SAP sieht sich in einer Schlüsselrolle, um die eigenen Kunden durch unsichere Zeiten zu manövrieren. "In einer Welt, die von Marktverwerfungen, sich ständig verändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen und einem kritischen Fachkräftemangel geprägt ist, wenden sich Kunden weiterhin an SAP, um Lösungen für ihre drängendsten Probleme zu erhalten", sagte CEO Christian Klein zum Auftakt der diesjährigen Kundenkonferenz Sapphire in Orlando, die auch digital besucht werden kann. Der Manager verwies auf das Branchen- und Prozess-Know-how, das der deutsche Softwarekonzern über Jahrzehnte angesammelt habe und auf dem sämtliche Innovationen basierten.
Kleins Vorstandskollege Thomas Saueressig, bei SAP verantwortlich für die Produktstrategie, sprach von der nächsten Generation der Enterprise Software. Drei Kernelemente würden das Enterprise Resource Planning (ERP) der Zukunft kennzeichnen:
mehr Intelligenz durch KI-Funktionen,
eine bessere Vernetzung durch Business Networks und
mehr Features, damit Kunden ihren Betrieb nachhaltiger aufstellen könnten.
KI ist für SAP nicht neu, sagt der CEO
KI sei für SAP nichts Neues, sagte Saueressig bereits im Vorfeld der Kundenveranstaltung und bezeichnete das Unternehmen als "heimlichen KI-Riesen". Rund 130 KI-Szenarien seien bereits fest in die eigene Softwarelandschaft integriert. Rund 23.000 Kunden würden diese Features längst nutzen. Mit Generative AI stehe man nun allerdings an der Schwelle zu einem neuen KI-Zeitalter, heißt es bei SAP.
Das Softwarehaus aus Walldorf führte deshalb den Begriff "SAP Business AI" ein und kündigte auf der Sapphire eine Reihe von Funktionen an. Sie dienen beispielsweise dazu, personalisierte Kundenerfahrungen zu ermöglichen, das Beschaffungswesen effizienter aufzustellen oder Talente aufzuspüren und weiterzuentwickeln.
Auch in die mit Signavio zugekauften Softwarewerkzeuge für das Process Mining werden nun KI-Funktionen eingebaut, um dem Prozess-Management mehr Intelligenz einzuflößen. SAP will dabei in erster Linie auf KI-Tools und Modelle von Partnern setzen. Dazu zählen OpenAI, das mit seinem Konversations-Bot ChatGPT in den vergangenen Monaten Schlagzeilen gemacht hat, und das deutsche Startup Aleph Alpha, das in Heidelberg nahe SAPs Stammsitz in Walldorf beheimatet ist. SAP-Chef Klein betonte, man wolle auf verschiedene Anbieter setzen und sich nicht von einem KI-Tool abhängig machen. Zuvor hatten die Softwerker bereits eine enge Zusammenarbeit mit IBM angekündigt.
MS Copilot für SuccessFactors-Lösungen
Zur Sapphire wurde nun beispielsweise die Integration von SAPs SuccessFactors-Lösungen mit Microsoft 365 Copilot und Copilot in Viva Learning sowie mit dessen Azure OpenAI Service angekündigt. Es gehe darum, leistungsstarke Sprachmodelle zu ermöglichen, die imstande seien, natürliche Sprache zu generieren und zu analysieren. Laut SAP eröffnen die Integrationen in SAPs Talent-Management-Suite den Kunden verbesserte Möglichkeiten, Beschäftigte zu finden, zu halten und ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln.
Während die Algorithmen und KI-Modelle von Partnern wie Microsoft, OpenAI oder auch IBM kommen, bringt SAP vor allem die Business-Daten ein. "Wir haben den Datenschatz für SAP Business AI", sagte Produktchef Saueressig. So könne man für die im Business-Kontext notwendige Verlässlichkeit und das Vertrauen in KI-Lösungen sorgen. SAP halte sich an strenge ethische Richtlinien für den KI-Einsatz und arbeite dazu unter anderem mit Einrichtungen wie dem Fraunhofer Institut zusammen.
