TechEd 2023

SAP verheiratet Low-Code und GenAI

03.11.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Auf der Entwicklerkonferenz TechEd im indischen Bangalore stellte SAP mit "Build Code" einen Bot vor, der Entwickler - ähnlich wie Microsoft Copilot - unterstützen soll.
Künstliche Intelligenz spielt auch bei SAP in der Entwicklung eine immer größere Rolle.
Künstliche Intelligenz spielt auch bei SAP in der Entwicklung eine immer größere Rolle.
Foto: Photon photo - shutterstock.com

Die TechEd 2023 stand ganz im Zeichen von Generative AI. "Die Technologielandschaft und die Geschäftswelt von heute sind sehr dynamisch", sagte Jürgen Müller, Chief Technology Officer (CTO) und Mitglied des Vorstands der SAP SE. "Das erfordert, dass jeder Entwickler zusehends ein KI-Entwickler sein muss."

Dafür hat SAP auf der TechEd "Build Code" angekündigt, eine Sammlung von KI-gestützten Pro-Code-Tools. Sie sollen die vor einem Jahr ebenfalls auf der TechEd vorgestellten Low-Code-Werkzeuge der hauseigenen Build-Plattform ergänzen. Es sei wichtig, dass professionelle Entwickler, aber auch Citizen Developers ohne technischen Hintergrund, effektiv zusammenarbeiten könnten, hieß es dieses Jahr bei SAP in Bangalore.

SAPs Technikchef Müller erklärte, Mit SAP Build Code wolle man Low Code und Pro Code verheiraten. Der Bot unterstütze Entwickler mit KI-Funktionen. Er könne - ähnlich wie Microsofts Copilot auf der Github-Plattform - Code generieren, beispielsweise um Datenmodelle, Anwendungslogik oder Testskripte zu erstellen. Einziges Manko: SAP Build Code ist derzeit auf die Java- und JavaScript-Entwicklung optimiert. Eine Unterstützung für SAPs eigene Programmiersprache ABAP fehlt noch. Hier will der Konzern allerdings nachbessern und verspricht, eine Verknüpfung über APIs und Konnektoren im kommenden Jahr nachzuliefern.

HANA Cloud bekommt Vektordatenbank

Um die Datenbasis für künftige KI-Anwendungen zu verbessern, ergänzt SAP seine HANA Cloud mit neuen Funktionen für Vektordatenbanken. "Eine zentrale Voraussetzung für gute KI sind gute Daten", schreibt der Hersteller in einer Mitteilung. SAP-Vorstand Müller bezeichnete diese Erweiterung als größte Neuerung in der HANA Cloud. Vektordatenbanken verwalten unstrukturierte Daten wie Texte, Bilder oder Audio und spielen für die Entwicklung großer Sprachmodelle eine zentrale Rolle. Die spaltenbasierte In-memory-Datenbank HANA ist dagegen auf die schnelle Verarbeitung strukturierter Daten ausgelegt.

Um beide Welten zusammenzuführen, verwendet SAP eine besondere Technik. Durch das sogenannte Embedding lassen sich unstrukturierte Daten in viele unterschiedliche Dimensionen zerlegen und damit einfacher in HANA ablegen. Dort werden diese Daten indiziert und damit besser durchsuchbar. Per Retrieval Augmented Generation könnten dann KI-Modelle auf diese Informationen zugreifen.

Generative-AI-Funktionen: SAP stellt mit Joule einen eigenen KI-Bot vor

Wie viele andere Softwareanbieter verfolgt auch SAP das Ziel, eine natürlichsprachige Abfrage seiner Software zu ermöglichen. Nutzer sollen beispielsweise einfacher Lieferanten finden können, um deren Zahlungsverhalten zu analysieren und einzelne Aufträge nachzuverfolgen. Insgesamt werde durch die neuen Funktionen und die in HANA eingebaute Vektordatenbank die Interaktion zwischen Large Language Models und den geschäftskritischen Daten eines Unternehmens verbessert. SAP-Entwickler könnten neue Einblicke in ihre Daten gewinnen. Die Einbeziehung unternehmenseigener Daten reduziere die Anfälligkeit der KI für Halluzinationen.

AI Foundation als Basis für alle KI-Funktionen in SAP-Systemen

Als Dreh- und Angelpunkt für die neuen KI-Funktionen will SAP die "AI Foundation on SAP BTP" einführen. Auf der Business Technology Platform (BTP) soll ein zentraler Ort für Entwickler entstehen, an dem sie Anwendungen und Softwareerweiterungen erstellen können, die KI und generative KI nutzen. "AI Foundation umfasst alles, was Entwickler benötigen, um KI-Tools auf der SAP BTP zu entwickeln - von sofort nutzbaren KI-Services über den Zugriff auf die wichtigsten Large Language Models bis hin zu Vektordatenbank-Funktionen sowie KI Runtime und Lebenszyklusmanagement", hieß es von Seiten des Unternehmens.

