Übernahme von Contextor

SAP verstärkt sich mit Robotic Process Automation

19.11.2018
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit dem Kauf von Contextor will SAP Funktionen für Robotic Process Automation (RPA) in seinem Softwarekosmos etablieren. Entsprechende Werkzeuge sollen in alle Produkte integriert werden. Dabei setzen die Walldorfer vor allem auch auf die Kombination mit Machine-Learning-Funktionen.
Robotic Process Automation (RPA) verspricht effizientere und schnellere Prozesse in den Unternehmen.
Robotic Process Automation (RPA) verspricht effizientere und schnellere Prozesse in den Unternehmen.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

SAP will Contextor übernehmen, einen französischen Anbieter für die Entwicklung und Integration von Softwarelösungen für Robotic Process Automation (RPA). Mit der Akquisition will der größte deutsche Softwarekonzern eigenen Angaben zufolge das eigene Machine Learning-Portfolios rund um die Marke Leonardo weiterentwickeln.

Contextor wurde im Jahr 2000 von Patrick Lemare gegründet, der das Unternehmen heute als CEO leitet. Produkte und Lösungen des nahe Paris beheimateten RPA-Spezialisten sollen Anwender von Geschäftssoftware bei repetitiven Routineaufgaben entlasten. Dabei basiere die eigene Technik nicht auf simplen Tools, die lediglich die entsprechenden Screens der Nutzer abscannten, betonen die Verantwortlichen. Die Contextor-Software analysiere vielmehr genau, wie Anwender Felder und Eingabemasken nutzten und beziehe damit die dahinterliegende Business-Logik in die Automatisierung ein.

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Das Portfolio der Franzosen umfasst interaktive Anwendungs-Assistenten, mit deren Hilfe sich User-Aktionen analysieren lassen. In den nächsten Schritten orchestriert der Assistent die dahinterliegenden Applikationen, glättet Prozesse und automatisiert einzelne Aufgaben. Darüber hinaus bietet Contextor eigenständige Bots an, die innerhalb und zwischen verschiedenen Anwendungen agieren können. Eigenen Angaben zufolge sind bei Kunden bereits über 100.000 Bots im Einsatz und automatisieren dort Geschäftsprozesse. Mit Contextor Studio stellt der RPA-Anbieter ferner ein Software Development Kit zur Verfügung, mit dessen Hilfe Anwender ihre Automatisierungsprojekte konfigurieren und überwachen können. Dafür sammelt das System laufend KPIs, anhand derer sich die Effizienz der RPA-Maßnahmen ablesen lassen soll.

Rund um seine Produkte und Lösungen bietet Contextor Support-Services beispielsweise für Schulungen sowie die Unterstützung bei komplexeren Integrationsprojekten an. Darüber hinaus kooperieren die Franzosen mit einer ganzen Reihe von Dienstleistern wie zum Beispiel Accenture, Capgemini, EY, IBM und SopraSteria.

RPA soll in alle SAP-Produkte einfließen

RPA-Technologien sollen Transaktionen innerhalb von SAP-Anwendungen, aber auch hin zu Lösungen von Drittanbietern vereinfachen, begründet SAP seinen jüngsten Zukauf, über dessen finanziellen Details die Walldorfer allerdings Stillschwiegen bewahren. Intelligente robotergesteuerte Prozessautomatisierung soll künftig in alle bestehenden SAP-Produkte integriert werden und die Ausführung von Geschäftsprozessen stärker automatisiert und damit deutlich vereinfacht werden, hieß es in einer offiziellen Mitteilung. RPA soll dabei mit "SAP Conversational AI" (Spracherkennung) und Funktionen für die Dokumentenverarbeitung verknüpft werden, die innerhalb von SAP Leonardo Machine Learning bereitstehen.

Anwender sollen bei der Automatisierung ihrer Prozesse allerdings nicht auf den SAP-Softwarekosmos beschränkt bleiben, betonte Markus Noga, Leiter des Bereichs Machine Learning bei SAP. Die Lösungen von Contextor offerieren über durchgängige APIs auch die Anbindung zahlreicher Drittsysteme. Diese sollen sich Noga zufolge auch in Zukunft mit einklinken lassen. "Mit Contextor und deren intelligenter Prozessautomatisierung versetzen wir unsere Kunden schneller in die Lage, einen hohen Automatisierungsgrad zu erreichen, wie sie ihn als intelligentes Unternehmen benötigen," sagte der SAP-Manager. Die Übernahme sei ein wichtiger Schritt hin zu einer durchgängigen Prozessautomatisierung in den eigenen Anwendungen - allen voran SAP S/4HANA.

Die Übernahme von Contextor ist ein wichtiger Schrtitt hin zu einer durchgängigen Prozessautomatisierung in den eigenen Anwendungen, sagt Markus Noga, Leiter des Bereichs Machine Learning bei SAP.
Die Übernahme von Contextor ist ein wichtiger Schrtitt hin zu einer durchgängigen Prozessautomatisierung in den eigenen Anwendungen, sagt Markus Noga, Leiter des Bereichs Machine Learning bei SAP.
Foto: Foto Vogt

In SAP S/4HANA soll RPA im ersten Halbjahr 2019 verfügbar sein, weitere Anwendungen würden SAP zufolge schrittweise folgen. Innerhalb von drei Jahren plant der Softwarekonzern, die Hälfte der Geschäftsprozesse in den eigenen Kernanwendungen zu automatisieren.

KI-Techniken treiben Automatisierung an

Experten gehen davon aus, dass sich der RPA-Markt in den nächsten Jahren gerade hinsichtlich der Kombination mit KI-Techniken rasant weiterentwickeln wird. Die Marktforscher von Forrester gehen davon aus, dass es bis 2021 weltweit mehr als vier Millionen Softwareroboter geben wird, die Büro- und Verwaltungsarbeiten sowie Vertriebs- und verwandte Aufgaben erledigen. Die Analysten haben in ihrem Report "The Forrester Wave: Robotic Process Automation, Q2 2018" vom Sommer dieses Jahres anhand von 30 Kriterien aus den Kategorien "Aktuelles Angebot", "Strategie" und "Marktpräsenz" die 15 wichtigsten Anbieter im Bereich Robotic Process Automation (RPA) identifiziert und bewertet.

Dabei konnten sich die RPA-Anbieter UiPath, Automation Anywhere und Blue Prism im sogenannten Leader-Bereich platzieren. Contextor stuften die Forrester-Analysten dagegen noch hinter den Strong Performers als Herausforderer ein. Der Anbieter habe zuletzt sein Robot-Design verbessert, konstatierten die Analysten. Dies starte mit einer Erfassung von Objekten (Felder, Attribute und Labels) direkt aus der Anwendung. Allerdings, so merkt Forrester an, sei oft JavaScript-Scripting notwendig, um das Design eines Makros abzuschließen. Dieser Ansatz eigne sich vor allem, um komplexere Anforderungen abzudecken. Schwächen habe Contextor allerdings noch in seinen analytischen Funktionen und den zentralen Kontroll-und Steuermöglichkeiten - jedoch arbeite der Anbieter daran. Contextor eigne sich aufgrund seiner Flexibilität vor allem für fortgeschrittene Unternehmen oder Integrationspartner, die RPA speziell auf komplexere Anforderungen und Use Cases zuschneiden möchten.