Saueressig zufolge haben die Badener derzeit rund 80 Generative-AI-Anwendungs-Cases in Vorbereitung. Man wolle darüber hinaus in Zukunft auch eigene Foundation Models entwickeln. Die KI-Funktionen sollen nativ in die SAP-Applikationen eingebaut und nicht etwa als separate Tools angeboten werden. Je nach Reifegrad und Umfang der KI-Funktionen könnten verschiedene Versionen angeboten werden, skizziert der SAP-Vorstand ein mögliches Vermarktungsmodell. Auf Basis- oder Premium-Editionen ließen sich dann jeweils unterschiedliche Preisschilder kleben.
Nachhaltigkeit als SAP-Zukunftsmarkt
Neben der KI spielt das Thema Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle in SAPs Produktentwicklung. Vor 50 Jahren habe man die Finanzbuchhaltung revolutioniert, schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung. Heute erfinde man das R in ERP neu, indem in die Business-Ressourcen auch der CO2-Footprint inkludiert werde. Angesichts schärferer regulatorischer Vorgaben und einem wachsenden Druck aller Stakeholder müssten Unternehmen das Thema Sustainability ernster nehmen.
Die Unternehmen benötigten ein System, mit dessen Hilfe sie sämtliche Emissionsdaten zuverlässig erfassen könnten - ähnlich dem General Ledger, in dem alle Finanzdaten eines Unternehmens transparent und auditierbar zusammenlaufen. SAP kündigte zur Sapphire ein Green Ledger an, das diese Aufgabe erfüllen soll. Hier könnten Betriebe aktuelle, exakte Werte aus ihren Prozessen erfassen, um daraus ihren CO2-Fußabdruck zu ermitteln, erläuterte Saueressig. Sie müssten nicht mehr auf irgendwelche Durchschnittswerte zurückgreifen.
Saueressig räumte allerdings ein, dass in Sachen Standardisierung bei der Erfassung von Emissionen noch einiges an regulatorischer Arbeit zu erledigen sei. Auch das Green Ledger könne nicht alles erfassen. In hybriden Umgebungen mit Prozessen, die über Applikationen anderer Anbieter abgedeckt würden, müsse man auch weiterhin mit Durchschnittswerten rechnen. Über die Cloud-Anbindung werde es allerdings insgesamt leichter, Third-Party-Daten einzubinden. Das Green Ledger soll als Teil der S/4HANA Cloud im Rahmen der Programme Rise with SAP beziehungsweise Grow with SAP herauskommen.
Business Network für die Fertigungsindustrie
Neben den neuen Features für KI und mehr Nachhaltigkeit kündigte SAP auf der Sapphire auch Erweiterungen seines Business Network an. Hier will der deutsche Softwarekonzern an die Wünsche bestimmter Branchen anknüpfen. Konkret wurde ein Business Network für die Fertigungsindustrie in Aussicht gestellt. Anwenderunternehmen sollen damit ihre Lieferketten resilienter abbilden können, versprechen die SAP-Verantwortlichen. Saueressig bezifferte die Zahl der hier angebundenen Lieferanten auf über 130.000. Das darüber abgewickelte Geschäftsvolumen werde etwa 92 Milliarden Dollar pro Jahr betragen.
Auch die Basis des aktuellen Softwareportfolios, die Business Technology Platform (BTP), bekommt neue Features, beispielsweise um das Optimieren und Automatisieren von Prozessen zu beschleunigen. Erweiterungen in Signavio erlauben künftig laut SAP Einblicke in kritische Abläufe innerhalb weniger Stunden und nicht wie bisher binnen Tagen. Der Ausbau der Integration Suite in der BTP erlaube Anwendern, mehr Prozesse zwischen SAP- und Non-SAP-Systemen sowie zwischen On-Premises- und Cloud-Infrastrukturen zu verknüpfen. Mehr Automatisierungen über sämtliche Business-Prozesse hinweg könnten die User künftig auch über zusätzliche Features in der Low-Code-Plattform SAP Build umsetzen. (ba)