Bei allen KI-Entwicklungen SAPs stehe der Business-Kontext im Vordergrund, beteuert Jürgen Müller, Chief Technology Officer (CTO) und Mitglied des Vorstands der SAP SE.
Bei allen KI-Entwicklungen SAPs stehe der Business-Kontext im Vordergrund, beteuert Jürgen Müller, Chief Technology Officer (CTO) und Mitglied des Vorstands der SAP SE.
Foto: SAP SE

Neben eigenen Modellen sollen Anwender dort auch auf LLMs von Drittanbietern zugreifen können, wie zum Beispiel OpenAIs ChatGPT, Metas Llama oder Claude von Anthropic. SAP will darüber hinaus ein eigenes LLM entwickeln, das im nächsten Jahr auf der AI Foundation in der BTP verfügbar sein soll. Der große Unterschied zu den KI-Modellen anderer Anbieter werde der Business-Kontext sein, erläuterte Müller. In das SAP-eigene LLM würde zusätzlich Prozess-Know-how einfließen. Der SAP-Manager verwies an dieser Stelle auf 18.000 Kunden, die eingewilligt hätten, das KI-Modell mit ihren Daten zu trainieren.

Last, but not least kündigte SAP in Bangalore an, seine Lernangebote weiter ausbauen zu wollen. Der rasante technologische Fortschritt habe zu einer starken weltweiten Nachfrage nach qualifizierten Entwicklern geführt, hieß es. Das Ziel, bis 2025 zwei Millionen Entwickler weiterzubilden, habe der Konzern mit 1,75 Millionen bereits fast erreicht, berichtete Müller. Neben kostenlosen KI-Lerninhalten will SAP neue rollenbasierte Zertifizierungen und Lernangebote für Backend-Entwickler bereitstellen.

SAP-Kunden fordern transparente Lizenz- und Nutzungsbedingungen

Aus Sicht der Anwender dürfte SAP mit den Weiterbildungen den richtigen Nerv treffen. "Künstliche Intelligenz ist ein mächtiges Werkzeug, aber oft wird übersehen, dass sie Daten benötigt, um wirklich nützlich zu sein", sagte Sebastian Westphal, Technologievorstand der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). Die Vorstellung, dass technische Experten und Berater KI-Systeme problemlos im Unternehmen implementieren können, sei ein Trugschluss. Tatsächlich seien die Fachleute in den Unternehmen entscheidend, um die Vorteile von KI-Systemen zu nutzen.

Aber es gibt auch deutliche Kritik an SAPs KI-Strategie. Es sei kontraproduktiv, dass SAP KI-Innovationen nur für Kunden mit bestimmten Cloud-Verträgen und mit entsprechendem Preisaufschlag zur Verfügung stelle, moniert der DSAG-Mann. "Für eine erfolgreiche Digitalisierung ist es unabdingbar, dass SAP alle KI-Innovationen auch für alle Kunden zur Verfügung stellt."

Sebastian Westphal, Technologievorstand bei der DSAG, fordert transparente Lizenz- und Nutzungsbedingungen von SAP, insbesondere was KI-Partnerschaften und die indirekte Nutzung von Daten für KI anbelangt.
Sebastian Westphal, Technologievorstand bei der DSAG, fordert transparente Lizenz- und Nutzungsbedingungen von SAP, insbesondere was KI-Partnerschaften und die indirekte Nutzung von Daten für KI anbelangt.
Foto: DSAG

Auch müsse SAP einheitliche Rahmenbedingungen und ein umfassendes Monitoring bei der Integration großer Sprachmodelle in SAP-Prozesse sicherstellen, fordert die DSAG. "Gleichzeitig braucht es transparente Lizenz- und Nutzungsbedingungen - insbesondere im Zusammenhang mit Partnerschaften von SAP mit anderen Unternehmen im KI-Kontext." Es müsse Klarheit über die indirekte Nutzung von Daten aus SAP-Systemen für KI-Anwendungen geschaffen und diese in den Lizenzvereinbarungen festgelegt werden. SAP solle Unternehmen zudem mit Best-Practice-Guides für die Integration von KI-Anwendungen unterstützen, um den Datenschutz zu gewährleisten und konkrete Use Cases umzusetzen.