wie auch mehr Verknüpfungen zu Drittsystemen in Aussicht. Die eigene Business Technology Platform biete bereits Out-of-the-Box-Szenarien für die Verbindung von SAP-Systemen sowie mehr als 160 Konnektoren für Fremd-Systeme. Im vergangenen Jahr habe man bereits Fortschritte über die API-basierte Punkt-zu-Punkt-Integration hinaus gemacht - insbesondere im Zusammenhang mit SuccessFactors, Concur und Ariba sowie Qualtrics, bilanziert der SAP-Chef. Im laufenden Jahr will sich der Konzern auf die Integration der Cloud-Lösungen Fieldglass, C/4HANA und die Digital Supply Chain konzentrieren.

SAPs Integrationspläne orientieren sich an End-to-End-Prozessen. Vier davon hat der Konzern bis dato definiert:

  • "Lead to Cash" für das Kundenmanagement von der ersten Interaktion über die Auftragsabwicklung bis hin zum Service.

  • "Source to Pay" für die Verwaltung aller Einkaufsprozesse von der strategischen Lieferantenauswahl bis hin zur Sicherstellung der Compliance-Anforderungen.

  • "Recruite to Retire" für das Management aller Anforderungen im Personalwesen, vom Mitarbeitereintritt bis zum Verlassen des Unternehmens.

  • "Design to operate" als digitaler Spiegel der eigenen Supply Chain - vom Planungsprozess über Herstellung und Logistik bis zur späteren Wartung.

"Wir arbeiten an zusätzlichen Informationen, die mehr Prozesse adesssieren", kündigte Klein an. "Bleiben Sie dran!"

Wichtiges Signal für die Anwender

DSAG-Mann Pietsch bezeichnete den von SAP vorgelegten Integrationsplan als ein Signal. Darüber hinaus sei es aber auch wichtig, dass zwei oder mehrere SAP-Lösungen auch semantisch durch kompatible Datenmodelle einfach integriert werden könnten. "Wir erwarten, dass SAP sauber zu SAP spricht." Mittlerweile lägen erste Resultate einer Stammdateninitiative von DSAG und SAP vor. Doch der "Business Partner", ein Datenmodell, das unter anderem zur Abbildung von Kunden- und Lieferantendaten dient, werde innerhalb von S/4HANA noch nicht konsistent verwendet und in verschiedenen SAP-Lösungen unterschiedlich definiert. "Das führt zu massiven Aufwänden und birgt Projektrisiken", kritisiert Pietsch.

SAP arbeitet an der Entwicklung eines harmonisierten, übergreifenden Datenmodells (Domain Model Alignment) für den Austausch zwischen SAP-Produkten. "Diese Maßnahmen begrüßen wir ausdrücklich, benötigen aber für unsere Mitglieder noch mehr Transparenz", forderte Pietsch. "Als Kunde möchte ich wissen, wie ich meine Projektplanungen mit der Weiterentwicklung der SAP-Software in Einklang bringe. Dafür benötigen wir mehr Informationen auf inhaltlicher Ebene, wie auch zur zeitlichen Planung."

Letztendlich geht es um das Vertrauen, bringt es der DSAG-Vorstand auf den Punkt. "Dafür muss die Qualität stimmen." An dieser Stelle sieht Pietsch durchaus Fortschritte. Beispielsweise habe der Hersteller in Bezug auf die SAP Cloud Platform zahlreiche Maßnahmen ergriffen, Betriebsprozesse verändert und technische Korrekturen vorgenommen. Dadurch habe sich die Situation für die Kunden deutlich verbessert - im Vergleich zum "wüsten Fahrwasser der vergangenen Jahre".

Es geht um Vertrauen - DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch (li.) und SAPs CTO Jürgen Müller sehen sich auf einem guten Weg.
Es geht um Vertrauen - DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch (li.) und SAPs CTO Jürgen Müller sehen sich auf einem guten Weg.
Foto: DSAG

Handlungsbedarf sieht Pietsch jedoch noch bei der Verfügbarkeit der Software-as-a-Service-Lösung für das Talent-Management SuccessFactors. "Das ist ein seit mittlerweile Jahren anhaltendes Problem. Die Stabilität muss deutlich verbessert werden. Bei einer Cloud-Lösung darf die Verfügbarkeit kein Diskussionsthema sein", moniert der Anwendervertreter. Darüber hinaus forderte der DSAG-Vertreter mehr Verlässlichkeit von SAP. Er sprach von Problemen bei disruptiven Produktwechseln und fehlenden Migrationspfaden. "Hier erwarten wir bessere Unterstützung für mehr Investitions- und Planungssicherheit."

Roadmap Explorer für mehr Planungssicherheit

SAPs Technikchef Müller versprach eine Lösung für die Cloud-Probleme. "Das ist auch für uns nicht akzeptabel - das darf nicht passieren." SAP sei dabei, die Fehler rund um die Verfügbarkeit von SuccessFactors zu identifizieren und zu eliminieren. Schließlich wisse man um seine Verantwortung. Müller entschuldigte sich bei den Anwendern und kündigte an, alles nur Mögliche zu tun, um die Situation zu bereinigen und zu verhindern, dass so etwa wieder passiert.

Auch in Sachen Planungssicherheit räumte Müller Fehler ein. Produktwechsel seien zu abrupt erfolgt, die Migrationspfade nicht eindeutig erkennbar gewesen. Künftig sollen die Anwender mehr Transparenz erhalten. Dafür soll ein so genannter "Roadmap Explorer" sorgen, der Mitte des Jahres herauskommen soll.

"SAP will sich wandeln", beteuerte Müller. Er kündigte an, dass die eigenen Entwickler wieder näher an die Anwender heranrücken sollen. Man sei noch nicht da, wo SAP hinmöchte, aber auf dem richtigen Weg. Tatsächlich deutet sich an, dass SAP den drängenden Anliegen der Anwender mehr Gehör schenken will. Beispielsweise denkt der Softwareanbieter laut Müller auch über ein Pay-as-you-go-Modell für seine Cloud-Lösungen nach. Schon seit Jahren fordert die DSAG flexible Preismetriken für die Cloud.